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Mit Licht die Leitfähigkeit von Materialien schnell und genau prüfen

Eine Zukunft mit faltbarer, biegsamer, flexibler und ultradünner Elektronik kann sehr schnell zur Realität werden. Die somit für Konsumgüter wichtigen Materialien sind in der Regel Polymere, also Kunststoffe, die Elektrizität leiten.

Um diese viel versprechende Substanzenklasse besser zu verstehen, haben Wissenschaftler am US-amerikanischen National Institute of Standards and Technology (NIST) eine Technik entwickelt, die mit Licht die Leitfähigkeit von Materialien schnell und genau prüft – und möglicherweise ein Verhalten aufzeigt, das sich anderen Prüfmethoden nicht offenbart.

Nunmehr hat das NIST-Team die weitere Nützlichkeit dieser lichtbasierten Methode demonstriert, indem es damit ein Verhalten in einem Polymer erkannte, das zuvor noch niemand entdeckt hatte. Die Forschungsergebnisse erschienen in «The Journal of Physical Chemistry C».

 

Kleiner, flexibler und leichter

Diese Arbeit ist der jüngste Beitrag des Instituts zur Entwicklung von Messverfahren für die Untersuchung neuartiger Materialien für eine Verwendung in praktisch allen Arten der elektronischen Datenübertragung, von biegsamen Biosensoren bis hin zu Mobiltelefonen und Solarzellen. «Es gibt einen wachsenden Markt für flexible Displays und Smartphones, die immer kleiner, flexibler und leichter in einer Serienproduktion herzustellen sind», sagte Tim Magnanelli, Forschungschemiker am NIST und Postdoc-Stipendiat des National Research Councils.

«Eine Rationalisierung der Leitfähigkeitsprüfung könnte für Forscher aus der Industrie sehr wertvoll sein, die eigentlich nur wissen wollen: «Gehen wir mit einer bestimmten Modifikation in die richtige Richtung? Und: wird das Material dadurch besser?»

 

Silizium ist «State of the art»

Die meisten Verbrauchsgüter wie Laptops und sogar die Computerchips in Waschmaschinen basieren auf der Siliziumtechnologie. Silizium ist ein hervorragendes Material zur Steuerung der Stromleitfähigkeit, da sich die «Ladungsträger» innerhalb eines Siliziumkristalls leicht bewegen können.

Obwohl Kunststoffe seit dem 19. Jahrhundert erforscht werden und weit verbreitet sind, werden leitfähige Kunststoffe erst seit Kurzem für die gängige kommerzielle Elektronik verwendet. Sie neigen jedoch dazu, Elektrizität etwas weniger effizient als Silizium zu leiten. Das bedeutet, dass es im Allgemeinen weniger Bewegungen der Ladungsträger innerhalb der Materialien gibt. Kunststoffe sind jedoch nicht nur flexibel, während Silizium starr ist, sie sind auch leichter und besser anpassbar und oft kostengünstiger und einfacher herzustellen. Sie können sogar transparent sein.

 

Berührungslose Methode zur Messung

Beim typischen Test der Leitfähigkeit eines Materials werden Kontakte auf das entsprechende Material gelötet. Aber während Kontakte auf Silizium sehr gut haften, ist es nicht immer möglich, eine gute Kontaktverbindung zu einem Polymer herzustellen. Und selbst bei einer guten Verbindung kann es immer noch Defekte in der Oberfläche des Materials geben, die die Messwerte verändern. Das Aufbringen von Kontakten auf jene Proben dauert zudem einige Zeit, verlängert den Prüfprozess und hindert die Hersteller möglicherweise daran, die Probe dann als Bauteil zu verwenden.

Um diese Probleme anzugehen, entwickelte der NIST-Forschungschemiker Ted Heilweil vor einigen Jahren eine schnelle und berührungslose Methode zur Messung der gerichteten Leitfähigkeit, die auf zwei Lichtarten beruht.

 

THz-Licht durchdringt sogar undurchsichtige Materialien

Erstens verwendet Heilweil ultrakurze Pulse aus sichtbarem Licht, um in einer Probe Elektronen und Löcher zu erzeugen. Dann «beleuchtet» er die Probe mit polarisierter Terahertz-Strahlung (THz), deren Wellen- länge sich im fernen Infrarot- bis Mikrowellenbereich befindet und vom menschlichen Auge nicht wahrgenommen werden kann.

Im Gegensatz zum sichtbaren Licht kann THz-Licht sogar undurchsichtige Materialien wie relativ dicke Polymerproben und Halbleiter durchdringen. Wie viel von diesem Licht die Probe durchdringt, hängt davon ab, wie viele Ladungsträger frei beweglich sind, was wiederum auf die Leitfähigkeit hinweist. Diese neue Methode zeigt auch, ob sich Ladungen leichter in einer bestimmten Richtung durch das Material bewegen können.

 

Zwei leitfähige Polymere untersucht

In der neuesten Studie untersuchten Heilweil und Magnanelli mit ihrer THz-Methode zum ersten Mal zwei leitfähige Polymere, die ausgewählt wurden, weil es sich um einfach zu untersuchende und zu vergleichende Werkstoffe handelt. Das erste, PCDTPT genannt, ist relativ neu. Eine Kette aus diesem Material besteht aus zwei verschiedenen Molekülen, die Ende-an-Ende verbunden sind und sich abwechseln wie die Farben auf einem Gummiwurm. Ein Molekül in der Kette ist ein

 «Donor», der Licht absorbiert und Ladungsträger produziert. Das andere Molekül ist ein «Akzeptor», der Ladungsträger anzieht und sie dazu bringt, sich entlang der Kette und um die Probe herum zu bewegen.

 

Zufällige Struktur

Das zweite in dieser Arbeit getestete Polymer, P3HT, wurde zum Vergleich herangezogen, da es bereits viel gründlicher untersucht wurde. Es enthält nur ein einziges sich wiederholendes Molekül und hat eine zufälligere, weniger geordnete Struktur als PCDTPT. Im Vergleich zum Silizium bietet PCDTPT eine um etwa drei Grössenordnungen und P3HT eine um etwa vier Grössenordnungen geringere Leitfähigkeit.

 

Überraschende Ergebnisse

Heilweil und Magnanelli testeten beide Substanzen zunächst in Form von Nanofilmen – im Wesentlichen eine dünne, aber feste Probe. Das Ziel der Forscher war es, die Leitfähigkeiteigenschaften des PCDTPT-Films bei der Untersuchung der parallel verlaufenden Strähne mit dem Test mit übereinander liegenden Strähnen zu vergleichen. Dann gaben sie beide Moleküle in eine nichtleitende Flüssigkeit, die sie daran hinderte, elektronisch miteinander zu interagieren und zu kommunizieren. Wie aus früheren Experimenten zu erwarten war, zeigte die P3HT-Lösung keine messbare Leitfähigkeit.

Zur Überraschung der Forscher zeigte die PCDTPT-Lösung jedoch Leitfähigkeit. Nicht nur das, die Probe erreichte in einer Lösung genauso viel Leitfähigkeit wie in fester Form. «Es war erstaunlich», sagte Heilweil. «Wir haben dieses Verhalten noch nie bei einem anderen Polymer gesehen.»

 

Wertvolle Aufschlüsse

Da die PCDTPT-Moleküle in der flüssigen Probe stärker voneinander isoliert waren, besagt das Ergebnis für die Forscher, dass die Leitfähigkeit in PCDTPT innerhalb und entlang einzelner Polymerstränge (d. h. innerhalb eines einzigen Gummiwurms) stattfindet und nicht zwischen Polymersträngen (also zwischen verschiedenen Gummiwürmern). Das steht im Gegensatz zu dem, was die meisten Wissenschaftler bisher annahmen. «Mit der konventionellen, kontaktbasierten Methode hätten wir diese Informationen nicht entdecken können», sagte Magnanelli.

 

Die Spitze eines Eisbergs

Für die Zukunft hoffen Heilweil und Magnanelli, die Eigenschaften ähnlicher kommerziell erhältlicher Polymere zu erforschen. Die überraschende Leitfähigkeit von PCDTPT, wenn es in einer Flüssigkeit suspendiert ist, «könnte die Spitze eines Eisbergs sein, denn vielleicht wird ein anderes Polymer ebenfalls eine viel bessere Leitfähigkeit aufweisen als erwartet», sagte Magnanelli.

Obwohl PCDTPT und P3HT für grosse Geräte der Unterhaltungselektronik nicht sonderlich nützlich sein werden, meint Heilweil, dass die richtigen Fragen – durch das Finden neuer und besserer Wege zum Design, zur Orientierung und zur Messung von Materialeigenschaften – den Forschern zeigen können, dass ein bisher uninteressantes Material durchaus eine viel bessere Leistung erbringen kann als erwartet.

 

Infoservice

National Institute of Standards and Technology

100 Bureau Drive, Gaithersburg, MD 20899, USA

Tel: +1 301 975 2000

www.nist.gov