chevron_left
chevron_right

Open Source bei der Strömungsanalyse

Wie muss der Aussenspiegel bei einem neuen Fahrzeugmodell geformt sein, damit er den geringsten Luftwiderstand aufweist? Wie muss die Tragfläche eines Flugzeugs beschaffen sein, damit es möglichst wenig Kerosin verbraucht? Fragen wie diese sind Alltag in den Entwicklungsabteilungen und können mit Hilfe der richtigen CAE-Software beantwortet werden.

 

Bei der Produktentwicklung in der Industrie sind CAE-Verfahren wie Simulation und Strömungsanalyse Standard. In der Automobilindustrie, der Luftfahrt sowie beim Bau von Turbinen und Pumpen spielen Temperatur- und Strömungsanalysen auf Basis numerischer Strömungssimulationen (CFD) eine zentrale Rolle. Hier sind permanente Optimierung und Weiterentwicklung gefragt, wie beim Hochleistungssport: Es geht immer noch höher, schneller und weiter. Sogenannte Stochastik-Jobs variieren parallel eine Vielzahl an Parameter und testen deren Auswirkungen auf das Simulationsergebnis.

Als Alternative zu kommerziellen Applikationen setzen sich dabei verstärkt Open-Source-Lösungen durch. Unternehmen sparen Lizenzkosten, passen die Software einfacher an ihre Anforderungen an und optimieren ihre Produkte. Bei Open-Source-Software sind Quellcode, Algorithmen, Numerik und Modelle frei verfügbar und viele meist unabhängige Programmierer entwickeln sie gemeinsam weiter. Zudem entfallen Lizenzkosten für die Nutzung. Der Grossteil der Open-Source-Pakete für CFD darf in gewerblichen Projekten verwendet werden, sofern Unternehmen den Quellcode freigeben, wenn sie Weiterentwicklungen verkaufen oder neu verteilen wollen.

Open-Source-Software braucht aktive Community – OpenFOAM als Beispiel

Erfolgreiche Open-Source-Beispiele wie Linux, Libre-Office oder GNU-Compiler zeigen, dass eine Community aus weltweit verteilten Entwicklern auch hochkomplexe Systeme erfolgreich entwickeln und pflegen kann. Zudem verschwindet die Abhängigkeit vom proprietären Angebot eines einzigen Unternehmens. Weil sich Open-Source-Software an allgemein anerkannten Standards orientiert, kann der Kunde sicher sein, dass er einen Grossteil der Funktionen auch beim Wechsel des Produkts wiederverwenden kann.

Voraussetzung für den Erfolg von Open Source ist eine starke Unterstützung und Motivation in der Community. Finden sich jedoch nicht genügend Entwickler, die den Code mit der notwendigen Motivation weiterentwickeln, kann das Projekt zu einer Geister­software werden. Wichtige Erfolgsfaktoren sind Businessmodelle für Dienstleistungen oder Zusatzsoftware sowie grosse, stabile Sponsoren, die ein vitales Eigeninteresse an der Weiterentwicklung der Software besitzen. Bei OpenFOAM, dem Paradebeispiel für Open-Source-Software im CAE-Umfeld, treffen alle Erfolgsfaktoren zusammen: Die Weiterentwicklung des Codes und auch der Support laufen schnell und gut, die Entwickler sind sehr engagiert und etwa über WhatsApp oder Internetforen sehr gut vernetzt. Zudem gibt es viele Unternehmen, die weitere Services rund um die Software für Strömungssimulationen anbieten. Die finanziellen Mittel stammen von einem führenden Automobilhersteller, der an der Optimierung von OpenFOAM interessiert ist, weil er damit Zeit und Kosten bei der Produktentwicklung spart.

Flexible Anpassung an Anforderungen

Ein weiterer Vorteil: Unternehmen können den Quellcode und die Compiler-Einstellungen viel freier und einfacher an ihre Anforderungen anpassen und optimieren, als dies bei kommerzieller Software der Fall ist. So führen manchmal geringe Änderungen an den Compiler-Einstellungen zu signifikant höheren Rechengeschwindigkeiten. Darüber hinaus arbeiten die eigen­entwickelten und ergänzten Module oder Funktionen auch nach einem Softwareupdate noch reibungslos, da das Unternehmen die Kontrolle behält – sofern es qualifizierte Open-Source-Experten in seinen Reihen beschäftigt.

Hier liegt die Crux. Ingenieure mit Know-how zum Kompilieren und Ändern von Open-Source-Codes sind nicht einfach zu finden, da Open Source an den Universitäten (noch) nicht im Zentrum der Lehre steht. Unternehmen müssen daher viel in die Expertise ihrer Mitarbeiter investieren und versuchen, diese durch ein attraktives Gehalt und andere Incentives an sich zu binden.

Doch wenn sie Open-Source-Experten beschäftigen, haben Unternehmen mehr Spielraum bei der Entwicklung und können vor allem bei Parameter-Studien oder automatischen Optimierungen Kosten sparen. Hier werden im Rahmen von Finite-Elemente-Modellen verschiedene Parameter wie Werkstoff- oder Geometriedaten variiert und kombiniert, um die ideale Lösung – etwa für die Bauform eines Produkts oder Bauelements – zu finden. Parameter-Studien erfordern die hohe Rechenleistung von HPC-Systemen mit vielen Rechenkernen (Cores). Da viele Anbieter kommerzieller CAE-Software ihre Lizenzkosten nach der Anzahl der Cores berechnen, vermeiden Unternehmen mit Open-Source-Software teilweise Millionen von Euro an Lizenzkosten.

Open-Source-CAE verlangt Wertewandel

Ob ein Unternehmen Open-Source-Software einsetzt, ist eine strategische Entscheidung. Wenn die Firma für ihre IT eine restriktive Windows-Umgebung diktiert, kommt freie Software kaum in Frage. Das grösste Hindernis ist geringe Open-Source-Expertise in der CAE-Abteilung, da es oft an Mitarbeitern mangelt, die über die benötigten Erfahrungen verfügen. Zudem kann nicht jede CAE-Abteilung, die zunächst höheren Personalkosten rechtfertigen, die mit der Beschäftigung der raren, aber begehrten Ingenieure mit Open-Source-Know-how verbunden sind. Mittel- bis langfristig aber werden Unternehmen insbesondere bei CFD-Anwendungen mit Parameter-Studien und Optimierungen vom Open-Source-Ansatz auch finanziell profitieren, indem sie bei den Lizenzkosten gespartes Kapital in ihre Mitarbeiter, spezifische Methoden und Funktionen investieren. 

Infoservice

Transtec Computer AG
Ruchstuckstrasse 25, 8306 Brüttisellen
Tel. 044 818 47 00, Fax 044 818 47 20
transtec.ch@transtec.chwww.transtec.ch