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Autonome Mobilität – oder doch nur hoch-automatisiert ?

Bald brauchen wir unsere Fahrzeuge nicht mehr selber zu lenken. Immerhin, «bald» sind etliche Jahre. Sich mit dem Thema schon jetzt zu befassen, ist aber sicherlich nicht falsch. Der 13. FAEL-Herbstanlass hält einige Themen bereit, welche unsere Zukunft im Individualverkehr beleuchten sollen.

Der im Frühling zurückgetretene VW-Chef Matthias Müller spricht im Zusammenhang mit «Autonomem Fahren» von einem durch nichts zu rechtfertigenden Hype. So eine Aussage zeugt von tiefer Unsicherheit in der Automobilbranche. Man fürchtet sich vor Eindringlingen, welche die Branche auf den Kopf stellen, ähnlich wie das vor etwas mehr als zehn Jahren mit dem Mobiltelefon passiert ist.

 

Verzögerungstaktik ist keine gute Wahl

Es ist gut möglich, dass das über Jahrzehnte angeeignete Wissen über Produktion und Kundschaft in der Industrie der Benzin- und Dieselfahrzeuge bald nichts mehr wert sein wird. Dabei muss ein Hype gar nicht in Abrede gestellt werden. Klar, bei jedem grösseren und relevanten Technologieschritt haben wir vorerst Anzeichen einer Überschätzung. Vorsichtigerweise sprechen die Firmen heute daher von «automatisiertem Fahren» und weniger von «autonomem Fahren». Ebenso klar ist aber auch, dass die Geschichte uns lehrt, dass Verzögerungstaktik oder Ignoranz keine gute Wahl sind. Dann machen andere das Geschäft.

 

Das erste E-Fahrzeug fuhr 1888

Bekanntlich gibt es Autos seit 1885. Interessanterweise verbirgt sich bereits im Begriff Automobil die Übersetzung «selbst-beweglich», so dass mit den Adjektiven «autonom» und «automatisiert» die zusätzliche Delegation der vom Mensch getätigten Steuer- und Regeltätigkeiten an die Maschine der Pleonasmus nur knapp verfehlt wird. Und wir sprechen im Zusammenhang von automatisiert fast immer von Elektroantrieb, welcher sich gerade langsam auszubreiten beginnt. Ebenfalls interessant ist, dass elektrische Antriebe so neu gar nicht sind; der erste elektrische Pkw kurvte um 1888 auf unseren Strassen. Aber natürlich waren die Antriebs- und vor allem die Akku-Technologie noch nicht so weit, dass sich Elektrofahrzeuge gegenüber Fahrzeugen mit fossilem Antrieb durchgesetzt hätten.

 

Elektroantrieb, was denn sonst?

Na ja, da gäbe es schon Alternativen. Von der Brennstoffzelle als emissionsarmer Antrieb wird schon lange gesprochen. Auf dem Weg zur automatisierten Mobilität brauchen wir dringend neue Antriebskonzepte, da kommt der Elektromotor gerade recht. Die Energiebilanz von Elektromotoren ist eindrücklich. In zwei Selbstversuchen umrundeten ein Opel Ampera-e (inkl. Dachbox) und Tesla Model S den Zürichsee von Rapperswil aus im Gegenuhrzeigersinn, einmal im Winter bei einer Auss entemperatur von –7°C, einmal im Sommer bei einer Aussentemperatur von 31°C. Dieser grosse Temperaturunterschied sollte dann auch der Hauptgrund für grosse Differenzen in der Energiebilanz sein. Die Durchschnittsgeschwindigkeit war zwar nicht genau gleich (mehr Verkehr im Sommer), spielt aber eine untergeordnete Rolle, weil sie beide Male unter 45 km/h war.

Die Strecke um den unteren Zürichsee (ohne Obersee, also via Seedamm), so dicht am Wasser wie möglich, beträgt 71 km. Die Umrundung dauerte im Sommerferien-Stossverkehr 1 Stunde und 50 Minuten, d.h. die Durchschnittsgeschwindigkeit betrug nicht einmal 40 km/h. Im Winter dauerte die Umrundung eine Viertelstunde weniger lang, die Durchschnittsgeschwindigkeit betrug knappe 45 km/h. Im Sommer benötigte der Tesla für die Umrundung des Zürichsees eine Energie von 10,6 kWh. Der Opel brauchte mit 10,3 kWh nur unwesentlich weniger. Im Winter, wenn die Akkus kalt sind, sieht die Bilanz deutlich schlechter aus. Der Energieverbrauch für den Tesla war 15,2 kWh, für den Opel gar 17,1 kWh. Das ist ein Mehrverbrauch von 43 bzw. 66%. Immerhin: Selbst im Winter kostet die Energie für eine Seeumrundung auch im schlechtesten Fall unter 4 Franken.

 

Sensoren für das Auto der Zukunft

Die ersten Fahrzeugcomputer wurden knapp 100 Jahre nach dem ersten Auto eingebaut. Heute sind diverse (oft mehr als 100), entkoppelte Mikrocontroller in jedem Fahrzeug Standard. Vor 20 Jahren war Satellitennavigation für den Strassenverkehr noch nicht einsetzbar, u.a. weil die USA als Erbauer und Betreiber von GPS vorsichtigerweise die Zivilbevölkerung nur mit tiefer Ortungsgenauigkeit ans System liessen. Erst seit diesem Jahrtausend gibt es brauchbare Navigationssysteme und erste Fahrassistenzsysteme. Künstliche Intelligenz fi ndet langsam den Weg ins Fahrzeug.

Das Auto muss also vorerst weiter digitalisiert werden, bevor es «autonom» wird. Da liegt natürlich ein elektrischer Antrieb auf der Hand, u.a. weil Stellglieder dank Leistungselektronik einfach zu realisieren sind und nicht erst via Aktoren z.B. für eine Fossilkraftstoffzugabe übersetzt werden müssen.

 

V2V-Kommunikation als ein wichtiges Funksystem

Die HSR Hochschule für Technik Rapperswil hat letztes Jahr ein Elektrofahrzeug beschafft, u.a. um Sensoren zu entwickeln und testen, welche ein Teilproblem der automatisierten Mobilität lösen sollen: die Navigation. Natürlich spielt Satellitennavigation eine dominante Rolle, aber viele zusätzliche Sensoren wie Inertiale Navigation (Drehraten- und Beschleunigungssensoren), Lasersysteme, optische Kameras und vieles mehr werden nötig sein, wenn dereinst Autos nicht mehr von Menschenhand gelenkt ihren Weg kollisionsfrei durch die Strassen fi nden sollen. Nicht nur unzählige Sensoren werden das Auto der Zukunft ausmachen, sondern auch viele Kommunikationsmöglichkeiten.

Dazu gehören Funksysteme mit andern Fahrzeugen, sog. V2V, also Vehicle-to-Vehicle-Kommunikation, aber auch V2I, also Vehicle-to-Infrastructure-Kommunikation. Welche Standards dazu gebraucht werden, wird derzeit diskutiert, u.a. ist auch 5G, also die fünfte Generation der Mobilkommunikationssysteme in den Startlöchern. Mit dem Wireless Research Vehicle der HSR, siehe Bild links, sollen Sensoren erprobt aber auch Abdeckungen von neuartigen Funksystemen erforscht werden. Hierzu zählen beispielsweise IoT-Netze wie LoRaWAN und SigFox, welche derzeit rasch wachsen.

 

Messfahrzeug kann man auch mieten

Aber auch Kooperationen mit Drittfi rmen sind möglich. Das Messfahrzeug kann zu diesem Zweck gebucht werden. In der Dachbox hat es viel Raum für die Antennenbedürfnisse der Kunden. Im Auto selbst befi nden sich 19"-Racks, ein Rubidium-Zeitnormal, Bordrechner mit viel Rechenleistung und schnellem Speicher, breitbandigen Drahtloslinks (LTE) ins Internet und eine leistungsfähige 230-V-Speisung mittels Wechselrichter. Damit können Kundenaufträge unkompliziert und speditiv durchgeführt werden.

 

Infoservice

Prof. Dr. Heinz Mathis, Institutsleiter ICOM

HSR Hochschule für Technik

Oberseestrasse 10, 8640 Rapperswil

Tel. 055 222 45 95,

http://icom.hsr.ch