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Die Keimzelle der dritten industriellen Revolution

Das Phänomen des Silicon Valley beginnt wohl in 1955 mit der Gründung der Firma Shockley Semiconductor Laboratories (William Shockley erfand 1947 mit zwei Kollegen den Transistor), aber auch Frederick Emmons Terman wird als Vater des Silicon Valley angesehen. Er war ein amerikanischer Professor und akademischer Administrator.

Professor Terman schuf einen Industriepark auf 660 ha der Stanford University, wo das Land an Elektronik- und andere HightechFirmen verpachtet wurde. Hewlett-Packard und Varian Brothers gehörten zu den ersten Mietern. Dies brachte Stanford Einkommen und schuf später eine illustre Firmenansammlung in der Hightech-Industrie. Zuerst kam die Industrie nach Palo Alto, um Zugang zum Fachwissen der Universität zu erhalten. Später überstieg das Niveau des technischen Wissensstands in der Elektronikindustrie die akademische Expertise von Stanford. Zu diesem Zeitpunkt expandierte die Elektronikindustrie in Städten in der Nähe von Palo Alto, zuerst Mountain View und später Sunnyvale.

 

Fairchild legte den Grundstein für den Erfolg der Elektronikindustrie

1957, Jahrzehnte bevor Steve Jobs sich Apple ausdenkt oder Mark Zuckerberg Face- book gründet, verlässt eine Gruppe von acht brillanten jungen Männern die Shockley Semiconductor Company, um ihr eigenes Transistorgeschäft (Fairchild Semiconductor) aufzubauen (Bild 1). Die radikalen Innovationen von Fairchild Semiconductor trugen dazu bei, dass die Vereinigten Staaten sowohl bei der Erforschung des Weltraums als auch bei der Revolution des PCs führend wurden, indem sie ein fruchtbares Tal in Kalifornien in eine Drehscheibe für technologischen Einfallsreichtum verwandelten und die Art und Weise, wie die Welt funktioniert, spielt und kommuniziert, veränderten.

Ihr Anführer war der 29-jährige Robert Noyce, ein Physiker mit einem brillanten Verstand und der Freundlichkeit eines geborenen Verkäufers, der den Mikrochip mit erfinden würde – ein wesentlicher Bestandteil fast aller modernen Elektronik von heute, einschliesslich Computer, Kraftfahrzeuge, Mobiltelefone und Haushaltsgeräte.

Im Oktober 1957 hörten die jungen Gründer eine überraschende Nachricht: Die Sowjet- union hatte gerade den ersten künstlichen Satelliten in die Erdumlaufbahn gebracht. Während die Vereinigten Staaten den Rückstand bekämpften, konnte das Timing für die neuen Manager nicht besser sein. Sie erhielten damit die Gelegenheit ihres Lebens, als Präsident Eisenhower und der Kongress ein Jahr später die NASA gründeten. Die neue Verfügbarkeit von Regierungsaufträgen gab Fairchild sofort einen Kunden, der sowohl eine grosse Nachfrage nach seinen Produkten bot als auch die tiefen Taschen für deren Kauf hatte.

In weniger als zwei Jahren schuf Noyce (etwa zeitgleich mit Kilby von Texas Instruments) eine bahnbrechende Erfindung, die Planartechnologie (Bild 2 und 3), die dazu beitrug, Männer auf den Mond zu bringen, und sie hatte Auswirkungen, die weit über das Apollo-Programm hinausgingen. Die integrierte Schaltung würde die Zukunft neu gestalten und die Welt in das Informationszeitalter bringen, indem sie den Weg für die Erfindung von Mikrowellen, Herzschrittmachern, digitalen Videorekordern und Smartphones ebnete.

 

Eine Kette von Firmengründungen mit neuer Unternehmenskultur

Noyce veränderte die Welt nicht nur mit seiner Erfindung, sondern auch mit seinem Führungsstil, der die einzigartige Unternehmenskultur begründete, für die das Silicon Valley bekannt werden sollte – Offenheit statt Hierarchie, Risiko statt Stabilität, Jeans statt Anzüge. Dieser revolutionäre neue Stil setzte sich bei Noyces nächstem Projekt, Intel Semiconductor, fort, die 1971 den weltweit ersten Mikroprozessor mit der Bezeichnung 4004 (Bild 4 und 5) vorstellte, die treibende Kraft jedes digitalen Produkts, das wir heute verwenden, und das Herzstück einer 100-Mrd.-Dollar-Industrie.

Aber erst nach der Gründung von Fairchild Semiconductor in 1957 konnte man bereits bis 1970 eine Lawine von neuen Firmen verzeichnen, deren jungen Manager alle auf das explodierende Halbleitergeschäft setzten: National Semiconductor, Rheem Semiconductor, Raytheon Semiconductor, Signetics, Siliconix, American Microsystems, Intel, Precision Monolithics, AMD, Monolithic Memories, Litronix und Monsanto Electronics – um wirklich nur einige Unternehmen zu nennen.

Fairchild war der erste Hersteller, der HFSiliziumtransistoren und monolithisch integrierte Schaltungen auf den Markt brachte. Auf dem Höhepunkt ihres Einflusses Mitte der 1960er-Jahre war man einer der weltweit grössten Hersteller von Siliziumtransistoren und kontrollierte über 30 % des IC-Marktes.

 

Seit 1965 kennen wir das Moore´sche-Gesetz

Der Direktor für Forschung und Entwicklung, Gordon Moore, beobachtete 1965, dass die Komplexität der Geräte mit konstanter Geschwindigkeit zunahm, und sagte voraus, dass dies auch in Zukunft so bleiben würde. «Moore´s Law», wie es bekannt wurde, schuf einen Massstab, an dem Unternehmen seit Jahrzehnten ihren technologischen Fortschritt messen. Es besagt, dass sich die Integrationsdichte in etwa alle 18 Monate verdoppelt.

Von der Muttergesellschaft verhungert, um Mittel für Investitionen in neue Produktionsanlagen und Eigenkapital zur Bindung von Schlüsselmitarbeitern zu erhalten, stiess Fairchild Semiconductor Ende der 1960er Jahre bei der Einführung neuer Produkte und der Befriedigung der schnell wachsenden Kundennachfragen auf ernsthafte Probleme.

Da alle Gründer und viele leitende Mitarbeiter das Unternehmen verlassen hatten, wurde 1968 ein neues Team aus ehemaligen Motorola-Führungskräften unter der Leitung von C. Lester Hogan zum Leiter der Fairchild Camera and Instrument Corporation ernannt. Hogan verlegte den Firmensitz nach Mountain View und das Unternehmen setzte seine Innovationstätigkeit mit neuen Technologien und Produkten fort, darunter die erste Serienproduktion von Hochleistungs-Halbleiterspeichern. Die Entwicklung von Konsumgütern, einschliesslich Digitaluhren und Videospielen, war weniger erfolgreich. Der Umsatz wuchs beträchtlich, aber das Unternehmen war nie in der Lage, seine frühere Rentabilität und Bekanntheit wiederherzustellen.

 

Intel startet mit DRAMs

Nach dem Ausscheiden aus Fairchild Semiconductor gründeten Robert Noyce, Gordon Moore und Andrew Grove 1968 Intel (Bild 6), um integrierte Schaltungen herzustellen. Ursprünglich war Intels Hauptgeschäft die Lieferung von Speicherchips für Mainframe und Minicomputer. In 1969 erfanden nämlich Experten von Honeywell eine dynamische Speicherzelle mit drei Transistoren, die dann von Intel aufgegriffen wurde.

Im Oktober 1970 stellte Intel schliesslich den ersten DRAM vor, der zwar sofort ein Hit war, aber in den ersten Monaten in der Fertigung eine extrem schlechte Ausbeute zeigte. Es musste noch viel experimentiert werden, bevor der 1103 (Bild 7) erst im folgenden Jahr in die Serienproduktion überging. Das war Intels erstes erfolgreiches pMOS-Produkt (10 µm) in einem 18-Pin-DIP-Gehäuse mit einer Kapazität von 1 KByte.

1971 produzierte Intel dann den ersten Mikroprozessor (4004) auf einem 2»-Wafer in einer 10- µm-Technologie mit etwa 2300 Transistoren für 1200 Kalkulationen pro Sekunde. Aber der CPU-Erfolg dauerte noch bis Anfang 1980, als Intel die Herstellung der Speicher-ICs aufgab, weil japanische DRAM-Hersteller im Laufe der Jahre jeden USA-Preis unterboten, um Marktanteile zu gewinnen. Es war ein finanzielles Blutbad.

IBM erwarb Anfang der 80er-Jahre 25 % an Intel, um, laut Insiderwissen, um die CPUQuelle am Leben zu erhalten. Intel wandte sich dann voll den CPUs und Peripherie-ICs zu, die bereits auf Erfolgskurs waren. Die IBMInvestition wurde reichlich belohnt.

 

Second-Source-Verträge öffneten den Markt

Die Umstellung von diskreter auf integrierte Elektronik war für die Industrie am Anfang durchaus ein recht gewagtes Unterfangen, denn zum einen musste viel Neues hinzugelernt werden und zum anderen waren die ersten IC-Serien noch nicht sehr zuverlässig und die vielen Produktvarianten kaum auseinanderzuhalten. Und die Kunden waren den neuen Halbleiterfirmen und vor allen Dingen ihren jungen Managern gegenüber natürlich schon etwas reserviert, auch wenn die ersten ICs, zum Beispiel die sehr populäre Serie TTL 7400 (Bild 8) von den Herstellern oft per Flugkurier geliefert wurden.

Man wusste nicht, ob der Halbleiterhersteller länger im Markt bleiben würde, oder ob die zahlreichen neuen Fertigungstechnologien bestehen blieben. Um die Kunden zu beschwichtigen, beeilten sich die IC-Hersteller daher, mit passablen Konkurrenten SecondSource-Abkommen zu schliessen – siehe die fast endlose Geschichte mit Intel und AMD. Es ist unschwer vorzustellen, dass damals in der Industrie ein sehr grosser Informationshunger auf vielen Ebenen vorherrschte. Und wir Journalisten waren mittendrin mit einer Flut von hochinteressanten Produkten im Consumer- und im Industriebereich. Nicht zu vergessen die Meldungen über Firmenneugründungen. Die einzige Konstante war damals die Veränderung – wie auch heute.

 

Und heute? Die Wurzeln des Internets, ein Kind der digitalen Revolution, liegen in der Schweiz. HTML (Hypertext Markup Language, englisch für

 Hypertext-Auszeichnungssprache), die Grundlage für das Internet, wurde vom europäischen Kernforschungszentrum CERN entwickelt, mit Sitz in Genf. Das Internet hat mit seiner elektronischen Kommunikation Zeit schriften und Fachzeitschriften inzwischen an die Wand gedrückt und die Verlage haben ihre Alleinstellung als Informationsvermittler weitgehend verloren, während die Industrie die Chance ergriffen hat, sich mit den potenziellen Kunden direkt, schnell und professionell in Verbindung zu setzen, Stichworte sind Newsletter, Mails, Social Media. Die Produktzyklen sind zudem inzwischen so kurz, dass gedruckte Zeitschriften das Tempo einfach nicht mehr mithalten und das notwendige Informationsvolumen schon gar nicht liefern können.

Man darf gespannt sein, wie sich die Verlage aus dieser engen Schlinge – vielleicht mit dem Online-Business – ziehen können. Ich bin sehr froh, dass ich den rasanten Aufstieg der Elektronikindustrie von den 1960er-Jahren bis heute als Journalist für Fachzeitschriften miterleben und darüber berichten durfte – eine für mich immer noch faszinierende Wirtschaftsepoche.