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E-Boliden elektrisieren die Schweiz

Am 10 Juni 2018 findet das Formel-E-Rennen am Zürcher Seebecken statt, und dies nach einem 63-jährigem Verbot von Rundstreckenrennen in der Schweiz. Entscheidend für die Bewilligung war der Umstand, dass bei diesem Event Elektromobilität und Innovation im Fokus stehen. Bei der FAEL sind dies im 2018 ebenfalls Fokusthemen.

 

Elon Musk hat mit Tesla entscheidend mitgeholfen, dass elektrisch angetriebene Autos nicht nur vernünftige Ökomobile sind, sondern auch als alltagstaugliche und prestigeträchtige Sportwagen daherkommen. Mit gezielten Aktionen wirbt er für seine Autos. Einmal schiesst er einen Roadster ins All, ein andermal duelliert er sich mit einem Lamborghini Aventador. Doch ist diese Begeisterung auch schon bei der Formel E angekommen? Gibt es bald ein Kräftemessen zwischen einem Formel-E-Boliden mit einem Ferrari SF17H?

 

Aufs Energiemanagement kommts an

 

Die Formel E ist noch eine recht junge Disziplin. Momentan wird erst die vierte Saison gefahren. Das Reglement ist darauf bedacht, dass der Erfolg mit Innovation und nicht mit Geld erreicht wird. Für viele Bereiche am Fahrzeug gibt es Standardlösungen, die für alle Teams gleich sind. So werden bis zu dieser Saison einheitliche Lithium-Ionen-Akkumulatoren von Williams Advanced Engineering mit 34 kWh verwendet – davon dürfen im Rennen jedoch nur 28 kWh benutzt werden –, was etwa der Kapazität von 300 Laptops oder 4000 Handys entspricht. Eine Vollladung reicht in etwa aus um magere 20 min bei Renngeschwindigkeit fahren zu können. Ein Nachladen bei Rennhälfte mit ca. 40 kW würde ca. 40 min dauern. Das geht natürlich nicht und man wechselt stattdessen das gesamte Fahrzeug für die zweite Rennhälfte. Doch die Entwicklung geht rasant. Schon nächste Saison werden Akkus von McLaren Applied Technologies mit 54 kWh verwendet, deren Ladung für ein ganzes Rennen reichen muss. Doch obschon alle Teams dieselben Akkus verwenden, ist das ganze Energiemanagement trotzdem eines der wichtigsten Merkmale, um sich von der Konkurrenz abzuheben. Wer es versteht, haushälterisch mit der Energie umzugehen, hat Mitte des Rennens die Möglichkeit, mit dem ersten Auto ein Runde mehr als die Konkurrenz zu drehen und somit den Wechsel auf das Zweitauto später zu vollziehen. Oder am Ende des Rennens hat man den Vorteil, mit mehr Energie und einem offensiveren Fahrstil schneller als die Gegner unterwegs zu sein.

 

Innovation im Antriebsstrang

 

Doch es gibt auch technische Bereiche, wo jedes Team eine eigene Lösung verwenden darf. Momentan sind dies die Komponenten des Antriebsstrangs (Motor, Getriebe, Inverter, Hinterradaufhängung). Hier verwenden die meisten Teams verschiedene Technologien:

 

Der Elektromotor kann in verschiedenen Leistungsstufen betrieben werden. Erlaubt sind max. 200 kW im Qualifying und max. 180 kW im Rennen. Betrieben wird dieser mit 3-Phasen-Wechselstrom. Der Inverter nimmt dabei die Umwandlung des vom Akku gelieferten Gleichstroms vor. Der beschriebene Vorgang funktioniert auch in die entgegengesetzte Richtung. Beim Bremsen wird mit bis zu 150 kW rekuperiert, also geht die Energie von der Antriebsachse via Motor und Inverter in den Akku. Bei diesem ständigen Energie­fluss käme es zu sehr hohen Temperarturen, wäre da nicht die aktive Kühlung von Akku, Inverter und Motor. Dass der Antriebsstrang auch noch über ein Getriebe verfügt mag etwas merkwürdig erscheinen, da ein grosser Vorteil des Elektromotors sein gutes Drehmoment in allen Drehzahlbereichen ist. Falls das Drehmoment der verwendeten Motoren etwas knapp ist, kann dies mit einem Getriebe korrigiert werden. Dies geschieht momentan mit unterschiedlicher Anzahl an Gängen, wobei die Tendenz eindeutig in Richtung Einganggetriebe geht. Bei der Kombination aus Motor und Getriebe müssen sich die Teams entscheiden, wo sie das Optimum zwischen hohem Drehmoment und niedrigem Gewicht sehen. Haben sie dieses gefunden, sind sie verpflichtet, ihre Lösung zu einem akzeptablen Preis den anderen Teams zur Verfügung zu stellen. Dadurch soll ein sportliches Gleichgewicht in der Formel E erhalten bleiben.

 

Vergleich zur Formel 1

 

Wenn also ein Tesla Model S aus dem Stand einen Lamborghini Aventador hinter sich lässt, wie sieht es denn aus zwischen der Formel E und Formel 1? Ein Formel-E-Auto beschleunigt in 2,9 s von 0 auf 100 km/h. Bei einem Formel-1-Wagen dauert dies 0,4 s weniger. Auch bei der Spitzengeschwindigkeit bleibt der Tacho bei der Formel E bei elektronisch abgeriegelten 225 km/h stehen, derweilen die Formel 1 mit bis zu 375 km/h unterwegs ist. Also ist ein Vergleich momentan noch verfrüht. Die grössten Unterschiede bestehen bei der Leistung und dem Verbrauch, und dies, obschon die elektrisch angetriebenen Boliden gut 20 % schwerer sind. Der über 200 kg schwere Akku ist gut doppelt so schwer wie der 105-kg-Tank bei der Formel 1. Die schlechte Energiedichte pro Kilogramm in einem Akku macht das Elektroauto schwer und führt zu einer bescheidenen Reichweite. Selbst mit Fahrzeugwechsel geht ein Formel-E-Rennen über eine Distanz von ca. 100 km, während ein Formel-1-Rennen dreimal länger ist – ohne Nachtanken.

 

Kaum ein Unterschied für die Zuschauer

 

Da die Formel E auf engen Stadtkursen fährt, ist der Leistungsunterschied für die Zuschauer weniger dramatisch. Da sie sehr nahe am Geschehen sind, nehmen sie die Tempi besser wahr. So ist auch für Nick Heidfeld, ehemaliger Formel-1- und aktueller Formel-E-Pilot, der Lärm der Boliden der Hauptunterschied zwischen beiden Klassen. Er sieht die Formel 1 immer noch als die Königsklasse an. Aber für viele Fans ist die Formel 1, auch wegen dem fehlenden Lärm gegenüber früher, nicht mehr das, was sie einmal war. Schnelle Autos müssen nicht mehr zwingend laut sein. 

 

Infoservice

 

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