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Zum Verständnis und zur Behandlung von Krankheiten

Wissenschaftler arbeiten derzeit mit einem neuartigen ionengesteuerten Transistor, der unter anderem die Echtzeit-Sensorik und -Verarbeitung von Körpersignalen ermöglicht.

Viele grosse Fortschritte in der Medizin, insbesondere in der Neurologie, wurden durch die jüngsten Fortschritte bei elektronischen Systemen ausgelöst, die im Bereich biologischer Substrate Signale erfassen, verarbeiten und mit ihnen interagieren können. Diese bioelektronischen Systeme, die zunehmend zum Verständnis dynamischer lebender Organismen und zur Behandlung menschlicher Krankheiten eingesetzt werden, erfordern Komponenten, die Körpersignale aufzeichnen, verarbeiten, Muster erkennen und elektrische oder chemische Stimulationen zur Lösung von Problemen liefern können.

 

Echtzeit-Signalerkennung und -Stimulation von Hirnsignalen

Transistoren, also Bauelemente, die elektronische Signale in Schaltungen verstärken oder schalten, bilden das Rückgrat dieser Systeme. Sie müssen jedoch zahlreiche Kriterien erfüllen, um in biologischen Umgebungen, wie dem menschlichen Körper, effizient und sicher zu funktionieren. Bisher konnten die Forscher noch keine Transistoren realisieren, die über alle genannten Eigenschaften verfügen, die für einen sicheren, zuverlässigen und schnellen Betrieb in diesen Umgebungen über einen längeren Zeitraum hin erforderlich sind. Ein Team unter der Leitung von Assistenzprofessor Dion Khodagholy, Columbia Engineering, und Assistenzprofessorin Jennifer N. Gelinas vom Columbia University Medical Center, Department of Neurology, und dem Institute for Genomic Medicine, hat nunmehr den ersten biokompatiblen ionengesteuerten Transistor entwickelt, der schnell genug ist, um eine Echtzeit-Signalerkennung und -Stimulation von Hirnsignalen zu ermöglichen.

 

Grosse Verstärkungsrate und hohe Geschwindigkeiten

Der intern ionengesteuerte organische und elektrochemische Transistor (IGT) arbeitet mit mobilen Ionen, die sich in einem leitenden Polymerkanal befinden, um sowohl eine volumetrische Kapazität (ionische Wechselwirkungen, die den gesamten Kanal betreffen) als auch eine verkürzte Ionenlaufzeit zu ermöglichen. Der IGT bietet eine grosse Transkonduktanz (Verstärkungsrate), hohe Geschwindigkeiten und kann sowohl unabhängig angesteuert als auch mikrofabriziert werden, um skalierbare, konforme integrierte Schaltungen zu erstellen. In ihrer in «Science Advances» veröffentlichten Studie beschreiben die Forscher die Fähigkeit ihres IGTs, eine miniaturisierte, weiche und konforme Schnittstelle zur menschlichen Haut bereitzustellen. Der IGT bietet lokale Verstärkungen, um qualitativ hochwertige neuronale Signale aufzunehmen, die sich für eine fortgeschrittene Datenverarbeitung eignen. «Wir haben einen Transistor entwickelt, der mit Ionen, den Ladungsträgern des Körpers und mit Geschwindigkeiten kommunizieren kann, die schnell genug sind, um komplexe Berechnungen durchzuführen, die für die Neurophysiologie, also die Untersuchung der Funktion des Nervensystems, erforderlich sind», sagte Khodagholy.

 

Diese Anforderung macht Implantate sperrig und starr

«Der Kanal unseres Transistors besteht aus vollständig biokompatiblen Materialien und kann sowohl mit Ionen als auch mit Elektronen interagieren, was die Kommunikation mit neuronalen Signalen des Körpers effizienter macht. Wir sind nunmehr in der Lage, sicherere, kleinere und intelligentere bioelektronische Geräte, wie Gehirn–MaschineSchnittstellen, tragbare Elektronik und reaktionsfähige therapeutische Stimulationsgeräte zu bauen, die dem Menschen über einen langen Zeitraum implantiert werden können.»

In der Vergangenheit wurden traditionelle Transistoren auf Siliziumbasis in bioelektronischen Geräten verwendet, aber sie müssen sorgfältig gekapselt werden, um den Kontakt mit Körperflüssigkeiten zu vermeiden – sowohl für die Sicherheit des Patienten als auch für den ordnungsgemässen Betrieb des Geräts. Diese Anforderung macht Implantate, die auf diesen Transistoren basieren, sperrig und starr. Parallel dazu wurde im Bereich der organischen Elektronik jedoch viel Arbeit geleistet, um inhärent flexible Transistoren aus Kunststoff herzustellen, darunter Designs, wie elektrolytgesteuerte oder elektrochemische Transistoren, die ihre Ausgangsleistung basierend auf Ionenströmen modulieren können.

 

Transistorgeschwindigkeit um eine Grössenordnung verbessert

Diese Geräte können jedoch nicht schnell genug arbeiten, um die Berechnungen durchzuführen, die für bioelektronische Geräte in neurophysiologischen Anwendungen erforderlich sind. Khodagholy und sein Postdoc George Spyropoulos bauten daher einen Transistorkanal auf der Basis leitfähiger Polymere, um eine Ionenmodulation zu ermöglichen, und um das Gerät schnell funktionieren zu lassen. Sie modifizierten zudem das Material, damit es seine eigenen mobilen Ionen erhält. Durch die Verkürzung der Entfernung, die Ionen benötigen, um sich innerhalb der Polymerstruktur zu bewegen, verbesserten sie die Geschwindigkeit des Transistors im Vergleich zu anderen ionischen Komponenten gleicher Grösse um eine Grössenordnung. «Wichtig ist, dass wir bei der Entwicklung dieses Elementes nur vollständig biokompatibles Material verwendeten. Unsere geheime Zutat ist DSorbitol, oder Zucker», sagte Khodagholy.

 

Element passt leicht zwischen die Haarfollikel

«Zuckermoleküle ziehen Wassermoleküle an und helfen damit nicht nur dem Transistorkanal, hydratisiert zu bleiben, sondern auch den Ionen, die sich dann leichter und schneller im Kanal bewegen.» Mit ihrem Transistor zur Aufzeichnung menschlicher Gehirnströme von der Oberfläche der Kopfhaut zeigten die Forscher, dass durch die lokale IGT-Verstärkung direkt an der Schnittstelle zwischen Element und Kopfhaut die Kontaktgrösse um fünf Grössenordnungen verringert werden konnte – das gesamte Element passt zudem leicht zwischen die Haarfollikel und vereinfacht die Platzierung erheblich.

Das Element kann auch leicht von Hand bedient werden, was die mechanische und elektrische Stabilität verbessert. Da sich ein Mikro-EEG (IGT-Element) der Kopfhaut anpasst, waren keine chemischen Klebstoffe erforderlich, so dass der Patient keine Hautirritationen durch Klebstoffe hatte und die Prozedur insgesamt angenehmer war. Dieses Element könnte auch für die Herstellung implantierbarer Geräte mit geschlossenem Regelkreis verwendet werden, wie sie derzeit zur Behandlung einiger Formen der Epilepsie verwendet werden. Die Elemente könnten zudem kleiner und einfacher zu implantieren sein und auch mehr Informationen liefern. «Unsere ursprüngliche Inspiration war es, einen konformen Transistor für neuronale Implantate herzustellen», sagte Gelinas. «Während wir es speziell für das Gehirn getestet haben, können IGTs auch zur Aufzeichnung von Herz-, Muskel- und Augenbewegungen verwendet werden.»

 

Infoservice

Columbia Engineering

500 W. 120th Street #510

New York, NY 10027, USA

Tel. 001 212 854 29 93, engineering.columbia.edu