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«Distribution ist ein People-Business»

Die Schweizer Niederlassung von Rutronik feiert ihr zwanzigjähriges Bestehen. Die Erfolgsgeschichte begann am 1. April 1997 mit acht Mitarbeitern, heute betreuen 23 Experten die Kunden in der Schweiz. Seit dem ersten Tag mit dabei ist Geschäftsführer Robert Müller.

 

Was bedeutet das zwanzigjährige Jubiläum für Sie persönlich?

 

Robert Müller: Mein Ziel war es immer, als zuverlässiger, authentischer Partner wahrgenommen zu werden. Ich denke, die Entwicklung des Unternehmens zeigt, dass unsere Kunden diese Eigenschaften schätzen. Natürlich bin ich auch stolz auf das, was wir gemeinsam erreicht haben. Rutronik ist als feste Grösse im Schweizer Distributionsmarkt etabliert. Und – in den zwanzig Jahren haben wir kein einziges Jahr mit Verlust abgeschlossen.

 

Was waren aus Ihrer Sicht die entscheidenden Meilensteine?

 

Müller: Da war zum einen natürlich die Unternehmensgründung. Mein Team und ich waren wie elektrisiert von den Möglichkeiten, die sich uns als Tochter eines der führenden europäischen Distributoren boten. Gleichzeitig fühlten wir uns wie ein Start-up, was wir in gewisser Weise ja auch waren, denn der Mutterkonzern liess uns grösstmögliche Freiheit.

 

Bitte erklären Sie uns das etwas genauer.

 

Müller: Die Rutronik-Gruppe hat schon sehr früh auf innovative und massgeschneiderte Logistik- und Supply-Chain-Lösungen gesetzt. Das traf in den ersten Jahren nach der Gründung genau den Nerv der Zeit und wurde sehr stark nachgefragt. Hier konnten wir enorm von den Stärken unserer Mutter profitieren. Darüber hinaus haben wir uns strategisch als Partner für technische Lösungen aufgestellt, natürlich auf die Bedürfnisse des Schweizer Markts ausgerichtet.

 

Viel wichtiger war allerdings das, was Ende der Nullerjahre passiert ist. Auch an Rutronik ging die Krise 2008/2009 nicht spurlos vorbei. Wir mussten nicht unerhebliche Umsatzeinbussen hinnehmen und, sehr zu meinem Bedauern, auch die Mitarbeiterzahl reduzieren. Während diesen turbulenten Zeiten konnten wir erfahren, was es bedeutet, Teil eines unabhängigen, inhabergeführten Konzerns zu sein, der nicht gezwungen ist, kurzfristig auf Schwankungen am Aktienmarkt zu reagieren. Gemeinsam konnten wir uns im Wettbewerb behaupten und unsere Position langfristig stabilisieren.

 

Was sind die von Ihnen angesprochenen Bedürfnisse des Schweizer Markts?

 

Müller: Wie in fast allen westlichen Industrienationen haben wir auch in der Schweiz die Verlagerung von Fertigung und Produktion nach Osteuropa und Asien erlebt. Der Anteil von Kunden, die über eine eigene Produktion verfügen, hat kontinuierlich abgenommen. Allerdings war die Schweiz nie ein Land mit überdurchschnittlich viel Fertigung und noch weniger eine Wirtschaft der grossen Stückzahlen. Dafür ist das Innovationspotenzial enorm hoch. Pro Kopf melden die Schweizer weltweit die meisten Patente an, bei der Anzahl der Start-ups belegen die Schweizer einen der vorderen Plätze.

 

Das hat für uns als Distributor unmittelbare Auswirkungen. Wir müssen die Entwicklung Richtung «Innovation» ganz stringent vorantreiben. Die Zeiten, in denen wir abwarten, dass Kunden mit ihrem Bedarf auf uns zukommen, sind längst vorbei. Deshalb müssen wir neue Märkte und Technologien in der Tiefe verstehen, um zum Beispiel Start-ups Lösungen anbieten zu können, die über die rein technologischen Aspekte hinausgehen. Und über allem steht die Digitalisierung. Ich bin überzeugt, die wird richtig durchhauen. Neue Industrien werden entstehen, alte werden verschwinden oder mit anderen Branchen zu etwas Neuem verschmelzen.

 

Die Digitalisierung als «disruptive techno-logy» für die Distribution?

 

Müller: Das kann man so sagen. Das traditionelle Konglomerat aus Hersteller, Distributor, Kunde, EMS und Engineering-Dienstleister mit den gewohnten Abläufen steht auf dem Prüfstand. Betrachten wir Wertschöpfungsketten und Geschäftsmodelle, so sind auch hier durch Vernetzung und Digitalisierung Umbrüche zu erwarten und zum Teil schon zu beobachten. Hinzu kommen drastisch verkürzte Innovationszyklen.

 

Werfen Sie mal einen Blick in die Kristallkugel …

 

Müller: (Lacht) Leider bin ich kein Hellseher. Ich bin aber ganz fest davon überzeugt, dass die Distributionsbranche in den nächsten fünf Jahren grosse Veränderungen erleben wird. Zum einen erwarte ich eine weitere Konsolidierung im Markt. Die Trends zu Grösse einerseits und zur Nische andererseits bleiben bestehen. Hinzu kommt die zunehmende Verlagerung Richtung Onlinebusiness. Das hat unmittelbar Auswirkungen auf die Arbeitsabläufe im Unternehmen. Wo immer möglich, müssen Distributoren Prozesse automatisieren und verschlanken.

 

Zum anderen hängt der zunehmende Margenverfall über der gesamten Branche wie ein Damoklesschwert. Ob Massnahmen funktionieren können, wie zum Beispiel die Idee bestimmte Services Kunden in Rechnungen zu stellen, wage ich zu bezweifeln. Das kann nur klappen, wenn die gesamte Branche gemeinsam agiert. Das halte ich nicht für realistisch. Zudem dürfen wir nicht vergessen, dass wir Distributoren unsere Kunden in dieser Hinsicht verwöhnt haben, quasi haben wir sie dazu erzogen, bestimmte Gratisdienstleistungen zu erwarten. Unterm Strich bleibt nur: Wenn die Marge nicht mehr stimmt, oder keine Gegenfinanzierung gefunden werden kann, müssen diese Gratisservices unter Umständen zurückgefahren werden. Denn sind wir doch ehrlich, wir alle sind hier, um Geld zu verdienen.

 

Ist das nicht sehr pessimistisch?

 

Müller: Das sehe ich nicht so. Ich glaube, was ein Unternehmen stark macht, ist die permanente Beobachtung der Umgebung, damit meine ich Technologien, Märkte, Industrien, Kunden, Hersteller, und die Fähigkeit, sich den Gegebenheiten anzupassen. Im Idealfall sogar diese mitzugestalten. Wir können ja nicht so tun, als ob die beschriebenen Veränderungen nicht passieren, oder an uns spurlos vorbeigehen werden. Es gilt darauf passende Antworten zu finden.

 

Wie kann so eine Antwort aussehen?

 

Müller: Ich glaube, das Thema Software wird ganz erheblich an Bedeutung gewinnen. Der Code wird immer wichtiger. In der Vergangenheit hatten wir es hauptsächlich mit Hardwareentwicklern zu tun. Inzwischen nimmt der Anteil von Softwareentwicklern stetig zu, darauf müssen wir reagieren. Allerdings stellt das Distributoren vor ganz neue Herausforderungen. Wie gehen wir mit Lizenzierung um? Wie mit Haftung und Support? Und eines gilt für das Geschäft eines Distributors immer noch: Es ist ein People-Business. Natürlich müssen die Rahmenbedingungen wie Preis, Lieferkonditionen usw. stimmen. Aber im Vertrieb und in der Beratung nehmen die Soft Skills weiterhin eine zentrale Rolle ein. Anstand, Respekt, Verlässlichkeit, Fleiss und Fantasie mögen zwar wie altmodische Tugenden klingen, werden aber von Geschäftspartnern nach wie vor geschätzt.

 

Mit was beschäftigen Sie sich, wenn Sie an Ihren Schreibtisch zurückkehren?

 

Müller: (Lacht) Glauben Sie mir, das sind oft ganz profane Dinge wie: Hat der Kunde seine Rechnung bezahlt? Wann werden die versprochenen Bauteile vom Hersteller angeliefert? Haben wir die Kunden genügend über die aktuelle Liefersituation informiert? Es geht also nicht immer hoch strategisch zu an meinem Schreibtisch. Aber es ist schon so, ich mache mir oft Gedanken, wie und wo ich Rutronik in den nächsten Jahren positionieren kann. Und alle diese Gedanken treiben mich jeden Tag um. 

 

Infoservice

 

Rutronik Elektronische Bauelemente AG Brunnenstrasse 1, 8604 Volketswil

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