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Ukraine-Krieg: Erste Einordnung wirtschaftlicher Implikationen

Putin könnte die Schweiz 2022 und 2023 je rund einen halben Prozentpunkt Wachstum kosten.
Pixabay

Der Überfall auf die Ukraine belastet auch den hiesigen Wirtschaftsausblick. Im laufenden und kommenden Jahr könnte die Zunahme des Schweizer Bruttoinlandsprodukt um jeweils rund 0.5 Prozentpunkte reduziert werden. Die wichtigsten

Rückwirkungskanäle auf den hiesigen Konjunkturverlauf sind indirekter Natur. Vor allem die inflationsbedingten Kaufkraftverluste werden höher ausfallen.

Der Angriff Russlands auf die Ukraine stellt eine historische Zäsur dar – ohne jeden Zweifel wird die Welt nach dem 24.02.2022 eine andere sein als zuvor. Angesichts der politischen Implikationen und des individuellen Leids erscheint es fast etwas deplatziert, sich mit den wirtschaftlichen Auswirkungen des Kriegs in der Schweiz zu befassen. Dennoch soll eine erste Einordnung versucht werden: Der Überfall Putins könnte die Schweiz im laufenden Jahr rund ein halbes Prozent Wachstum kosten. Für das Jahr 2023 ist nochmals mit einem Dynamikverlust in ähnlicher Grössenordnung zu rechnen. Damit fällt die Schweiz nicht in eine Rezession, jedoch wird die Erholung aus der Corona-Krise heraus empfindlich geschwächt: Anstatt gut 3% dürfte das Wachstum 2022 nur um die 2.5% erreichen, 2023 fällt die Dynamik mit rund eineinhalb Prozent unter das Potentialwachstum.

Die wichtigsten Ursachen für die Wachstumseinschränkung sind dabei indirekter Natur. Hinzu kommen aber auch direkte Auswirkungen, vor allem durch die gegen Russland verhängten wirtschaftlichen Sanktionen, welche Russland in vielen Bereichen vom Welthandelsund Finanzsystem ausschliessen Indirekt wird vor allem die bereits jetzt wieder klar im positiven Bereich verlaufende Schweizer Inflation durch Preissteigerungen bei Energieträgern, aber auch bei Nahrungsmitteln weiter hoch bleiben. Zwar geht BAK Economics davon aus, dass die Schweizer Inflationsrate im Jahresdurchschnitt 2022 immer noch unter 2 Prozent liegen wird, aber doch dicht an dieser Grenze. Die rekordhohen Energie- & Treibstoffpreise stellen ausserdem eine empfindliche Belastung für das Konsumentenvertrauen dar.

Zusätzlich bremsend wirken sich indirekt die rückläufigen Kurse an den Finanzmärkten aus, sowie die allgemeine Unsicherheit über die weiteren Entwicklungen. Durch die Sanktionen werden ausserdem direkt gewisse Geschäftsmöglichkeiten wegfallen. Zwar machen die Schweizer Güterausfuhren nach Russland nur etwas mehr als 1 Prozent der traditionellen Gesamtexporte aus (Anteil Ukraine: 0.2%). Bei den Importen beläuft sich der Anteil seitens Russlands und der Ukraine auf jeweils rund 0.1 Prozent. Beide Länder sind für die Schweizer Wirtschaftsentwicklung somit nicht massgebend. Punktuell ist aber mit empfindlichen Einbussen zu rechnen. Zu nennen sind beispielswese die Vermögensverwaltung, der Rohstoffhandel und der Tourismusbereich.

  • Fast ein Drittel der russischen Privatguthaben liegen in der Schweiz.
  • Gemäss dem Wirtschaftsbericht Russland der Schweizerischen Botschaft werden rund 80 Prozent internationalen russischen Rohstoffhandels von Schweizer Finanzdienstleistern ausgeführt.
  • Bei den Logiernächten betrug der Anteil russischer Gäste im Jahr 2019 rund 0.9 Prozent. Allerdings geben diese in der Regel rund 25 Prozent mehr aus als der Median aller Gäste.

Neben einer Einschätzung der unmittelbaren konjunkturellen Auswirkungen sind auch bereits erste Überlegungen zu den mittel- und längerfristigen Veränderungen möglich. Die anstehenden Umbrüche in der politischen Landschaft dürften ebenfalls erhebliche wirtschaftliche Konsequenzen mit sich bringen. Die Aufnahme und Integration von womöglich Millionen ukrainischer Flüchtlinge, die starke Steigerung von Verteidigungsausgaben oder der Umbau der Energie- und Rohstoffversorgung sind mit hohen Kosten verbunden, welche das Wachstumspotenzial reduzieren und womöglich zumindest vorerst über noch weitere steigende Staatsverschuldung finanziert werden.

Veränderungen dürften wohl auch in der Ausrichtung der Innovationspolitik bevorstehen sowie in der globalen arbeitsteiligen Zusammenarbeit. Auch wenn vieles noch unklar ist, so werden die durch den Überfall Russlands ausgelösten wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Veränderungen im Saldo wohl das langfristige Wirtschafts- und Wohlstandsniveau belasten.

 

https://www.bak-economics.com