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Südkorea: Erfolgsmodell mit Beispielcharakter?

Im September 2019 wird die «Swiss Engineering Fachgruppe Elektronik und Informatik» Universitäten und Unternehmen sowie geschichtlich wesentliche Orte in Südkorea besuchen, welche einen Einblick in das Erfolgsmodell des Landes ermöglichen: Wie ist es diesem einstmals bitterarmen Agrarland gelungen, zur elftgrössten Wirtschaftsmacht der Welt aufzusteigen?

1945, nach dem zweiten Weltkrieg, wurde Korea – damals von den Japanern besetzt – von den Siegermächten in zwei Einflusszonen aufgeteilt. Als Grenzlinie wurde dabei der 38. Breitengrad bestimmt. Bereits 1950 überfiel Nordkorea den Süden, worauf sich ein drei Jahre dauernder Krieg entwickelte, bei dem die Front zwei Mal über den Süden hinwegfegte und nur Trümmer hinterlassen hatte.

 

Zweiteilung des Landes gilt als  wirtschaftlich risikobehaftete Hypothek

In der Hauptstadt Seoul, mit heute 10 Mio. Einwohnern, hat nur ein kleines Quartier traditioneller Häuser (Hanok-Häuser) diese Invasion überstanden. Wonach die Amerikaner es zusammen mit der in Südkorea neu aufgestellten Armee schafften, die Nordkoreaner wieder hinter den 38. Breitengrad zurückzudrängen. Bis heute gilt die Zweiteilung des Landes als wirtschaftlich risikobehaftete Hypothek. Eine Wiedervereinigung nach dem Modell Deutschlands wäre mit grossen ökonomischen Risiken und finanziellen Lasten verbunden.

Denn die verfügbaren Niedriglohnarbeiter würden Investitionen vom Süden in den Norden umleiten. Ein Kollaps des Regims in Nordkorea wäre genauso gefährlich, wie ein neuer Überfall aus dem Norden. Daher versucht die Politik Schritte der Annäherung zu unternehmen, um disruptive Entwicklungen zu vermeiden. Dazu gehört die gemeinsame Wirtschaftszone Kaesŏng oder zwei eröffnete, sich aber nicht in Betrieb befindliche, Eisenbahnverbindungen.

 

Atemberaubender Aufstieg aus den Trümmern des Koreakrieges

Sieben Jahre nach Kriegsende war Südkorea mithin 1961 ein Agrarstaat auf dem Niveau von Mozambique oder Bolivien. Das BruttoInland-Produkt (BIP) betrug 2,3 Mrd. Dollar. Exportiert wurden Waren für 55 Mio. Dollar, die Importe betrugen dagegen 390 Mio. Dollar. Im Bereich der Forschung und Entwicklung existierten nur das F&E-Verteidigungs- und das Nuklearforschungs-Institut. Mit einem Budget von 5 Mio. Dollar konnten gerade einmal 5000 Ingenieure beschäftigt werden.

1962 beschloss die Regierung einen ersten Fünfjahres-Entwicklungsplan, welcher unter anderem zum Ziel hatte, massiv in die Ausbildung von Arbeitskräften und Ingenieuren zu investieren. Auch die Investitionsmöglichkeiten für ausländisches Kapital wurden liberalisiert. Ab 1982 wurde durch die Regierung ein zusätzlicher Forschungs- und Entwicklungsfond bereitgestellt. Die staatlichen Forschungsausgaben stiegen ohne Universitäten in der Periode zwischen 1980 und 2005 von 272 auf sage und schreibe 5730 Mio. Dollar.

 

Von Imitation zu Innovation

Der über Jahrzehnte hinweg autoritär geführte Staat förderte gezielt bestimmte Wirtschaftssektoren durch die Vergabe von Investitionsbeiträgen, steuerliche Erleichterungen und Export-Fördermassnahmen. Diese mit Steuergeldern finanzierten Beiträge gingen und gehen noch heute an wenige grosse, meist von Familien kontrollierte Firmen-Konglomerate (Chabol). Unternehmen wie Hyundai, Samsung, Doosan und andere sind auf diesem Wege entstanden. Die Förderung war abhängig vom Exporterfolg dieser Firmen.

Die Wettbewerbssituation hat dazu geführt, dass wettbewerbsfähige Produkte entwickelt und am Markt verkauft werden mussten. Es genügte nicht zu kopieren oder via Re-Engineering Produkte herzustellen. Die gezielt staatliche Förderung erstreckte sich auf die Automobil-, Chemie-, Pharma- Telekommunikations- oder Schiffsbauindustrie. Diese risikoreiche Einflussnahme der Regierung in die wirtschaftliche Entwicklung, hat das Land zu einem der wichtigsten Player in den erwähnten Sektoren werden lassen. Nachdem Südkorea seine Agrarwirtschaft hinter sich gelassen hat, ist es heute mit einem BIP von 1538 Mrd. Dollar die elftgrösste Wirtschaftsmacht der Welt.

 

Dynamisches Seoul

Von 51 Mio. Einwohnern Südkoreas ist die Hauptstadt Seoul mit 10 Mio. Einwohnern das wichtigste gesellschaftliche und wirtschaftliche Zentrum des Landes. Nur 40 km trennen die Hauptstadt von der Grenze zum Norden. Weitere acht Millionenstädte widerspiegeln die aktuell dynamische Wirtschaftstätigkeit des Landes. Neben Seoul verfügt die im Süden gelegene Hafenstadt Busan über einen der weltweit grössten Container-Umschlagplätze und Ulsan über die grösste Zahl an Trockendocks für die Schiffsindustrie.

Von Seoul aus ist man mit dem Hochgeschwindigkeitszug in drei Stunden im wirtschaftlich wichtigen Süden. Dem Besucher aus dem Westen fällt die unglaubliche Geschäftigkeit der Menschen auf. Alles ist in Bewegung und verfügbar. Die Rolltreppen fahren doppelt so schnell als im Hauptbahnhof Zürich. Ein Ticket für den Schnellzug kann allerhöchstens einen Monat vorher gekauft werden, hingegen sind Hotelzimmer stets verfügbar. Als Besucher gewinnt man unmittelbar den Eindruck, dass diese Dynamik in wohlgeordneten Bahnen verläuft. Der Einfluss der Regierung in der Lenkung wirtschaftlicher Ausrichtung scheint aber nach wie vor enorm.

Seoul ist mittlerweile eine der teuersten Städte weltweit. Sauber, aufgeräumt und mit einer hervorragenden Infrastruktur sowie modernsten High-Tech-Innovationszentren ausgestattet. Mit dem weltweit bekannten Stadtviertel Gangnam, hat Seoul eine moderne, mit breiten Strassen, hervorragendem öffentlichen Verkehr, Parks und Wohngegenden versehene Metropole kreiert und umgesetzt.

 

Staatliche Lenkung, hierarchische Strukturen

Heute erwirtschaften 20 Unternehmen 57 % der Exporterträge: Eine Konsequenz aus der konstanten Förderung der Chabol-Konglomerate. Nur grossen Unternehmen hatte man zugetraut, beim Export in Weltmärkten mit neuen Produkten erfolgreich zu sein, die nicht bloss Kopien oder OEM-Produkte waren. Samsung, LG oder Kia bilden Beispiele für diese Entwicklung. Die Führung der aus Familienunternehmen hervorgegangenen Hersteller ist hierarchisch und nach für uns nicht immer einfach verständlichen Regeln gestaltet. Es wird interessant sein, auf bevorstehender Studienreise zu erfahren, wie es oberste Führungskräfte mit der Delegation von Kompetenzen halten, wenn für uns weniger wichtig erscheinende Entscheide vom obersten Management gefällt werden müssen. Wie lassen sich mit solchen Führungsgrundsätzen die ungeheure Dynamik und die zeitgerechte Entscheidungsfindung bewältigen? Denn wir im Westen bringen hierarchische Führung schnell in Verbindung mit interner Politik, Beamtentum und träger Entscheidungsfindung. Die Reiseunterlagen erhält man via Mail an theodor.klossner@swissengineering.ch.

 

Infoservice

Swiss Engineering STV

Weinbergstrasse 41, 8006 Zürich

Tel. 079 330 52 43

theodor.klossner@swissengineering.ch, www.swissengineering.ch