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Der Einfluss hoher Induktivität auf das Drehzahlverhalten

Bürstenlose Motoren mit genuteter Wicklung – also mit Eisenkern – sind zwar kräftig, weisen aber eine hohe Induktivität auf. Wie sehr weichen die Daten solcher Motoren vom idealen linearen Verhalten ab? Im ersten Teil der zweiteiligen Serie geht es um den Einfluss hoher Induktivität auf das Drehzahlverhalten.

Im Gegensatz zu den klassischen, eisenlosen maxon-Motoren haben die Flachmotoren und die EC-i-Motoren eine Wicklung mit Eisenkern. Dies ergibt einen höheren Magnetfluss der Wicklung, und der Motor wird stärker. Allerdings verlangsamt die hohe Induktivität aufgrund des Eisenkerns die Reaktion des Stroms. Bei hohen Drehzahlen können sich Abweichungen vom einfachen linearen Verhalten der Motoren mit eisenloser Wicklung, z.B. DCX- und ECX-SPEED-Motoren, ergeben.

Davon handelt Teil 1 dieser Serie. In Teil 2 (Polyscope 4/20) geht es dann um den Effekt der magnetischen Sättigung im Eisenkern bei hohen Strömen. Beide Effekte sind im schematischen Diagramm in Bild 1 zusammengefasst.

 

Elektrische Zeitkonstante und Kommutierung

Die Motorwicklung stellt eine induktive und resistive Last dar, und der Motorstrom wird exponentiell gedämpft anwachsen, wenn eine Spannung angelegt wird. Das exponentielle Verhalten ist durch die elektrische Zeitkonstante, τel, charakterisiert, die sich einfach aus der Anschlussinduktivität Lmot geteilt durch den Anschlusswiderstand Rmot des Motors berechnet, τel=Lmot/Rmot. Der maximale Strom am Ende ist durch das Ohmsche Gesetz gegeben, Iend=Umot/Rmot.

Bürstenlose Motoren werden elektronisch kommutiert, d.h., der Strom in jeder Phase wird ein- und ausgeschaltet. Bild 2 zeigt den idealen Stromverlauf bei Blockkommutierung in den drei Phasen. Dies dient als Grundlage zur Spezifikation der maxon-Motoren. Die Induktivität bewirkt, dass der Wicklungsstrom nicht so abrupt ändern kann, wie es Bild 2 andeutet. Wie viel Zeit wird in jedem Kommutierungsintervall für den Stromanstieg benötigt? Berechnen wir die Dauer eines Kommutierungsintervalls und vergleichen diese mit der elektrischen Zeitkonstante. Klar ist: je höher die Motordrehzahl, umso kürzer das Kommutierungsintervall. Zur Berechnung nehmen wir einen extremen Fall, die Leerlaufdrehzahl bei Nennspannung n0. Die Anzahl Kommutierungsintervalle pro Motorumdrehung ist sechsmal die Anzahl Polpaare p. Während 1 Minute ergeben sich 6p × n0 Kommutierungsschritte. Somit ist die Dauer eines Kommutierungsschrittes Δtcomm=(60s/min)/(6p × n0).

Die ersten beiden Motoren in der Tabelle haben eine eisenlose Wicklung mit tiefer Induktivität. Entsprechend sind die elektrischen Zeitkonstanten sehr kurz und – am wichtigsten – bedeutend kürzer als das Kommutierungsintervall. Somit kann sich der volle Strom in jedem Kommutierungsschritt ausbilden. Beim ECX-SPEED-Motor ist die Situation nicht ganz so komfortabel wie beim EC-max 40 aufgrund der extrem hohen Leerlaufdrehzahl des Ersteren. Die letzten drei Motoren in der Tabelle sind Multipolmotoren mit genuteten Wicklungen.

Der Eisenkern erhöht die Induktivität und damit die elektrische Zeitkonstante auf Werte gegen 1 ms. Andererseits werden die Kommutierungsintervalle wegen der hohen Anzahl Polpaare sehr kurz. Tatsächlich sind die Kommutierungsintervalle bedeutend kürzer als die elektrische Zeitkonstante. Daraus resultiert, dass der Strom sich nicht voll ausbilden kann, und der Motor wird schwächer. Der Effekt ist ähnlich wie eine Kommutierung, die nicht perfekt eingestellt ist und eine höhere Leerlaufdrehzahl und eine steilere Kennlinie ergibt. Dies ist in Bild 1 durch die gestrichelten Linien im roten Dauerbetriebsbereich dargestellt. Alle diese Phänomene sind bei höheren Drehzahlen ausgeprägter, d.h. nahe bei Leerlauf und bei höherer Versorgungsspannung.

 

Praktische Aspekte

Im maxon-Katalog werden drei Punkte auf der Drehzahl-Drehmoment-Kennlinie spezifiziert: Leerlauf, Nennarbeitspunkt und Anlauf. Diese Arbeitspunkte werden unter Berücksichtigung der bisher beschriebenen Effekte berechnet. Wir haben gesehen, dass die grössten Abweichungen auftreten, wenn die Intervalle bei Blockkommutierung sehr kurz werden, also bei hohen Motordrehzahlen. Typisch wird somit die Leerlaufdrehzahl am stärksten beeinflusst und gegen höhere Werte verschoben. Bei der Angabe der Drehzahl-Drehmoment-Kennlinie und ihrer Steigung wird eine gerade Linie zwischen Leerlaufdrehzahl (welche zu hoch ist) und Anhaltemoment angenommen. Somit wird der Nennarbeitspunkt unterhalb dieser Linie zu liegen kommen (Bild 1 und 3).

In den meisten praktischen Anwendungen und für die Motorauswahl lässt sich folgende Regel anwenden: Bei den Flachmotoren ist vor allem der Dauerbetrieb interessant. Dort kann die Kennlinie durch eine Gerade zwischen der Leerlauf-Drehzahl und dem Nenn-arbeitspunkt angenähert werden. Für diese erreichbare Kennliniensteigung gilt angenähert: Δn/ΔM≈(n0 – nN)/MN.

Berechnen wir dies als Beispiel für den Motor EC-i 40 High Torque 50 W. Wir erhalten eine Kennliniensteigung von 16,2 min–1/mNm, was bedeutend höher ist als der Katalogwert von 6,48 min–1/mNm. Als Konsequenz bräuchte man beispielsweise etwa 32-V-Spannung, um 5000 min–1 bei 100 mNm zu erreichen, anstelle der 27 V, wenn der ideelle Katalogwert der Kennliniensteigung gelten würde. Vorsicht bei der Auslegung von Motoren mit genuteten Wicklungen für hohe Drehzahlen. Sie könnten mehr Spannung benötigen als gedacht. Bei tiefen Drehzahlen kann man problemlos die spezifizierten Motordaten nutzen.

Bewegungsverhalten – mechanische Zeitkonstante

Die elektrische Zeitkonstante der klassischen eisenlosen maxon-Wicklung ist bedeutend kürzer als die mechanische Reaktion der Motoren (typischerweise einige ms, siehe Tabelle). Für die meisten praktischen Anwendungen kann man deshalb sagen, dass der Strom ohne Verzögerung anliegt und die Bewegung damit ausgeführt wird. Das Drehmoment wird sofort wirksam und unterstützt die hohe Dynamik des Motors. Die Motoren mit der kleinsten mechanischen Zeitkonstante finden sich in der Baureihe EC-i High Torque.

 

Sättigungsmomente können maximales Drehmoment einschränken

Die Dynamik ergibt sich aus einer Kombination von hohem Drehmoment – erzeugt durch die eisenbehaftete Wicklung und die starken Magneten im Rotor – und der tiefen Massenträgheit des Rotors. Unglücklicherweise weist die genutete Wicklung eine elektrische Zeitkonstante auf, die in derselben Grössenordnung wie die mechanische Zeitkonstante liegt. Somit wird das dynamische Verhalten durch die Zeit verzögert, die der Strom braucht, um anzusteigen; es ist schwierig, den Strom schnell genug in die Wicklung zu kriegen. Zusätzlich können Sättigungseffekte das maximal erreichbare Drehmoment einschränken, und die resultierende mechanische Zeitkonstante ist länger als die ideale Angabe in der Spezifikation.

Die zweite Lektion: Nimm die mechanische Zeitkonstante nicht für bare Münze. Es gibt noch andere Effekte, die einen Einfluss haben, nicht zuletzt die Massenträgheit der Last.

 

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maxon motor ag

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