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Bei der COMPAMED war die Zukunft bereits allgegenwärtig

Es ist längst ein offenes Geheimnis: Wer wissen will, was in der Zukunft an Neuheiten für die medizinische Versorgung zu erwarten ist, sollte jetzt schon einen genauen Blick auf die Entwicklungen der Zulieferer der Medizintechnik-Industrie werfen. Denn sie liefern wertvolle Technologie-Impulse, reagieren schnell auf Trends und bieten ihren Industriepartnern Hightech-Lösungen nach Maß. Das bestätigte sich einmal mehr bei der COMPAMED in Düsseldorf, der internationalen Leitmesse für den Medizintechnik-Zuliefererbereich, die sich auch in diesem Jahr in fester Parallelität zur weltgrößten Medizinmesse MEDICA in Topform präsentierte (Laufzeit 2018: 12. – 15. November). Die Hallen 8a und 8b des Düsseldorfer Messegelände waren mit 783 Ausstellern aus 40 Nationen (so international wie nie zuvor) komplett ausgelastet. Erneut 20.000 Fachbesucher rundeten das positive Bild ab.

Auch das Umfeld der COMPAMED sendet weiter positive Signale: Gemäß Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie ZVEI ist der Umsatz der deutschen Medizintechnik-Anbieter 2017 um 2,5 Prozent auf nahezu 30 Milliarden Euro angewachsen, wobei der Auslandsanteil rund 19 Milliarden Euro beträgt. Die Zahl der Beschäftigten ist deutlich um 3,9 Prozent auf 137.900 gestiegen. Für das aktuelle Jahr und für 2019 gehen durch die Bank alle Branchenverbände von einem weiteren Wachstum aus, weltweit betrachtet sogar um jährlich bis zu 6 Prozent. Und davon werden ebenso die Medizintechnik-Zulieferer profitieren. Wie ein Rundgang durch die COMPAMED-Hallen zeigte, wird ihr Geschäft auch beflügelt durch Trends und Zahlen, die eigentlich weniger positiv zu sehen sind.

Weltweit nimmt etwa die Anzahl der Menschen mit Bluthochdruck weiter zu – jeder dritte Mensch ist rund um den Erdball inzwischen davon betroffen. Millionen erleiden dadurch Herz-Kreislauf-Erkrankungen, die zu den häufigsten Todesursachen zählen. Da Bluthochdruck oft nicht von Beschwerden begleitet wird, ist eine regelmäßige Messung von großem Nutzen. Vor diesem Hintergrund hat das CiS Forschungsinstitut für Mikrosensorik eine nicht-invasive Blutdrucküberwachung im Ohr entwickelt. Grundlage dafür ist ein optischer Sensor, der auf Methoden der Pulswellenanalyse beruht. Dabei wird sichtbares oder infrarotes Licht in die Haut eingestrahlt und der reflektierte Anteil gemessen. Aus den erfassten Intensitäten lassen sich Rückschlüsse auf Blutdruckschwankungen in der Haut ziehen. Das kompakte Sensorsystem wird an der Innenseite der Ohrmuschel getragen und individuell angepasst. „Inzwischen können wir nicht nur punktuell den Blutdruck ermitteln, sondern kontinuierlich die Blutdruckänderungen überwachen“, freut sich Andreas Albrecht, Projektingenieur beim CiS. Die Daten über den Blutdruckverlauf werden über einen patentierten mathematischen Algorithmus ermittelt. Den Forschern aus Ilmenau fehlt jetzt nur noch ein Unternehmer, der ihre Entwicklung auf den Markt bringt. Das Potential ist jedenfalls groß, da das neue Verfahren deutlich exakter ist als die traditionelle Blutdruckmanschette.    

Trend zur Miniaturisierung setzt sich fort

Auch das Fraunhofer-Institut für Elektronische Nanosysteme ENAS folgt dem Trend zur weiteren Miniaturisierung der Medizintechnik. Mit einem speziellen Mikrosystem, einem Array von Ultraschallwandlern, lassen sich Endoskope bestücken. Mit ihrer Unterstützung ist es möglich, krankes Gewebe sowohl lokal als auch selektiv anzuregen, um es anschließend besser und gezielt mit Medikamenten zu versorgen. Dadurch ließen sich Behandlungen mit vielfältigen potenziellen Nebenwirkungen vermeiden. Aktuell wird dieses schonende endoskopische Verfahren zur Bekämpfung von Darm- und Prostatakrebs oder zur Behandlung von Myomen eingesetzt. Das ENAS arbeitet auf diesem Gebiet an minimal-invasiven, miniaturisierten, kapazitiven Ultraschallwandlern für die Mikroendoskopie. „Wir wollen mit unserer Methode, die ähnlich wie bei der Wärmetherapie bei bestimmten Krebsarten funktioniert, die therapeutischen Anwendungen verbessern“, erklärt Andreas Morschhauser von der Abteilung Multi Device Integration am ENAS. Zielsetzung dabei ist die patientenschonende Tumorbekämpfung durch Membranstimulation und Stoffwechselsteigerung der pathologischen Zellen.

Durchflusssensoren, die sogar den Herzschlag erkennen

Trends wie patientennahe `Point-of-Care´-Anwendungen, Patientenkonformität, komplexe Medikamentenverabreichung und tragbare Gerätedesigns verlangen die Entwicklung von smarten Medizingeräten. Sensirion, einer der führenden Hersteller digitaler Mikrosensoren und Systeme, präsentierte in diesem Zusammenhang bei der COMPAMED 2018 u. a. neue Durchflusssensoren der `LD20´-Serie für hochvolumige Anwendungen in der Medizintechnik. „Der Sensor ermöglicht die bidirektionale Messung von Flussraten von wenigen Millilitern pro Stunde bis hin zu 1000 ml/h und kann gleichzeitig typische Fehler wie Okklusion, unkontrollierter Durchfluss oder Leckagen zuverlässig mit bisher unerreichter Geschwindigkeit und Sensitivität erkennen“, betont Barbara Thurnherr, bei Sensirion für Marketing und Kommunikation zuständig. Dank Sensirions `CMOSens´-Technologie ist der `LD20´ sensitiv genug, um die kleinste Änderung in der Flussrate zu erkennen. So erkennt der Sensor sogar den oszillierenden Gegendruck des Venenpulses – er detektiert also den Herzschlag des Patienten. Das ist ein direkter Indikator für eine intakte Verbindung der Infusionskanüle zur Vene des Patienten. Mit der `LD20´-Serie lassen sich Medikamentenabgaben genau und in Echtzeit messen – so erzielen Therapien bessere Behandlungsergebnisse, Sicherheit, Effektivität und Zuverlässigkeit steigen, wovon Patienten und medizinisches Personal gleichermaßen profitieren.

So geht´s mit Implantat störungsfrei durch die „Röhre“

Aktive Implantate wie Herzschrittmacher, Neurostimulatoren oder Medikamentenpumpen werden immer zahlreicher. Deshalb wachsen auch die Anforderungen an ihre MRT-Verträglichkeit. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung fördert mit knapp zwei Millionen Euro das Verbundprojekt `MR-Implant´, mit dem ein elektronisches Neuroimplantsystem erforscht und entwickelt werden soll. Verbundkoordinator ist CorTec, das bei der COMPAMED bereits Elektroden und seine Brain Interchange Technologie präsentierte. „Am Ende steht ein funktionserweitertes und sicheres Neuroimplantsystem, mit dem erstmals eine MRT-Diagnostik an implantierten Patienten möglich ist“, so Dr. Fabian Kohler, Leiter Reliability Engineering bei CorTec. Das System des Unternehmens zielt vor allem auf Erkrankungen wie Parkinson, Epilepsie und Schlaganfall ab. Die Implantat-Systeme sollen Daten in hoher Geschwindigkeit austauschen, neuronale Aktivitäten aufnehmen und gleichermaßen stimulieren. Gleichzeitig sollen sie störungsfreie MRT-Untersuchungen zulassen. „Heute werden immer noch Störungen z.B. durch Erwärmungseffekte, Ströme oder Artefakte verursacht, das wollen wir ändern“, so Kohler. Das Projekt MR-Implant läuft seit März 2018 und ist auf drei Jahre terminiert.

Hochwertige Produkte verlangen adäquate Verpackungen

Neben Mikrosystemen und Sensoren in vielfältigster Ausprägung bilden stets auch ausgefeilte Verpackungslösungen einen COMPAMED-Schwerpunkt. Inpac Medizintechnik versteht sich als Komplett-Dienstleister für Reinigung, Montage, Verpackung und Sterilisation von Medizinprodukten. „Unsere Mission sind maßgeschneiderte Lösungen für unsere Kunden nach dem Motto: “Einer für alles“, sagt Dr. Ralph Hermann, inpac-Geschäftsführer. Hochwertige Produkte, also u. a. Knochenschrauben, Stents oder Implantate, verlangten adäquate Verpackungen. Inpac arbeitet mit Reinräumen gemäß ISO Klasse 7 auf 1.700 Quadratmetern Fläche. Zudem wird jedes Verpackungsgut unter der Leuchtlupe überprüft. Zehn Prozent der Mitarbeiter sind Ingenieure und Wissenschaftler, die vor allem mit der Validierung beschäftigt sind. Immer wichtiger wird die Simulierung des gesamten Prozesses, wobei Transport, mechanische Beständigkeit und Alterung eine große Rolle spielen. Zusätzliche Anforderungen entstehen darüber hinaus aus einer neuen Definition von Sauberkeit, die viel umfassender ist als früher und gleichermaßen Keime, Partikel, Endotoxine (Zerfallsprodukte von Bakterien), zytotoxische Substanzen und Chemikalien umfasst. Inpac stellt sich auch diesen Herausforderungen bereits.

Spezialkabel und Spezialklebstoffe für die Medizintechnik

Besondere Aufgaben für die Medizintechnik übernimmt auch E&E Kabeltechnik: Für die Wundauflage `Plasmapatch´ des Startup-Unternehmens Coldplasmatech haben die Spezialisten aus Westfalen ein dreipoliges, biokompatibles Kabel entwickelt, das nicht nur plasmabeständig und autoklavierbar ist, sondern auch hochflexibel. „So stellen wir sicher, dass die Verbindung zwischen Plasmaquelle und -anwendung dauerhaft knickfrei und bruchfest bleibt“, erklärt Ole Tiedt, im Vertrieb von E&E. Das kalte Plasma vernichtet Bakterien, andere Krankheitserreger und Pilze, regt die Selbstheilungskräfte des Körpers an und zeigt weder Nebenwirkungen noch Resistenzen. Das blau leuchtende Gas ist ein Hoffnungsträger für Dekubitus-Patienten. Die Entwicklung wurde im Bereich Startups kürzlich mit dem Deutschen Innovationspreis ausgezeichnet. Daran haben auch die Kabelspezialisten ihren Anteil.

Erstmals bei der COMPAMED vertreten war Klebstoff-Spezialist Henkel. Mitgebracht hatte das Düsseldorfer Unternehmen neue Acrylatklebstoffe, die signifikante Design- und Fertigungsvorteile bieten. Zwei dieser Produkte wurden speziell für flexible Anwendungen mit thermoplastischen Elastomeren (TPE) und thermoplastischen Polyurethanen (TPU) entwickelt - Substrate, die in der Medizintechnik immer häufiger spezifiziert werden. Als niedrigviskose, LED-härtende und hochflexible Klebstoffe mit klebfreier Oberfläche nach dem Aushärten vereinen sie hohe Dehnung mit herausragender Haftfestigkeit auch auf Polycarbonat, PMMA und anderen in diesem Markt eingesetzten Hartkunststoffen. „Die Aushärtung mittels LED spart Kosten, da die Lampen an- und ausgeschaltet werden können. Darüber hinaus hilft das schmale Spektrum an Lichtwellenlängen ohne Infrarot-Emissionen den Herstellern, ihren Energieverbrauch zu reduzieren und minimiert die erzeugte Wärme, die abgeführt werden muss – wichtig vor allem bei Reinraumanwendungen“, sagt Andrés Bultó, Business Development & Key Account Manager Medical bei Henkel. Anwendungsbeispiele der neuen Kleber sind Schlauchverbinder und Infusionsbestecke, Katheter, Beatmungsvorrichtungen, Schutzkappen von Kanülen und Flüssigkeitsbehälter. Die neuen Klebstoffe sind auf ihre Biokompatibilität zertifiziert und haben ihre Verträglichkeit mit gängigen Sterilisierverfahren unter Beweis gestellt.

Top-Speed für den Probentransport

Schneeberger gilt als führender Anbieter von Lineartechnologie. Seit Jahren hat sich das Schienensystem MINIRAIL mit unterschiedlichen Breiten und Wagen auch in der Medizintechnik, in Laboren und Reinräumen bewährt, um z.B. Proben zu transportieren und zu positionieren. „MINIRAIL sind hervorragend geeignete Miniaturführungen, um auf engstem Raum zuverlässig höchste Genauigkeiten zu erzielen“, betont Andrè Butrin, Regional Sales Manager bei Schneeberger. Die dabei möglichen Beschleunigungen betragen bis zu 300 Meter pro Sekunde² bei einer maximalen Geschwindigkeit von fünf Metern pro Sekunde. Als Neuentwicklung zeigte Schneeberger die erste Miniaturführung mit dem integrierten optischen Wegmesssystem MINISCALE. Dadurch entfallen alle Aufwendungen für zusätzliche, separate Längenmesssysteme, dank weniger Komponenten wird die Konstruktion erheblich vereinfacht. Das Miniaturmesssystem eignet sich besonders für den Einsatz unter beengten Einbauräumen wie sie häufig in optischen Geräten für die Medizintechnik anzutreffen sind.

Kompaktgerät für Schnellanalysen – eines für alle

Um Probenträger, wenn auch in einem anderen Zusammenhang, geht es auch bei der Helmut Hund GmbH, die mit dem Lateral Flow Tester LFT100 ein mobiles Kompaktgerät für die Schnelldiagnose von Blut und anderen Körperflüssigkeiten zur COMPAMED mitgebracht hat. Der Clou an dem handlichen Gerät: Es kann Probenträger aller gängigen Hersteller auswerten. „Unser System beendet damit die Inkompatibilität der zahlreichen Teststreifenformen und –größen, die die medizinische Diagnostik im verbreiteten Lateral Flow Test oft erschweren, verzögern und verteuern“, sagt Peter Nadler, Sales & Marketing Manager Instruments bei Hund. Teststreifen mit Einzel- oder Mehrfachproben bis 90 mal 60 Millimeter nimmt die Neuentwicklung problemlos auf. Dank Netzteil und Akku ist der LTF100 stationär wie mobil einsetzbar. In Sekunden ist die Probe eingezogen, gemessen und analysiert. Dies geschieht per hochpräziser Optik ohne Mechanik im Inneren des Geräts.

„Enzyme-linked Immunosorbent Assay“ - hinter diesem Wortungetüm verbirgt sich eine medizinische Errungenschaft, die jeden Tag Leben rettet: der ELISA-Test. Mit diesem antikörperbasierten Verfahren weisen Diagnostikunternehmen lebensbedrohliche Erkrankungen wie das HI-Virus nach. ELISA-Testkits bestehen aus (Hilfs-) Reagenzien und Mikrotiterplatten. Für das Beschichten der Mikrotiterplatten bietet Optima Life Science bereits eine Maschinenlösung an. Zur COMPAMED 2018 hat der Spezialmaschinenbauer nun auch eine Lösung für das Abfüllen von Reagenzien entwickelt. Die neue Abfüllanlage mit dem Namen „OPTIMA ImmuFill“ automatisiert einen Prozess, den viele Diagnostikunternehmen noch manuell oder mit sehr einfachen Gerätelösungen vornehmen – das Abfüllen der (Hilfs-) Reagenzien für ELISA-Testkits. „Wir schließen damit eine Lücke auf dem Markt“, freut sich Wolfgang Pyrags, Sales Director des Unternehmens.

Mikrosysteme und Sensoren, aktive Implantate, Spezialklebstoffe, Lineartechnik, Verpackungen und Hightech-Maschinenbau oder auch 3D-Druck – die COMPAMED 2018 bot nicht nur volle Hallen, sondern wieder einmal ein breites Spektrum an innovativen Lösungen für die Medizintechnik. Ergänzend zum Ausstellungsbereich präsentieren auch zwei etablierte Foren die Trends aus dem Zuliefererbereich der Medizintechnik: Beim COMPAMED SUPPLIERS FORUM (der Fachzeitschrift DeviceMed) waren besondere Schwerpunkte in diesem Jahr: Additives Manufacturing, Cybersecurity, Regulatory Affairs und Wearables. Das COMPAMED HIGH-TECH FORUM des IVAM Fachverbandes für Mikrotechnik legt seinen Schwerpunkt indes auf Mikrosystemtechnik, Nanotechnologien sowie Produktionstechnik und Prozesssteuerung.

 

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