chevron_left
chevron_right

Agile Justin – ein lernender Humanoide

Autonome Systeme werden in naher Zukunft beinahe jeden Lebensbereich unserer modernen Gesellschaft berühren. Sie werden die Produktion massgeblich verändern, aber auch das Arbeitsleben und Geschäftsstrategien deutlich beeinflussen. Der Beitrag zeigt, was autonome von automatisierten Systemen unterscheidet, was es für deren Entwicklung braucht und welches Potenzial sie besitzen.

 

Mit zunehmender Fähigkeit der Maschinen, uns alltägliche Dinge abzunehmen, bleiben den Menschen mehr Kapazitäten für kreative und strategische Arbeit. Doch autonome Systeme als Entlastung für den Menschen, sind nicht mit automatisierten Systemen zu vergleichen. Der Begriff «Autonome Systeme» wird oft mit selbstfahrenden Autos oder automatisch navigierenden Drohnen in Verbindung gebracht. Doch autonome Systeme haben auf ein viel breiteres Spektrum der industriellen Produktion, wissenschaftlichen Forschung und sogar des alltäglichen Lebens Einfluss – etwa in Form einer Erntemaschine, die 300 t Getreide pro Stunde erntet und gleichzeitig in einen nebenherfahrenden Container ablädt.

 

Cloud-Systeme und Embedded-Geräte für autonome Technologie nutzen

 

Dank autonomer Systeme kann eine Gaspumpstation mit Predictive-Maintenance-System Schwachstellen erkennen und melden, bevor es zum Schaden kommt. Es kann aber auch ein automatisches Insulininfusionssystem sein, das es Diabetespatienten erleichtert, ihren Blutzuckerwert zu kontrollieren. Von der Landwirtschaft über die Industrie bis hin zur Medizintechnik können Forscher und Ingenieure autonome Technologie nutzen, um mit «intelligenter» Hilfe der Maschinen wichtige Arbeitsschritte erledigen zu lassen. Für die Entwicklung hin zu autonomer Technologie in nahezu jedem Bereich unseres Lebens können drei treibende Kräfte identifiziert werden: Die Verfügbarkeit ständig steigender Rechenleistung und von Sensortechnologie für die Datenerfassung und -verarbeitung, Fortschritte in der Algorithmenentwicklung für die Analyse von Big Data und die Flexibilität, sowohl Cloud-Systeme als auch Embedded-Geräte für den Einsatz autonomer Technologie zu nutzen.

 

Der feine Unterschied zwischen Automation und autonomer Technologie

 

Autonome Systeme bieten aufgrund ihrer Funktionalität und Anpassungsfähigkeit vielfältige Einsatzmöglichkeiten in der Industrie, in der Forschung und im alltäglichen Leben. Der Einsatz autonomer Technologien in bestehenden Produkten oder Dienstleistungen erhöht den Wettbewerbsvorteil des Herstellers, beispielsweise durch steigende Effizienz, höhere Flexibilität sowie Zeit- und Kosteneinsparungen. Doch was genau sind autonome Systeme und wie unterscheiden sie sich von herkömmlichen Maschinen?

 

Autonome Systeme besitzen die Fähigkeit, selbstständiges Handeln erlernen zu können. Darin ähneln sie stark automatischen Systemen, die in der industriellen Produktion bereits weit verbreitet sind. Der Unterschied liegt in der Fähigkeit, dieses selbstständige Handeln auch unter unbekannten Bedingungen ausführen zu können. Ein automatisierter Roboter ist in der Lage, in einer kontrollierten Umgebung bestimmte Handlungen selbstständig auszuführen. Ein autonomer Roboter kann sich darüber hinaus in unbekannten Umgebungen ohne menschliche Steuerung zurechtfinden und diese erforschen.

 

Wie ein autonomes System entsteht am Beispiel von Agile Justin

 

Entwickler und Forscher am Robotik und Mechatronik Zentrum (RMC) des DLR (Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt) entwickeln Roboter, die ihre Umgebung verstehen und mit dieser interagieren können. Einer dieser Roboter ist Agile Justin, einer der fortschrittlichsten zweiarmigen und mobilen humanoiden Roboter weltweit. Mithilfe von Stereokameras und RGB-D-Sensoren an seinem Kopf, Drehmomentsensoren in allen Gelenken und Tastsensoren auf der Haut seiner Finger kann er seine Umgebung visuell sowie haptisch wahrnehmen. Hochentwickelte humanoide Roboter benötigen Regelungssysteme, die Eingangssignale von verschiedenen Sensoren schnell verarbeiten, kontinuierliche Bewegungsbahnen planen und gleichzeitig die Bewegung von Dutzenden Gelenken steuern. Das Ziel ist es, diese Roboter in einer Arbeitsumgebung einzusetzen, die sie sich mit Menschen teilen. Deshalb gilt als oberste Maxime, dass er Menschen auf keinen Fall gefährden darf. Er muss seine Umwelt mit allen Teilnehmern erkennen und entsprechend reagieren können.

 

Der Roboter bewegt sich mit 53 Freiheitsgraden

 

DLR RMC nutzte Model-Based Design mit MATLAB und Simulink für die Entwicklung fortschrittlicher Regelungssysteme für Agile Justin. So konnte sich der Roboter mit 53 Freiheitsgraden bewegen. Doch diese Bewegungen soll Agile Justin je nach seiner Umgebung selbstständig steuern können.

 

Dazu müssen die Daten, die der humanoide Roboter über seine Sensoren sammelt, kategorisiert und ausgewertet werden. Für diese Aufgabe verwendete das Entwicklungsteam u.a. die Image Processing Toolbox, um zum Beispiel automatische Kalibrieralgorithmen in MATLAB zu erstellen. Dazu waren Handmarkierungen auf den von den Stereo- und RGB-D-Kameras aufgezeichneten Bildern zu identifizieren. Durch immer präzise kalibrierte Sensoren «weiss» Agile Justin stets, wo er sich in seiner Umgebung befindet. Andere Algorithmen helfen bei der automatischen Kategorisierung der aufgenommenen Bilder, um etwa Gegenstände, die er dem Menschen bringen soll, von der Umgebung zu unterscheiden.

 

Mit jeder getroffenen Entscheidung wächst der Erfahrungsschatz

 

Anhand dieser Informationen muss Agile Justin die Welt interpretieren und Entscheidungen treffen, etwa wenn er sich in eine bestimmte Richtung bewegt aber gerade ein Mensch den Weg versperrt. Hier kommen u.a. Machine-Learning-Algorithmen wie etwa Deep-Learning zum Einsatz. Sie helfen dem Roboter dabei, Informationen zu verarbeiten, Entscheidungen zu treffen und aus diesen Entscheidungen zu lernen. Mit jeder getroffenen Entscheidung wächst sein Erfahrungsschatz. Deshalb ist es besonders wichtig, dass intelligente Maschinen unzählige Testläufe durchlaufen und für unterschiedlichste Situationen trainieren.

 

Erst wenn intensive Testphasen durchlaufen wurden, kann ein autonomer Roboter Menschen durch seine Arbeit entlasten. Bis jedoch selbstständig handelnde und lernende Roboter grossflächig eingesetzt werden können, muss erst eine sorgfältig begleitete Einführungsphase durchlaufen werden. Für die Einführung von autonomen Systemen eignet sich vor allem ein inkrementeller Ansatz: Von deterministisch kontrolliertem zu überwachtem bis hin zu automatisiertem Betrieb und schliesslich zu völlig autonomen adaptiven Systemen. Allein aus praktischen und sicherheitsrelevanten Überlegungen ergibt sich diese schrittweise Vorgehensweise, im Zuge derer Entwickler und Anwender lernen, mit den neuen Technologien umzugehen und diese gewinnbringend einzusetzen.

 

Autonome Systeme als Entlastung für den Menschen

 

Noch befinden sich die ersten autonom fahrenden Autos in der Testphase und autonome Roboter sind die Ausnahme, doch andere autonome oder teilautonome Systeme sind bereits erfolgreich im Einsatz. Autonome Technologie erlaubt es uns, Verantwortung für eine Vielzahl von Entscheidungen auf Computer zu übertragen. Das gibt Menschen die Möglichkeit, ihre Zeit für die Dinge zu nutzen, die ihnen wichtig sind. Gut trainierte Computer können konstantere Leistung erbringen als Menschen und so zum Beispiel im Strassenverkehr für mehr Sicherheit sorgen. In anderen Bereichen ist es nicht das Ziel, die Verantwortung komplett an Maschinen zu übertragen. Dennoch können autonome Systeme auch in diesen Bereichen Menschen teilweise entlasten. Diese Zeit können wir nicht nur als Freizeit nutzen, sondern auch, um an neuen Entwicklungen zu forschen oder neue Businessstrategien zu entwickeln. Auch können autonome Systeme Aufgaben übernehmen, die für Menschen zu gefährlich sind und so für mehr Sicherheit in der Herstellung sorgen. 

 

Infoservice

 

Mathworks

Murtenstrasse 143, 3008 Bern

Tel. 031 950 60 20, Fax 031 950 60 22

info@mathworks.ch, www.mathworks.ch