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Ein interessanter Fall für Sensorik: Steifschlagen von Rahm

Viele Industrien arbeiten zunehmend an einer Echtzeitüberwachung ihrer Prozesse, so dass sie die Messgrössen gleich als Regelgrössen nutzen können. Auch die Lebensmittelindustrie ist erheblich daran interessiert. Denn schlechte Lebensmittelqualität ist auch schlecht fürs Geschäft.

Dass das Steifschlagen von Rahm ein interessanter Fall für die Sensorik sein kann, ist nicht allen bekannt. Aber in dem alltäglichen Prozess stecken komplexe Vorgänge: zum Beispiel ein Phasenübergang von einer Emulsion in einen Schaum. Schlägt man Rahm zu kurz, ist er nicht bestmöglich stabilisiert, wird er zu lange geschlagen, so verbuttert er – für den Konsumenten sensorisch wahrnehmbar. Eine Prozessüberwachung kann die Qualität von Produkten optimieren, die Impedanzspektroskopie kann hier ein vielversprechendes Werkzeug sein, um diesen Anspruch zu erfüllen (Bild 1).

Bereits seit einigen Jahren wird dieses Messverfahren genutzt, um über die Bestimmung des frequenzabhängigen Widerstands eine Charakterisierung von Lebensmitteln zu erreichen. Bisher wurden jedoch nur makroskopische Volumina analysiert und auch nur Prozesse untersucht, welche keine oder sehr langsame zeitliche Änderungen zeigten.

 

Schlagzustand innerhalb von wenigen zehn Sekunden messen

Untersuchungen der Forscher der Berner Fachhochschule (BFH) zeigten nun aber, dass wohl selbst komplexe dynamische Vorgänge auf lokaler, mikroskopischer Ebene mittels Impedanzspektroskopie untersucht werden können – eben anhand des Steifschlagens von Rahm.

Bei diesem Schlagprozess wird der zweiphasigen Emulsion, bestehend aus Wasser und Milchfett, eine dritte Komponente (Luft) beigefügt. Weil das Ausgangsmaterial nicht immer gleich ist und zum Beispiel über das Alter auch der pH-Wert sich ändern kann, erschwert dies das Einstellen der optimalen Schlagparameter erheblich.

 

Verhalten der elektrischen Grössen deckt sich mit Partikelmessungen

Zwar kann man den Zustand des Systems über die Messung der Partikelgrössenverteilung oder des Overruns in Kombination mit Festigkeitsmessungen bestimmen, aber einerseits sind derartige Messungen zeitlich aufwändig und können anderseits nur nach Beendigung des Prozesses durchgeführt werden. Die Resultate eignen sich dementsprechend nicht als Messgrösse zur Prozesssteuerung.

Das Forscherteam der BFH zeigt nun aber, dass mittels lokaler Impedanzspektroskopie – dies bedeutet, die Probenvolumina betragen nur ein paar Kubikmikrometer – der Schlagzustand des Rahms innerhalb von wenigen 10 s gemessen werden kann, und, dass sich das gemessene Verhalten der elektrischen Grössen mit den Resultaten der Partikelmessungen deckt.

 

Der Schlagwiderstand als Mass für die Steifigkeit des Rahms

Der in einem gewöhnlichen Laden eingekaufte Schlagrahm wurde mit einer Schlagmaschine geschlagen und gleichzeitig das Drehmoment gemessen. Als Grösse für den Zustand der Probe liefert das Gerät einen so genannten PE-Wert. Dieser Wert ist ein Mass für den Widerstand, welcher das Rührwerk beim Schlagprozess erfährt. Anhand des PE-Werts kann die Entwicklung des flüssigen Rahms zu einem Schaum grob nachvollzogen werden.

Ein maximales Drehmoment und damit maximaler PE-Wert wird erreicht, wenn der Rahm durch Ausbildung einer Fettschaumstruktur die höchste Festigkeit erreicht. Sobald dieser Fettschaum durch weiteres Schlagen zu kleinsten Butterflocken agglomeriert, setzt seine Zerstörung, ein und der PE-Wert sinkt wieder. Aufgrund unterschiedlicher Rahmqualitäten werden die PE-Werte normalerweise relativ zueinander betrachtet.

 

Etablierte Methode zu Vergleichszwecken herangezogen

Für 11 unterschiedliche Zustände (PE-Werte zwischen 25 und 48) wurden Rahmproben nun mittels Impedanzspektroskopie gemessen. Als Vergleich dazu wurden dieselben Proben mit einer etablierten Methode zur Charakterisierung von Rahm, der Messung der Grösse und der Häufigkeit der Fettpartikel im Rahm, verglichen. Bild 2 zeigt die Ergebnisse der Partikelmessungen für die 11 verschiedenen Zustände (repräsentiert durch die PE-Werte).

Es fällt auf, dass für Partikeldurchmesser <10 µm eine stetige Abnahme der Häufigkeit von Partikeln mit einer Grösse von 3 bis 4 µm zu beobachten ist. Partikeldurchmesser >10 µm repräsentieren Agglomerate von Fettpartikeln. Dieser Teil der Messdaten wird methodisch bedingt nicht in die Auswertung einbezogen.

 

Kurze Messzeiten machen Integration in Produktionsprozesse möglich

Der linke Teil in Bild 3 zeigt dieselben Messdaten für Durchmesser ≤10 µm in einer Kontur-Graustufenabbildung. Auf der Abszisse sind die PE-Werte, auf der Ordinate die Partikeldurchmesser aufgetragen. Die Häufigkeit wird durch die Graustufenskala dargestellt.

Der rechte Teil in Bild 3 zeigt die entsprechenden Resultate von Messungen der lokalen Impedanz. Auf der Abszisse sind wiederum die PE-Werte angegeben, auf der Ordinate die gemessenen Frequenzen. Die Graustufen repräsentieren unterschiedliche Werte für das gemessene Phasensignal. Wie mit den vertikalen gestrichelten Linien angedeutet, zeigen sich sowohl in der Partikelverteilung, als auch beim Phasensignal, bei sehr ähnlichen PEWerten signifikante Änderungen. Dies illustriert, dass man mittels lokaler Impedanzspektroskopie prinzipiell unterschiedliche Zustände im Übergang von der Emulsion (flüssiger Rahm) in einen Schaum (geschlagener Rahm) und strukturelle Veränderungen innerhalb des Schaums verfolgen kann. Im Unterschied zu Lichtstreumessungen zur Bestimmung der Partikelverteilung ist die Messdauer bei der Impedanzspektroskopie deutlich kürzer (hier: wenige zehn Sekunden). Zudem können die für die Messung notwendigen planaren Mikroelektronen grundsätzlich in Behälter mit den Schlagwerken integriert werden. Sobald die relevanten Frequenzbereiche eingeschränkt werden können, sind Messzeiten im Sekundenbereich denkbar. Mit solch kurzen Messzeiten wäre also eine Integration in Produktionsprozesse grundsätzlich möglich.

 

ALPS-Institut: 05_19.50.pdf

 

Infoservice

Berner Fachhochschule, Technik und Informatik

Quellgasse 21, 2501 Biel

Tel. 032 321 61 11, www.bfh.ch/ti