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Die Planung nicht dem Zufall überlassen

Viele neue Bauteile führen branchenübergreifend in den Unternehmen zu mehr Arbeiten an den EDA-­Bibliotheken. Die Anforderungen sind nicht neu, nur hat sich die Anzahl der Änderungen in der Bibliothek vermehrt. Teilweise führen Bibliotheksanfragen zu Engpässen.

 

IoT, Smart Home, Industrie 4.0 und Elek-tromobilität sind populäre Treiber des Fortschritts in der Elektronik. Sie definieren die Anforderungen an Baugruppen, diese zu minimieren und in 3D-Gehäuse einzubauen oder erfordern neue technische Lösungen bzw. die Senkung der Kosten für die Baugruppen. Das hat nicht nur direkte, sondern auch indirekte Folgen für die Entwickler. Die Hersteller von Komponenten unterliegen demselben Druck des Marktes und entwickeln neue, kleinere, leistungsfähigere und günstigere Bauteile.

 

Was auf den ersten Blick als Lösung für den Entwickler aussieht, hat aber einen unangenehmen Nebeneffekt. Viele neue Bauteile führen dazu, dass die alten Bauteile viel schneller abgekündigt werden und sich der Aufwand bei der Pflege und Aktualisierung von Bauteil- bibliotheken neuerdings deutlich erhöht. Die Anforderungen an EDA-Bauteilbibliotheken:

  • Neue Bauteile einführen
  • Compliance-Prüfung (REACH, EU-RoHS, China-RoHS, WEEE, JIG-A usw.)
  • Conflict Minerals Data (Zinn, Tantalum, Gold, Wolfram)
  • Zuordnung von 3D-Modellen für mCAD-Integration
  • Zuordnung von Simulationsmodellen (PSpice, IBIS, thermisch)
  • Alternative Bauteile (Second Source)
  • End of Life (EOL) bei veralteten Komponenten

 

Firmen arbeiten unterschiedlich bei der Einführung von neuen Bauteilen

 

Wenn ein Entwickler in der kreativen Phase der Schaltungsentwicklung ist, dann möchte er schnell Zugriff auf das Symbol haben, um es im Schaltplan einzufügen. Im EDA-System kann dem Entwickler über eine zentral gepflegte Bibliothek eine Selektion von freigegebenen Bauteilen angeboten werden. In der Bibliothek kann er das Bauteil über eine parametrische Suche schnell finden und im Schaltplan platzieren.

 

Wenn aber das gesuchte Bauteil nicht vorhanden ist, dann muss dieses Bauteil neu angelegt werden, und hier beginnen sich die Arbeitsweisen in den Firmen zu unterscheiden. Einige Entwickler dürfen selbst ein Bauteil anlegen, während andere Firmen erst einen Freigabeprozess anstossen, bevor ein Bauteil verwendet werden kann.

 

Bauteile ab CD, vom Hersteller, von Onlineportalen oder selber erstellt

 

Neue Bauteile können aus unterschiedlichen Quellen kommen. Die auf der CD mitgelieferten Starterbibliotheken veralten bei den beschleunigten Innovationszyklen und verlieren immer mehr an Bedeutung. Es gibt entweder Onlinequellen oder Tools, mit denen die Bauteile selbst generiert werden können.

 

Einige Bauteilhersteller bieten bereits ECAD-Symbole und Footprints für ihre Bauteile zum Download an, damit die Bauteile schneller eindesignt werden. Es gibt auch die Möglichkeit, die Bibliotheksbauteile aus Formaten fremder Tools zu importieren oder zu migrieren. Hierbei ist die Kontrolle von Rundungsfehlern zu empfehlen. Auch die Bauteildistributoren wie Arrow, DigiKey usw. bieten als Service die ECAD-Daten zum Download an.

 

Sollte es nichts geben, dann gibt es in den EDA-Tools Möglichkeiten, die Symbole oder Footprints zu erstellen. Das komplette neue Erstellen von Bauteilen kann einige Zeit in Anspruch nehmen. So haben sich einige Spezial-Tools am Markt etabliert. So zum Beispiel der OrCAD Library Builder, der neben Symbolen und Footprints auch 3D-STEP-Modelle nach IPC-Vorgaben erzeugt. Oder der Allegro eCAD mCAD Library Creator, der auf Basis eines 3D-Modells und einer 2D-Projektion sowie Regeln die Footprints von beispielsweise Steckern oder Sonderbauteilen sehr effizient generiert.

 

Es gibt weitere Lösungen, die je nach Kunde interessant sein können. In Onlineportalen können Symbole, Footprints oder 3D-STEP-Modelle kostenpflichtig erworben werden (ca. 70 Rappen pro Download).

 

Steigende Bedeutung von Metadaten

 

Mit Metadaten sind Informationen gemeint, die im ersten Anlauf nichts mit dem elek-trischen Design zu tun haben. Dazu gehören Informationen wie der Preis, das Gewicht oder ob ein Bauteil bleifrei ist. Diese Informationen müssen bei der Bauteilauswahl vom Entwickler berücksichtigt werden und sie entscheiden, ob er es einsetzen darf oder nicht.

 

Die globalen Märkte erfordern auch die Berücksichtigung von unterschiedlichen lokalen Gesetzen und Vorschriften. Es gibt Unterschiede bei RoHS in Europa und in China. In den USA gibt es die UL-Brandschutzverordnung. Beim Anlegen eines neuen Bauteils in der Bibliothek müssen sinnvollerweise alle diese Metadaten erfasst und dem Entwickler über die Zentralbibliothek für die Bauteilauswahl zugänglich gemacht werden. Bei einigen Firmen sind es bis zu 30 zusätzliche Parameter, die für jedes Bauteil gepflegt werden müssen.

 

Neben den Freigaben für die Compliance-Prüfung sind für einige Produkte auch noch Informationen über die chemische Zusammensetzung von Bedeutung. Enthalten die Bauteile Stoffe wie Zinn, Tantalum, Gold, Wolfram oder Gefahrenstoffe? Dann müssen Normblätter über die chemische Zusammensetzung vorhanden sein und für die Freigabe zusammen mit den Herstellerdaten für die Leiterplatte ausgegeben werden.

 

Man braucht 3D-Modelle für die 3D-Ansicht der Leiterplatte

 

Fast alle PCB-Layout-Tools verfügen heute über eine 3D-Ansicht der Leiterplatte. Dies ist durch die schnelleren Computer ohne spezielle CAD-Grafikkarten für PCB-Entwickler möglich geworden. Um eine Leiterplatte in 3D anzuzeigen, müssen 3D-Modelle für die Bauteile bzw. für die Bauform vorhanden sein. In vielen Fällen reicht ein Modell für alle 0402-Bauteile aus. Aber wenn es um präzisen Einbau in kleine Gehäuse mit minimalen Toleranzen geht, dann sind die Unterschiede der Gehäuse bei unterschiedlichen Herstellern bei gleicher Gehäusebezeichnung zu berücksichtigen. So kann es vorkommen, dass es mehrere 0402-Modelle in der Datenbank für die Bauteile gibt. Die Modelle können entweder von den Webseiten der Hersteller oder Distributoren heruntergeladen werden oder sie werden mit speziellen Bibliotheks- bzw. mCAD-Tools erzeugt.

 

Simulationsmodelle und Alternativen (Second Source)

 

In heutigen Design Flows ersetzen PSpice-Simulationen an virtuellen Prototypen das Messen von manuell aufgebauten Bread Boards. Für Simulationen müssen keine Muster bestellt werden und Bauteilvariationen können per Mausklick überprüft werden. Zusätzlich lassen sich Werte für Stress von Bauteilen und MTBF / FMEA (Mean Time Between Failures, Failure Mode and Effects Analysis) leicht berechnen. Für die PSpice- und Signalintegritätssimulation werden Simulationsmodelle verwendet, die auch in der zentralen Bibliothek verwaltet werden können und den Entwicklern so schnell zur Verfügung stehen.

 

Wenn ein Design erstellt und eine Stückliste ausgegeben wurde, dann ist es hilfreich, dass möglichst vielen Bauteilen ein funktions- und baugleiches Bauteil (Second Source) zugewiesen wird. So kann der Einkäufer oder der Bestücker wahlweise das bessere Bauteil einsetzen. Besser kann in dem Fall die Lieferzeit, Verfügbarkeit im Lager oder der Preis sein. So ist es auch weniger kritisch, wenn nach Fertigstellung des Designs ein Bauteil abgekündigt wird. Es ist also keine zusätzliche Prüfung der Stückliste oder der Designabsicht erforderlich.

 

Wichtige Informationen – End of Life und Product Change Notification

 

Wenn ein Design erstellt wurde, kann es solange produziert werden, bis verwendete Bauteile abgekündigt werden. Bei Baugruppen, die über mehrere Jahre produziert werden, ist diese permanente Kontrolle ein steigender Aufwand. Eine Stückliste enthält schnell 100 oder mehr unterschiedliche Bauteile. Die Hersteller der Bauteile ändern öfter die Herstellungsverfahren und teilen das dann über eine PCN (Product Change Notification) mit. Diese Änderung kann ignoriert werden, wenn sich nur die Farbe des Beschriftungsdrucks von Weiss auf Grau ändert. Ändert sich aber die chemische Zusammensetzung des Plastikgehäuses, so ist ggf. eine Prüfung der Unbedenklichkeit erforderlich. Spannend wird es, wenn der Hersteller in gleicher Bauform das verwendete Silizium verkleinert. Dann bleibt die funktionale Beschreibung des Bauteils gleich, aber die feineren Strukturen im Silizium (DIE-Shrink) führen zu kürzeren Signallaufzeiten und gegebenenfalls auch zu steileren Anstiegsflanken, die wiederum auf der Leiterplatte plötzlich zu High-Speed-Problemen bei der Signalintegrität führen können.

 

Eine manuelle Prüfung der PCNs war früher möglich. Durch die steigende Zahl der Abkündigungen gibt es hier ebenfalls automatisierte Prozesse. Bauteildistributoren veröffentlichen heute etwa 20 PCN täglich. Die PCN-Informationen können online abgefragt und Unterschiede automatisch aufbereitet werden. Anschliessend wird über Prozesse in der Materiallogistik gesteuert, ob der Entwickler, der Bibliothekar oder der Einkäufer die Änderung freigeben darf. Diese Prozesse können in Konzernen über ein PLM-System aufgesetzt sein. Als spezielle Ergänzung für die EDA-Bibliotheken bietet FlowCAD einen CAD-FlowManager an, der direkt in OrCAD oder Allegro integriert ist. So können PLM-Strukturen direkt im Entwicklungs-Tool angezeigt werden und verringern damit den Aufwand für den Entwickler, da er in seiner gewohnten Tool-Umgebung bleibt. Bei kleinen Unternehmen ohne PLM-System kann der CAD-FlowManager zusammen mit einer zentralen SQL-Datenbank betrieben werden.

 

Obsolescence- und EOL-Management mit Hilfe von Statistik

 

Wenn ein Bauteil abgekündigt (obsolete) wird, muss ein Ersatz gefunden oder ein Re-Design angestossen werden. Der durchschnittliche IC-Lebenszyklus liegt heutzutage nur noch bei acht Jahren und wird sich noch weiter verkürzen. Ein End of Life (EOL) von Bauteilen kann zu hohen, vor allem ungeplanten Kosten führen. Daher ist es von grosser Bedeutung, dass der Entwickler schon bei der Platzierung weiss, wie hoch das Risiko der Bauteilabkündigung ist. Solche Risikoabschätzungen werden kommerziell angeboten und basieren auf Algorithmen sowie empirischen Erfahrungswerten.

 

Es gibt statistische Daten, dass ein Bauteil in einem SOT23-Gehäuse im Durchschnitt X Jahre am Markt ist. Wenn das Markteinführungsdatum bekannt ist und noch ein Korrekturfaktor für den Bauteiltyp und Hersteller angewendet wird, kann ein EOL-Risiko berechnet werden. Für den Entwickler ist der Hinweis, ob ein Bauteil wahrscheinlich noch 7,3 Jahre oder nur 4 Monate verfügbar ist, bevor es zu einem EOL kommt, sehr hilfreich. Hat er zwei ähnliche Bauteile zur Auswahl, kann er sich bei den wichtigen Bauteilen auf die risikoarmen Bauteile konzentrieren und die Schaltung entsprechend anpassen.

 

Entwickler kann Anzahl von Re-Designs und Änderungen beeinflussen

 

Ist für ein Bauteil das EOL bereits angekündigt aber es kann noch beschafft werden, kann dies auch farblich gekennzeichnet werden. Ist das EOL und LTB (Last-Time-Buy) erreicht, werden die Bauteile für neue Designs gesperrt. Über einen Where-Used-Report können alle Stücklisten angezeigt werden, in denen EOL-Teile verbaut wurden und ein Re-Design erforderlich ist. Der Entwickler kann durch die Bauteilauswahl die Anzahl von Re-Designs und Änderungen beeinflussen, vorausgesetzt er hat tagesaktuell alle Informationen zu Metadaten in seiner Entwicklungsumgebung und wird z. B. durch farbliche Kennzeichnung auf Gefahren der EOL hingewiesen. Die Kosten für die Lebensdauer eines Bibliothekbauteils können 500 bis 5000 Franken pro Bauteil betragen. Diese Kosten scheinen auf den ersten Blick sehr hoch, lassen sich bei genauer Betrachtung jedoch leicht nachvollziehen:

  • Recherche nach geeignetem Bauteil und Alternativen
  • Suchen / Erstellen / Verifizieren von Symbol, Footprint, 3D-Modell, Simulationsmodell
  • Eintragen von Metadaten
  • Aktualisieren von Preis und PCN-Informationen
  • EOL-Status

 

Nimmt man die Zeit, die ein oder mehrere Mitarbeiter benötigen, um ein Bauteil in die Bibliothek aufzunehmen, zu pflegen und abzukündigen, dann kommen da schnell einige Stunden zusammen. Dies erklärt auch die entstehenden, teils hohen Kosten. 

 

 

 

Infoservice

 

FlowCAD Schweiz AG

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