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Exakte Digitalisierung (4/4)

An den Ausgängen der Signalgeber einer Messwerterfassung sind die Signale in der Regel noch in Ordnung – sprich ungestört. Dieser Artikel soll helfen zu erreichen, dass an den Eingängen der Digitalisierungseinheit die Signale immer noch weitgehend ungestört ankommen. Abhängig von der jeweiligen Messaufgabe, gibt es sowohl sehr gute wie auch absolut ungeeignete Verbindungsarten und Messleitungen.

Spannungsreferenz, Triggersignal und Eigenschaften von realen AD-Wandlern wurden in den letzten drei Artikeln behandelt. In der aktuellen Ausgabe ist die Minimierung der externen Einflüsse auf das zu digitalisierende Signal im Fokus. Wenn man eine sehr gute Messwerterfassung installiert hat, temperaturstabilisiert, abgeglichen und mit Oversampling sowie Mittelwertbildung konfiguriert, dann kann sie eins trotzdem nicht: An ihrem Eingang zwischen dem gewünschten Messsignal und dem eingekoppelten Störsignal zu unterscheiden.

Gutes Verhältnis zwischen Mess- und Störsignal ist wichtig

Bis auf den eher seltenen Glücksfall, dass die Störung und das Messsignal im Frequenz- bereich nicht überlappen und dadurch mit Hilfe eines Hoch-, Tief- oder Bandpasses getrennt werden können, misst man im Normalfall die Überlagerung von Mess- und Störsignal. Für ein gutes Messresultat muss man dann eins erreichen: Den Anforderungen entsprechendes gutes Verhältnis zwischen dem Mess- und dem Störsignal. Mathematisch gesehen, erreicht man es entweder durch eine

Vergrösserung des Messsignals oder durch Verkleinerung des Störsignals. Da das Erste oft nicht oder nur umständlich möglich ist, bleibt als realistische Massnahme nur das Minimieren des Störsignals.

 

Eine reale Messanordnung

Eine reale Messwerterfassung in industrieller Umgebung besteht aus mehreren, über einen mehr oder weniger grossen Bereich verteilten Signalgebern und einer zentralen Stelle, an welcher die Messsignale zusammengeführt und einzeln oder im Zeitmultiplex erfasst, aufbereitet und digitalisiert werden. Sowohl die Signalgeber wie auch die Digitalisierungseinheit sind in der Regel bestens spezifiziert und versprechen qualitativ gute Messresultate. Was weniger gut spezifiziert ist, ist die Art, wie man die diversen Signalgeber mit der Digitalisierungseinheit verbindet. Diese Verbindungen entscheiden darüber, wieviel Störsignal den Messsignalen überlagert wird. Es gibt drei Arten, wie sich Störsignale zu Messsignalen addieren können: galvanische, kapazitive und induktive Kopplung. Bild 1 deutet die Realität an, dass im Normalfall mehrere Kopplungsarten gleichzeitig vorkommen.

 

Galvanische Kopplung

Galvanische Kopplung ist immer dann gegeben, wenn der Messkreis – Verbindung zwischen Signalgeber und Messwerterfassung – auch ein Teil eines anderen elektrischen Kreises ist. Diese Situation findet man zum Beispiel dann, wenn sowohl der Bezugspunkt der Signalquelle wie auch der Bezugspunkt der Messwerterfassung mit Schutzerde verbunden sind. Schutzerde ist absolut nicht geeignet als Übertragungsmedium für das Referenzpotential. Durch Schutzerdeverbindungen können im Prinzip beliebige Ströme fliessen, von niederfrequenten Fehlströmen der jeweiligen Anlage bis zu sehr hochfrequenten Strömen induziert von beliebigen Quellen inklusive Radiosender.

Auf jeden Fall ist das lokale Schutzerdepotenzial der Messwerterfassung nicht identisch mit dem Schutzerdepotenzial des Signalgebers in ein paar Metern Entfernung, und dieser Potenzialunterschied addiert sich voll zum Messsignal. Im Gegensatz zur induktiven und kapazitiven Kopplung, bei welchen die Einkopplung per Definition mittelwertfrei ist und sich dadurch oft vollständig wegfiltern lässt, ist die leitungsgebundene galvanische Einkopplung nicht mittelwertfrei und folglich ist es entsprechend schwerer bis unmöglich das Störsignal vom Messsignal zu separieren.

Abhilfe: Galvanische Kopplung ist unbedingt zu verhindern. Falls der Bezugspunkt der Signalquelle mit der Schutzerde verbunden werden muss, sind bei der Messwerterfassung, welche meistens sowieso mit Schutzerde verbunden ist, hochohmige differenzielle Eingänge einzusetzen.

 

Kapazitive Kopplung

Ist ein Messkabel in «Sichtkontakt» mit einer anderen, mit Wechselspannung beaufschlagten, elektrischen Leitung, so kommt es gezwungenermassen zum Injizieren eines fremden Stroms in das Messkabel (E-Feld in Bild 1). Das lässt sich entweder durch die Kapazität zwischen der störenden Leitung und dem Messkabel oder durch den Verschiebungsstrom des elektrischen Feldes erklären. Dieser injizierte Strom fliesst durch die Leiter eines nicht abgeschirmten Messkabels zu dem nächsten Erdpotenzial und verursacht in den Messleitungen einen ohmschen und im HFFall einen induktiven Spannungsabfall, welcher sich zum Messsignal addiert. Es bleibt dem Leser überlassen nachzuvollziehen, wie der injizierte Strom in nativer Kenntnis der Kirchhoffschen und Ohmschen Gesetze den Weg zum Bezugspunkt der Störquelle findet.

Abhilfe: Mit einer guten und richtig geerdeten Abschirmung des Messkabels kann man das Injizieren des kapazitiven Stromes in die Messleitungen fast vollständig unterbinden, jedenfalls im NF-Bereich. Die restlichen Störungen im HF-Bereich lassen sich dank der Mittelwertfreiheit der kapazitiven Kopplung vollständig durch den Einsatz von passiven Tiefpassfiltern eliminieren.

 

Induktive Kopplung

Ein wechselndes Magnetfeld induziert eine Spannung in jeder Schleife der Messleitung, welche seine Feldvektoren durchlaufen (HFeld in Bild 1). Diese Spannung addiert sich wiederum zum Messsignal.

Abhilfe: Abschirmung gegen ein Magnetfeld ist aufwändig, speziell für niederfrequente Felder. Optimum wäre, wenn man störende Magnetfelder in einer Anlage vermeiden könnte. Das geht aber nur in Spezialfällen, wenn man die jeweiligen Hin- und Rückleiter der Stark- und/oder HF-Stromleitungen sehr nahe nebeneinander oder gar koaxial führen darf. Dann ist das Aussenfeld minimal oder Null. In einer realen Situation – Wechselrichter, Motoren, Generatoren, elektrolytische Bäder – ist es jedoch nicht oder nur begrenzt realisierbar. Normale Kabelschirme helfen auch, aber erstens erst im HF-Bereich und zweitens funktioniert der Schirmeffekt nur dann, wenn beide Enden der Abschirmung geerdet sind, damit ein kompensierender Schleifenstrom überhaupt fliessen kann. Beidseitige Erdung des Kabelschirmes ist jedoch meistens eine Einladung für unerwünschte galvanische Kopplung. Als einzige, immer anwendbare und sehr effiziente breitbandige Massnahme, bleibt somit nur das Verdrillen der Messleiter.

 

Ideale Messleitung

In einer idealen Messleitung wird jedes Signal durch ein separates verdrilltes Leitungspaar übertragen. Entweder ist dann jedes Leitungspaar für sich und/oder mehrere Leitungspaare zusammen in einem mehradrigen Kabel abgeschirmt (Bild 2). Die Abschirmung ist an das Bezugspotenzial der Messwerterfassung, nicht an das Bezugspotenzial des Sensors angeschlossen. Das mindert das Strapazieren der Eingänge mit HF-Gleichtakt.

Floatende Signalquellen sind am Bezugspotenzial der Messwerterfassung (GND) referenziert, «single ended» Konfiguration der Eingänge ist hier genügend (Bild 2 oben).

Geerdete Signalquellen sind gezwungenermassen am Bezugspotenzial der Signalquelle referenziert, «differential ended» Konfiguration der Eingänge ist daher notwendig damit man das «entfernte» Bezugspotential sauber berücksichtigt (Bild 2 unten).

 

Ungeeignete Messleitungen

Ungeeignet für hochauflösende Messungen sind erstens alle nicht geschirmten Leitungen (Bild 3 oben) sowie solche, bei welchen der Schirm eine doppelte Funktion hat, nämlich die Referenz für das Messsignal zu übertragen und gleichzeitig als Schutz gegen elektrische Felder zu dienen (Bild 3 unten). Ein geerdeter Schirm – ein anderer ist sinnlos oder gar schädlich mit Ausnahme vom Guarding – bildet eine Senke des störenden elektrischen Feldes, was gezwungenermassen zum Strom und Spannungsabfall im Schirm führt. Typisches Beispiel ist das Koaxialkabel: Geeignet als HF-Kabel mit gut definierter Wellenimpedanz, ungeeignet als Messleitung.

Der durch das E-Feld in die Leitungen, bzw. Abschirmung, injizierte Strom muss zum Erdpotenzial fliessen um den Kreis zurück zur Störquelle zu schliessen. Man kann es somit auch als galvanische Kopplung im HF-Bereich bezeichnen.

 

Fazit

Das hier Beschriebene sind sogenannte  «Basics». Das wird verdeutlicht durch die folgende Aufzählung einiger nicht behandelter Themen, welche ebenfalls die Messwerterfassungen betreffen:

■ Filtern und/oder Begrenzen

■ Passive und/oder aktive Filter

■ Schutz der Messeingänge

■ «Übersprechen» im Multiplexer

■ Galvanische Trennungen

■ Triaxial-Kabel

■ Analyse der Störfestigkeit eines bestehenden Setups

■ Messen von hochohmigen Signalen

■ Behandeln von Signalgruppen mit gemeinsamem Bezugspotenzial (z.B. SPS)

Im Rahmen der fortschreitenden Digitalisierung sind viele Messaufgaben identifizierbar, wo es sich lohnt, das analoge Frontend etwas genauer unter die Lupe zu nehmen. Das nachträgliche Korrigieren von ungünstig gewandelten Analogsignalen ist in den meisten Fällen nur die zweitbeste Lösung. Wir hoffen mit den vier Artikeln einen Beitrag geleistet zu haben, damit Digitalisierung von Anfang an gelingt. Weitere Informationen zur Datenanalyse und Speicherung sowie die Links zu allen in Polyscope erschienen Artikeln sind auf der Homepage www.pie.ch verfügbar. «

 

Bisher erschienen:

 

Polyscope 11_12/17: Spannungsreferenzen filtern aber ohne Genauigkeitsverlust

Polyscope 20/17: Störungen im Zeitbereich unterdrücken Polyscope

Polyscope 03/18: Methoden für höhere Auflösung und Genauigkeit

 

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