chevron_left
chevron_right

«MINT-Förderung ist aktueller denn je»

Die HSR Hochschule für Technik Rapperswil führt dieses Jahr die beliebten Workshops «Electronics4you»

bereits zum 10. Mal durch. Just in diesem Jahr zeichnet die ETH Zürich das lehrreiche Programm mit der

Ehrenmedaille für besondere Beiträge zum Unterricht von MINT-Fächern aus. Grund genug für einen Blick

zurück und einen in die Zukunft.

Was bedeutet MINT und Electronics4you?

Heinz Mathis: MINT-Fächer ist eine zusammenfassende Bezeichnung von Unterrichts- und Studienfächern oder Berufen aus den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik. Electronics4you sind zweisemestrige Workshops, in denen Jugendliche an einem Abend pro Woche Gadgets der Unterhaltungselektronik zusammenbauen wie beispielsweise Soundboxen, Spielkonsolen usw.

Wie ist es dazu gekommen, also wie ist dieses Nachwuchsförderungsprogramm entstanden?

Mathis: Ich hatte als Jugendlicher immer gerne gebastelt. Das war damals auch mit einfachen Mitteln noch gut möglich, weil die Bauteile gross waren. So entstanden im Eigenbau Lautsprecher, Verstärker, Radios und vieles mehr. Einer meiner Assistenten hat mir dann erzählt, dass es in der Stadt St. Gallen Kurse für Jugendliche gäbe, worin diese zum Elek-tronikbasteln angeleitet werden. Sowas wollte ich in Rapperswil auch haben. Wir wollten den Jugendlichen zeigen, was sie alles selber bauen können.

Was ist das Ziel von Electronics4you?

Mathis: Wir sind eine Fachhochschule, da geht es um Ausbildung. Das Hauptziel von Electronics4you ist aber nicht einmal so sehr die Ausbildung. Natürlich zeigen wir den Jugendlichen das eine oder andere in Theorie und Praxis. Damit möchten wir aber vor allem eine technische Faszination entflammen. Indem wir das Ganze praktisch umsetzen, stärken wir das Selbstbewusstsein der Jugendlichen. Sie trauen sich hoffentlich im Anschluss eine technisch anspruchsvolle Lehre bzw. Ausbildung zu.

Was machen die jugendlichen Teilnehmer?

Mathis: Die Jugendlichen kommen einmal die Woche ins Labor. Hier wird ihnen gezeigt, wie etwas funktioniert, danach bauen sie es. Das dauert je nach Grösse des Gadgets ein paar Wochen. Die Teilnehmer dürfen auch auswählen aus verschiedenen Projekten, z.B. Funkuhr, Navi, Soundbox, Spielkonsole, Taschenlampe, Surrli, also einen elektronischen Kreisel, und vieles mehr.

 

Ist das nicht schwierig geworden in der heutigen Zeit, bei den hunderten von Einzelkomponenten?

Mathis: Tatsächlich ist es heute so, dass die Einzelteile eines Produkts in der Summe im Handel oft ein Vielfaches des fertig produzierten Produkts kosten. Ausserdem braucht es bei zunehmend kleineren SMD-Bauteilen immer besseres handwerkliches Geschick.

Wie lässt sich diese offenbar mehrschichtige Problematik lösen?

Mathis: Das erste Problem lösen wir, indem die Teilnehmer nur einen Bruchteil der Kosten bezahlen müssen, d.h. der Kurs ist für sie günstiger, als wenn sie selber zu Hause basteln würden. Zum andern setzen wir keine Lötkenntnisse voraus. Im ersten Semester werden THT-Bauteile gelötet, die sind gross und eignen sich für den Einstieg. Im zweiten Semester wagen wir uns dann langsam an die kleineren SMD-Bauteile.

Woher kommen die Teilnehmer? Und was müssen die Teilnehmer mitbringen?

Mathis: Anfangs des Jahres schreiben wir jeweils die Sekundarschulen rund um den oberen Zürichsee an. Die Lehrer verteilen dann den Schülern Flyer mit der Adresse unserer Webpage (www.e4u.cc). Dort erfährt man alle Details und kann sich anmelden. Voraussetzungen gibt’s eigentlich keine. Nur neugierig sollte man sein!

Hat es auch Teilnehmerinnen?

Mathis: Ja, natürlich. Es dürften aber ruhig mehr sein. Das Betreuerteam selbst ist gemischt. Zwei unserer Leiter sind Frauen. Sie sollen die Mädchen ermutigen, sich die Elektronik zuzutrauen. Oftmals sind die Mädchen bei den feinen Lötarbeiten tatsächlich geschickter als die Jungs.

Wie wird das Ganze finanziert?

Mathis: Die HSR stellen die Räumlichkeiten und die Infrastruktur zur Verfügung. Die Materialausgaben und Betreuungskosten werden zur Hauptsache durch über 30 Firmen und Netzwerke getragen. Swiss Engineering gehört dank der FAEL auch zu den Sponsoren von Electronics4you.

Wieso machen diese Firmen und Institutionen mit?

Mathis: Die meisten dieser Firmen bieten Lehrstellen für Elektroniker und Automatiker an. Sie sind daher an wissbegierigem und motiviertem Nachwuchs interessiert. Wir organisieren im Sommer Firmenführungen und veranstalten eine eigentliche Lehrstellenbörse. Viele unserer Kursteilnehmer absolvieren später eine technische Berufslehre bei einem unserer Sponsoren.

 

Im September dieses Jahres haben Sie den Ehrenpreis für besondere Beiträge im MINT- Bereich von der ETH Zürich erhalten. Was beinhaltet dieser Preis?

Mathis: Neben der Medaille, welche wir in unserer Vitrine gut sichtbar aufbewahren, ist der eigentliche Preis ein Gemälde mit Faraday und Maxwell, zwei Pioniere der Elektrotechnik. Das Gemälde ist jetzt oberhalb der Wandtafel im Labor aufgehängt, wo es alle Schüler und Studenten erblicken. Sie haben damit auch immer die Maxwell-Gleichungen vor Augen.

Was bedeutet dieser Preis für Sie?

Mathis: Der Preis stellt eine grosse Anerkennung für das ganze Team dar, welches viel Zeit und Herzblut in den Aufbau der Projekte investiert hat. Es ist eine Ehre, dass ausgerechnet die international renommierte ETH uns für diesen Preis ausgewählt hat. Wir wissen, dass wir auf dem richtigen Weg sind und sind motiviert für weitere Jahre.

Gibt es nach zehn Jahren auch Geschichten zum Schmunzeln?Mathis: Da gäbe es viele Anekdoten zu erzählen. Meine Lieblingsgeschichte ist die folgende: Unsere Kursleiter und -leiterinnen fragen die Teilnehmenden immer mal nach den Berufswünschen. Eine Teilnehmerin meinte dazu, dass sie wohl Konditorin werden möchte, weil sie zu wenig begabt in Mathe sei. Unsere Leiterin hat sie daraufhin mit ein paar Nachhilfelektionen fit gemacht. Und siehe da: Heute ist sie mitten in einer Elektroniker-Lehre und macht die Berufsmaturität nebenher. Solche Geschichten machen einfach Freude.

Was sehen Ihre Zukunftspläne aus?

Mathis: Am Standort in Rapperswil hat sich die Grösse mit zwei Gruppen à 25 Teilnehmenden eingependelt. Ausserdem gibt es ein Angebot in Winterthur. Wir arbeiten dort mit der ZHAW zusammen. Es wäre daher toll, wenn wir uns geografisch in die Regionen ausbreiten könnten, in denen ein ähnliches Angebot fehlt. Dazu braucht es aber zusätzliche in der entsprechenden Region verankerte Sponsoren. Und einen Gastgeber sozusagen, eine Fachhochschule, eine Berufsschule, oder sonst einen Schulraum. Beim Aufbau stehen wir gerne zur Seite, die Projekte sind ja da, die müssen nicht neu entwickelt werden, die stellen wir zur Verfügung. Ein Franchise-System zum Nulltarif sozusagen, nur dass die Aufbaukosten entfallen.

 

Infoservice

ICOM Institut für Kommunikationssysteme

Prof. Dr. Heinz Mathis, Institutsleiter ICOM

HSR Hochschule für Technik, Oberseestrasse 10

8640 Rapperswil, Tel. 055 222 45 95

heinz.mathis@hsr.ch, www.icom.hsr.ch