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Frühzeitige Diagnose von Parkinson durch KI

Erin Smith ist als Finalistin für den Young Inventors prize 2022 nominiert.

Die US-amerikanische Erfinderin Erin Smith ist für ihre KI-gestützte App zur Früherkennung der Parkinson-Krankheit als Finalistin für den Preis für junge Erfinderinnen und Erfinder nominiert worden, der dieses Jahr zum ersten Mal vom Europäischen Patentamt (EPA) vergeben wird. Aus dem Interesse für Gesichtsausdrücke, das die Wissenschaftlerin bereits seit Kindheitstagen antreibt, hat sie eine Technologie erfunden, die dazu beitragen könnte, die Entwicklung schwerer Parkinson-Symptome wie Zittern und Gehschwierigkeiten durch eine frühzeitige Behandlung zu verzögern.

Ihre App namens FacePrint nimmt Videos auf und wendet Gesichtserkennung und KI-Techniken an, um in der Mimik schnell und präzise winzige Anzeichen für die frühen Stadien der Krankheit zu erkennen. Nach erfolgreichen Grossversuchen mit der App an der Stanford Medical School ist Smith nun bereit, die Lösung zu vermarkten, um Menschen auf der ganzen Welt zu helfen. 

„Erin Smiths Erkenntnisse, ihre Innovationskraft und der Einsatz neuer Technologien haben das Potenzial, die Früherkennung von Parkinson in der Breite zu etablieren und sie vielen Menschen zu ermöglichen“, sagte EPA-Präsident António Campinos bei der Bekanntgabe der Finalisten des Preises für junge Erfinderinnen und Erfinder. „Ihre Erfindung ebnet den Weg für eine frühzeitige Behandlung, die den Patienten und ihren Angehörigen Erleichterung und Hoffnung bringt.“ 

Smith ist eine von drei Finalisten des neuen Preises, den das EPA ins Leben gerufen hat, um die nächste Generation von Erfindern zu fördern. Mit dem Preis werden junge Innovatoren im Alter von bis zu 30 Jahren ausgezeichnet, die Lösungen zur Bewältigung globaler Probleme und zur Erreichung der Ziele für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen entwickelt haben. Die Gewinner des Preises für junge Erfinderinnen und Erfinder 2022 werden bei der virtuellen Preisverleihung für den Europäischen Erfinderpreis am 21. Juni bekannt gegeben. 

 

Die Aussagekraft der Mimik

Die in Kansas aufgewachsene Smith begeisterte sich schon früh für die Wissenschaft und verwandelte gemeinsam mit ihrer Mutter die Küche der Familie in ein provisorisches Labor. Im Alter von zehn Jahren begann sie am Medical Center der University of Kansas mit ihrer ersten richtigen Laborarbeit und fing an, an wissenschaftlichen Wettbewerben teilzunehmen. Zu ihren vielen Interessengebieten gehörte das menschliche Gehirn: Die Krimiserie „Lie to Me“ über einen Wissenschaftler, der ein Experte im Lesen menschlicher Mimik ist, gehörte zu ihren Lieblingsprogrammen – und sie befasste sich eingehend mit den Forschungsergebnissen, auf denen sie basierte. 

Als Smith sich 2016 ein Video der Michael J. Fox Foundation anschaute, stellte sie fest, dass der Schauspieler beim Lächeln emotional distanziert wirkte, selbst wenn die Emotion hinter dem Lächeln echt war. Durch die Lektüre von medizinischer Fachliteratur fand sie heraus, dass die Teile des Gehirns, die sich bei der Parkinson-Krankheit am frühesten verändern, identisch sind mit denen, die an der Bildung von Gesichtsausdrücken beteiligt sind – oder deren Fehlen, was als „Maskengesicht“ bekannt ist: „Diese Idee machte mich wirklich neugierig, ob ich mithilfe von Gesichtsausdrücken Veränderungen im Gehirn, wie zum Beispiel bei der Parkinson-Krankheit, überwachen könnte“, so Smith. 

Solche Mimik-„Marker“ zu beobachten, kennzeichnete bereits die Arbeit von Fachleuten, die sich mit neurologischen Erkrankungen wie Parkinson befassen, aber die Veränderungen der Mimik waren noch nie objektiv quantifiziert worden. Smith erkannte jedoch, dass künstliche Intelligenz (KI) wie Computer Vision, mit der Computer Informationen aus Bildern ableiten können, bei der Diagnose der Krankheit Abhilfe schaffen könnte. 

Mit Hilfe von Parkinson-Selbsthilfegruppen konzipierte Erin Smith eine Studie zur Aufnahme von Videomaterial von Menschen mit und ohne Parkinson. Nachdem sie sich mithilfe von Büchern und Online-Kursen selbst das Programmieren beigebracht hatte, verarbeitete die junge Wissenschaftlerin die Aufnahmen mit einer Gesichtserkennungssoftware und trainierte damit einen Computer-Vision-Algorithmus, um zu sehen, wie bestimmte Mimiken bei einer Person ohne Parkinson wirken. Nachdem sie dasselbe für Menschen mit Parkinson getan hatte, konnte sie zum ersten Mal einen messbaren Unterschied zwischen den beiden Gruppen nachweisen. 

Parkinson wird in der Regel nach dem Verlust der motorischen Funktion diagnostiziert, der bis zu zehn Jahre nach dem Auftreten von Veränderungen in der Mimik auftreten kann. Die Innovation von Smith ebnet den Weg für den breiten Einsatz einer genauen Erkennung von Parkinson-Symptomen Jahre vor der herkömmlichen Diagnose, was zugleich die Möglichkeit einer frühzeitigen Behandlung eröffnet, um das Fortschreiten der Krankheit zu verzögern.  

Eine gross angelegte klinische Studie an der Stanford Medical School, die von der Michael J. Fox Foundation unterstützt wurde, ermöglichte es Smith, eine App zu entwickeln, um den Prozess für Nutzer zu automatisieren und den Datensatz für mehr Diversität mit Blick auf Geschlecht und Ethnie zu erweitern. Smith gründete daraufhin 2019 das Unternehmen FacePrint und arbeitete mit Auftragnehmern daran, die Computer-Vision-Algorithmen und Web-App weiterzuentwickeln. Heute kann ihre Erfindung die Parkinson-Krankheit mit einer Genauigkeit von rund 95% und andere nicht richtig erkannte neuronale Störungen mit einer Genauigkeit von 93 % vorhersagen. 

„Eine meiner grössten Hoffnungen für diese Anwendung ist, dass sie dazu beiträgt, die Behandlung von Parkinson-Patienten zu verbessern und auch über die Früherkennung und Intervention hinaus in der Arzneimittelentwicklung eingesetzt wird, um krankheitsmodifizierende Therapeutika zu entwickeln“, sagt Erin Smith. „Ich hoffe, dass FacePrint diese Zukunft mitgestalten kann und zu einem Paradigmenwechsel in der Art und Weise führt, wie wir degenerative Nervenkrankheiten betrachten und behandeln.“ 

Derzeit leben weltweit mehr als 10 Millionen Menschen mit der Parkinson-Krankheit. Es wird erwartet, dass die Zahl der Fälle mit einer zunehmend älter werdenden Bevölkerung erheblich ansteigen wird. Der Markt für die Behandlung von Parkinson hatte 2016 einen Wert von 3,44 Mrd. Euro und wird voraussichtlich bis 2022 auf 4,9 Mrd. Euro anwachsen.

 

www.epo.org