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Bildverarbeitung verliert Status als eigenständige Disziplin

Jährlich ermittelt der Bildverarbeitungsspezialist Framos eine Marktstudie zu industriellen Kameras. Für die zehnte Ausgabe gaben 90 Hersteller und Anwender aus 22 Ländern Auskunft zum aktuellen Stand der Technik bei der Bildverarbeitung und die aus ihrer Sicht weitere Entwicklung der Branche. Ein Ergebnis der Studie: Es kündigen sich Verschiebungen im Markt mit disruptiven Veränderungen des Technologieeinsatzes an.

 

In Kooperation mit den Fachzeitschriften Vision Systems Design und Inspect ermittelt der Bildverarbeitungsspezialist Framos jährlich die Trends der Branche für die weitere technische und wirtschaftliche Entwicklung aus Anwender- und Herstellersicht. Die aktuelle Studie basiert auf den Aussagen von 61 Anwendern und 29 Teilnehmern auf der Herstellerseite, die sehr ausführliche Antworten zum Bildverarbeitungsmarkt, Kameras und Sensoren sowie Applikationen und Trends abgaben.

 

Mit 70 % bildeten europäische Teilnehmer die stärkste Gruppe, Amerika ist mit 19 % und Asien/Mittlerer Osten zu 11 % vertreten. Anhand der abgefragten Einkaufs- und Produktionsvolumina wurde ein Relevanzranking vorgenommen. Einkauf und Produktion liegen zu 61 % und 50 % schwerpunktmässig in Europa, die Hersteller produzieren zu 24 % zusätzlich in Asien sowie ebenfalls zu 24 % in Amerika. Dies steht für eine Stärkung der asiatischen und amerikanischen Produktionsstätten gegenüber den Vorjahren. Bei den Anwendern agieren Amerika mit 31 % und Asien mit 8 % als Einkaufsmärkte hinter Europa.

 

Hersteller sehen stabiles Wachstum

 

Gegenüber 2016 ist ein Rückgang des asiatischen Einkaufsmarktes (28 % in 2016) zu erkennen, der zum einen auf eine schwächere Studienbeteiligung aus Asien zurückzuführen ist und des Weiteren eine Stabilisierung der europäischen und amerikanischen Einkaufsmärkte andeutet.

 

Alle Hersteller sehen ein weiteres starkes und sicheres Wachstum der Bildverarbeitung. 38 % erwarten Wachstum aufgrund neuer Nutzer, 21 % aufgrund der Modernisierung vorhandener Anlagen und zusätzliche 41 % aufgrund von Anwendern, die beide Wege beschreiten. Als grösste Treiber sehen die Hersteller dabei den Einsatz von künstlicher Intelligenz, 3D-Imaging, hyperspektrale Anwendungen und Embedded Vision.

 

Embedded Vision wird dabei von 21 % der Hersteller als Chance gesehen. Auch 92 % aller befragten Anwender möchten weiter in Bildverarbeitung investieren, 52 % wollen in den nächsten zwei Jahren neue oder modernisierte Visionsysteme einführen, weitere 40 % streben beides an. In den eher traditionellen Einsatzgebieten und Branchen sollen dabei aus Anwendersicht zu 75 % fertig erhältlich Komponenten zum Einsatz kommen, 39 % möchten aber auch eigene Lösungen entwickeln.

 

Zunehmende Marktfragmentierung

 

Dies unterstreicht ein Blick auf die Frage, was Hersteller als Risiken der klassischen Bildverarbeitung angeben: 17 % aller Hersteller sehen einhergehend mit der Ausweitung auf nahezu alle Industrien eine Fragmentierung des Vision-Marktes, unter anderem durch den Einsatz von Consumer-Geräten im professionellen Bereich. 21 % sehen auch eine Dezimierung ihres Geschäftes durch Anwender, die ihre spezifisch benötigten Kameras und Systeme selbst entwickeln und bauen.

 

Insgesamt zeigt sich, dass die Bildverarbeitung ihren Status als eigenständige Disziplin verliert. Bereits 43 % der Anwender setzen auf Embedded Vision als Teil ihrer ganzheitlichen Automatisierungs- und Steuerungssysteme. Trotz des vorausgesagten weiteren Marktwachstums sind auch kritische Stimmen wahrnehmbar: Auch wenn die Anwender derzeit keinen Sprung auf den asiatischen Einkaufsmarkt anstreben, macht die Konkurrenz aus Asien 59 % aller Hersteller zu schaffen. Immerhin 38 % der Kamerabauer schauen mit Sorge auf die im Zusammenhang mit Embedded Vision erkennbaren Risiken: Wie beispielsweise die Verdrängung industrieller Kameras durch spezifische Embedded-Lösungen und die Veränderung klassischer Geschäftsmodelle.

 

Beratende Distributoren und Systemintegratoren werden wichtiger

 

Das grosse Potenzial, das Wachstum und die Weiterentwicklung der Bildverarbeitungstechnologie ist damit eine Herausforderung für die bisherige Rollenverteilung zwischen Herstellern, Integratoren und Anwendern. Embedded Vision und der Einsatz von Bildverarbeitung in nahezu allen Industrien bewirken gleichzeitig eine Fragmentierung. Anwender brauchen und wollen spezifische Lösungen für ihre integrierten Gesamtsysteme und OEM-Lösungen.

 

Beratende Distributoren und Systemintegratoren haben damit die Chance, ihre wichtiger werdende Rolle als Berater und Partner bei der Entwicklung und Implementierung individueller und modularer Embedded-Vision-Lösungen fernab der klassischen Industriekamera zu verdeutlichen.

 

Neben der Kaufbereitschaft ist das Preisniveau für Kameras ein wichtiger Indikator für die Marktentwicklung. Nach dem sukzessiven Preisverfall bis 2015 ist 2017 eine weitere Preisstabilisierung für Kameras im mittleren und oberen Preislevel sichtbar, was die Sorge der Hersteller vor asiatischer Konkurrenz abschwächen sollte. Nur 19 % der Anwender wollen lediglich bis zu 350 $ für eine Kamera ausgeben, wohingegen es 2016 noch 45 % in diesem unteren Preissegment waren. 38 % setzen auf Kameras zwischen 350 und 1000 $, ein Plus von 7 %-Punkten gegenüber dem Vorjahr. 42 % der Anwender planen sogar über 1000 $ in ihre Kamera zu investieren, was einer Steigerung um 19 %-Punkte entspricht. Damit wächst das Hochpreissegment sehr deutlich. Von den Herstellern werden diese Voraussagen grösstenteils bestätigt, insbesondere beim Verfall in der Preisklasse unter 150 $ und der grossen Steigerung für Kameras über 1000 $. Marktfragmentierung, Embedded Vision und sehr spezifische modulare Vision-Systeme scheinen also auch ein erhöhtes Qualitätsbewusstsein zu fördern.

 

«Am spannendsten sind wie jedes Jahr die Freitextfelder», sagt der Schirmherr der Marktstudie und Framos-CEO Dr. Andreas Franz. «Neben den rein technischen Aussagen können wir dort ganz ungefiltert lesen, was die Teilnehmer sich von der Bildverarbeitung erwarten und welche Entwicklungen sie prognostizieren.»

 

Erwartungshaltung geht in Richtung bezahlbare Präzision

 

In Zeiten der Null-Fehler-Produktion und Losgrösse-1-Anlagen ist für viele Anwender eine gesteigerte Präzision zur Automatisierung, Messung und Prüfung wichtig. Sie erwarten, diese durch eine verbesserte Vision-Performance mit höheren Auflösungen, verbesserte Sensortechnologien sowie höhere Bild- und Datenübertragungsraten erreichen zu können. Die höhere Performance sollte gleichzeitig mit geringeren Kosten und einem verbesserten Preis-Leistungs-Verhältnis einhergehen. Von dieser Effizienzsteigerung möchten vor allem kleinere Betriebe und Anwender in neuen Einsatzfeldern profitieren. Wie bereits im letzten Jahr muss die Bildverarbeitung einen klaren Nutzen aufzeigen und rentabel sein.

 

Nutzer wünschen einfache Integration

 

Die Anforderungen für weiteres Wachstum haben sich auf Anwenderseite nicht verändert. Die Nutzer wünschen sich auch dieses Jahr eine einfache Systemintegration und unkomplizierte Zusammenstellung aller Komponenten. Einfach zu bedienende Software und Bibliotheken, gerne Open Source, intelligente Algorithmen sowie einheitliche Schnittstellen sind für die meisten Anwender ein Muss auf dem weiteren Wachstumskurs der Bildverarbeitung. Datensicherheit und kabellose Verbindungen sollen dies unterstützen.

 

Neben der Industrie-4.0-Automatisierung und dem klassischen Machine-Vision-Bereich sehen die Anwender ein sehr hohes Potenzial von Embedded-Vision-Technologien in 3D-Anwendungen sowie Machine- und Deep-Learning unter Nutzung künstlicher Intelligenz. Mit der flächendeckenden Nutzung visueller Sensorik hat die Bildverarbeitung die Chance, neue Industrien zu erobern und zu revolutionieren, wobei die meisten Nutzer noch über konkrete Anwendungsfälle nachdenken. Für Systemintegratoren und beratende Distributoren liegt hier eine grosse Chance mit Praxisbeispielen und Anwendungsszenarien neue Kunden zu generieren und die Marktdurchdringung der Bildverarbeitung zu fördern.

 

Hersteller legen Fokus verstärkt auf künstliche Intelligenz

 

Die Hersteller stimmen in allen genannten Punkten mit den Nutzern überein. Auch sie erwarten von den Vision-Technologien eine höhere Leistung zu niedrigeren Preisen, setzen auf einfache Anwendbarkeit und einheitliche Schnittstellen. Der Qualitätsaspekt kommt in den Herstelleraussagen sehr deutlich zum Tragen, zum einem um sich von der asiatischen Konkurrenz abzusetzen und zum anderen um neue Märkte mit höheren Anforderungen zu erobern. Neben dem Ausbau der Automatisierung und Industrie 4.0 legen die Hersteller aber einen weitaus grösseren Fokus auf die Nutzung von künstlicher Intelligenz. Insbesondere die Mensch-Maschine-Kollaboration, «denkende» Roboter und eine hohe Anzahl autonomer Fahr- und Flugsysteme wird ihrer Ansicht nach zum Wachstum der Bildverarbeitung beitragen. Besondere Erwähnung fanden in den Kommentarspalten die neuen Bildverarbeitungsangebote von Intel und Nvidia, die ihre Processing-Kompetenz für innovative und kognitiv arbeitende Vision-Systeme genutzt haben. Die gesamte Bildverarbeitungsbranche wird nach Aussage der Hersteller davon profitieren. Die Ausweitung in neue Industrien und den Consumer-Bereich ist dabei eine naheliegende Schlussfolgerung. Der Ruf nach Standardisierung soll die zu erwartende Fragmentierung und Individualisierung erleichtern.

 

Industrie 4.0 als Wachstumstreiber

 

Die Ergebnisse der Framos-Marktstudie 2017 verdeutlichen die Entwicklung der Bildverarbeitung von der eigenständigen Disziplin hin zum integralen Bestandteil moderner Automatisierungs- und Steuerungssysteme. Neben den klassischen Einsatzfeldern der Machine-Vision lässt die intelligente Embedded-Vision-Maschinen blitzschnell analysieren und basierend auf den visuellen Daten eigenständige Entscheidungen treffen. Das hohe Wachstums­potenzial der Visiontechnologie gründet auf einer weiteren Marktdurchdringung in Industrie 4.0 und der innovativen Nutzung künstlicher Intelligenz in neuen Industrien und im Consumer-Bereich.

 

Die visuelle Sensorik stattet Maschinen mit optischen Sinnen sowie maschineller Intelligenz aus und erlaubt es ihnen, ihre Umgebung wahrzunehmen, zu verstehen, zu interagieren und zu lernen.

 

Visuelle Sensorik revolutioniert Konsumgütermarkt

 

Die berührungslose Bedienung von Geräten durch Eye-Tracking, Gesten- und Gesichtserkennung ermöglicht eine ganz neue Art von Konsumgütern, Sicherheitsmerkmalen und industriellen Lösungen. Achtsame Roboter, hindernisumfliegende Drohnen und sichere Überwachungslösungen sind nur einige Beispiele für den industriellen Einsatz. Smart Homes können schon jetzt per Fingerbewegung gesteuert werden und Autos bremsen ab, sollte der Fahrer einschlafen. Die Bildverarbeitung, so ein Fazit der Studie, kann ohne falsche Bescheidenheit behaupten, ein Basisbaustein unserer digital-vernetzen Welt zu sein und zu mehr Effizienz, Sicherheit und Bequemlichkeit in allen Lebensbereichen beitragen. 

 

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