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Kalibrierung im fortlaufenden Prozess

Misst ein Thermometer wirklich den richtigen Wert? Um dies zu beantworten, müssen Anlagenbetreiber in der Lebensmittel- und Life-Sciences-Industrie ihre Messgeräte regelmässig zur Kalibrierung ausbauen, im Extremfall nach jedem einzelnen Batch. Nun hat Endress+Hauser mit dem iTHERM TrustSens ein Thermometer entwickelt, das sich im laufenden Prozess fortwährend selbst kalibriert.

Die innovative Industrie-4.0-Technologie des iTHERM TrustSens basiert auf der sonst nur in Laboren durchgeführten Fixpunktkalibrierung und nutzt dafür das physikalische Phänomen der Curie-Temperatur. «Mit dem iTHERM TrustSens haben wir einen echten Evolutionsschritt in der Temperaturmesstechnik gemacht», sagt Marc Stahl, Global Product Manager Thermometer bei der Endress+Hauser Wetzer GmbH+Co. KG, dem Kompetenzzentrum der Firmengruppe für Temperaturmesstechnik und Systemkomponenten.

 

Validierung versus Kalibrierung

In der Lebensmittel- und Life-Sciences-Industrie ist die Temperatur der Parameter, der mit den grössten Einfluss auf die Produktqualität hat. Nur mit der richtigen Temperatur wird zum Beispiel Speiseöl beim Erhitzen nicht ranzig, die Milch keimfrei und können sich Zellen in Bioreaktoren bei der Herstellung von Arzneimitteln optimal vermehren. Um die GMP-Qualitätsrichtlinien (Good Manufacturing Practice) zu erfüllen, müssen die Thermometer daher in gewissen Abständen rekalibriert werden. In grossen Anlagen geschieht das bei hunderten Messstellen mehrmals pro Jahr oder sogar wöchentlich.

Bei einer Kalibrierung wird der von einem Messgerät angezeigte Wert im Unterschied zu einer Validierung immer mit einem wahren Wert verglichen, einer externen Referenz, die rückführbar auf nationale oder internationale Normale ist. Thermometer werden dafür im Feld in Blockkalibratoren oder Kalibrierbädern im Vergleich mit Referenzthermometern kalibriert, die sich auf Thermometer rückführen lassen, die im Labor direkt und damit hochgenau an Fixpunkten der internationalen Temperaturskala kalibriert wurden. Das sind definierte Temperaturen, bei denen Stoffe ihren Aggregats- oder Phasenzustand ändern, etwa der Eispunkt oder der Tripelpunkt von Wasser. «Uns ist es gelungen, erstmals einen Phasenumwandlungspunkt im festen Aggregatszustand in ein Thermometer zu integrieren», sagt Dr. Marc Schalles, der die Grundlagen für den TrustSens an der TU Ilmenau erforscht hat.

 

Curie-Temperatur ist immer konstant

Für die Entwicklung des Funktionsprinzips machte sich der Ingenieur das physikalische Phänomen der Curie-Temperatur zunutze: Das ist eine für jedes reine Material individuelle Temperatur, bei deren Erreichen sich dessen magnetische oder elektrische Eigenschaften abrupt und elektrisch detektierbar ändern. Die Curie-Temperatur ist immer konstant. Eisen wird zum Beispiel ab 768°C nicht mehr von einem Magneten angezogen. Fällt die Temperatur unter diesen Wert, ändert sich das wieder. «Wir haben ein Material gefunden, dessen Eigenschaften sich bei Temperaturen wandeln, die in der Lebensmittel- und Life-Sciences-Industrie ausschlaggebend sind und dort bei der Reinigung oder der Sterilisation zum Einsatz kommen», sagt Marc Stahl.

Aus diesem besonderen Werkstoff besteht der Referenzsensor im TrustSens. Er wurde eng mit dem eigentlichen Temperaturfühler Pt100 verbunden, der die Prozesstemperatur mit Hilfe des elektrischen Widerstands von Platin misst. «Dank dieser thermischen Kopplung sind beide Sensoren, wie in einem Kalibrierbad, idealerweise jederzeit derselben Temperatur ausgesetzt», sagt Schalles. Nach jedem Abkühlvorgang aus höheren Temperaturen wird der Pt100 dann während des Prozesses automatisch kalibriert: Bei Erreichen der Curie-Temperatur und damit des physikalischen Fixpunkts liefert der Referenzsensor ein elektrisches Signal. Misst der Pt100 zum selben Zeitpunkt einen Wert innerhalb der festgelegten Toleranzen, wurde er erfolgreich kalibriert – und das konform zu den GMP-Richtlinien und den Regeln der US-Lebensmittelüberwachungs- und Arzneimittelbehörde FDA.

 

Unerkannte Messabweichungen minimieren

«Der iTHERM TrustSens hilft Betreibern von Anlagen vor allem dabei, das Risiko einer unerkannten Messabweichung des Pt100-Sensors zu minimieren», so Marc Stahl. Denn alle gängigen Pt100-Sensoren unterliegen Alterungseffekten, die zu falschen Messungen führen können, so genannten Driften. Liegt das festgelegte Rekalibrier-Intervall des Sensors beispielsweise bei einem Jahr und wird dann bei der manuellen Rekalibrierung eine Abweichung festgestellt, muss davon ausgegangen werden, dass das Thermometer bereits nach dem Einbau nicht mehr den richtigen Wert gemessen hat. «Dann muss die gesamte Produktion der letzten zwölf Monate infrage gestellt werden – und im schlimmsten Fall stehen sogar Produktrückrufe an», erklärt Stahl.

Mit dem iTHERM TrustSens werden die Rekalibrierintervalle auf einen Schlag wesentlich kürzer und die Kontrollen dadurch engmaschiger. Denn in der Regel werden Prozesse, die Rekalibrierungen des iTHERM TrustSens auslösen, wie eine Dampfsterilisation, täglich durchgeführt. Gibt es eine Abweichung ausserhalb der eingestellten Toleranzen, schlägt das Gerät Alarm oder gibt eine Fehlermeldung aus, die auch vor Ort via LED deutlich sichtbar angezeigt wird.

 

Zehn Jahre Forschung und Entwicklung Der iTHERM TrustSens speichert alle Daten der letzten 350 Kalibrierungen elektronisch. Über eine Asset-Management-Software wie FieldCare von Endress+Hauser können diese Informationen ausgelesen und zugleich Kalibrierzertifikate für Audits automatisch erstellt werden – bei herkömmlichen Rekalibrierungen ist das nur manuell möglich.

Insgesamt zehn Jahre Forschung und Entwicklung stecken im iTHERM TrustSens. Neben der Endress+Hauser Wetzer GmbH, dem zur Endress+Hauser-Gruppe gehörenden Sensorspezialisten Innovative Sensor Technology IST AG und der TU Ilmenau waren auch Anlagenbetreiber von Beginn an eng eingebunden. Der Anstoss zur neuen Technologie kam aus dem Endress+Hauser Life-Sciences- Netzwerk. Dank der Branchenorientierung kannte man die Anforderungen der Kunden sehr genau. Im ständigen Austausch wurden Fragen zur Auslegung des Messbereichs, zur Bauweise oder zu Kalibrierzertifikaten geklärt. Entstanden ist durch die intensive, konstruktive Zusammenarbeit aller Beteiligten nicht nur eine innovative Technologie, sondern auch ein echtes Industrie 4.0-Produkt.

 

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