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Interdisziplinär zu mehr Lebensqualität

Rund 80 Teilnehmende trafen sich am 2. Dezember im CSEM in Neuchâtel zum zweiten «Cicor Innovation Insights Symposium». Referenten aus Industrie und Forschung präsentierten neueste Entwicklungen und Erkenntnisse. Nach dem Schlusswort rundeten ein Glas Neuenburger Wein und das Buffet den lehrreichen Nachmittag voller Erkenntnisse und guter Gespräche ab.

 

Aktive Implantate sind technisch aufwendige und risikoreiche Medizinprodukte und darum anspruchsvoll bei der Entwicklung, Produktion und Zulassung. Sie müssen patientensicher sein, zuverlässig über die gesamte Lebensdauer, bioverträglich und mit anderen medizintechnischen Geräten kompatibel, dazu klein, aber auch energieeffizient und sie sollen drahtlos Daten austauschen können.

Experten aus Industrie und Wissenschaft diskutierten am 2. Dezember den aktuellen Stand der Technologien, Herausforderungen in der Entwicklung und Anwendung sowie neuste Trends – auf Einladung der Cicor Gruppe und dem Centre Suisse d’Electronique et de Microtechnique CSEM in Neuchâtel.

Kompakt oder doch lieber langlebig?

Einen Nachmittag lang erhielten die Besucher Informationen zu verschiedenen Aspekten von aktiven Implantaten. Zwei Podiumsgespräche vertieften die Themen. Als Experten beim Thema Material und Technologie beteiligten sich John Donoghue (Direktor des Wyss Center für Bio- und Neuro-Engineering), Konstantin Silberzahn (Research Engineer, Advanced Bionics, Sonova), Martin Schüttler (CTO von CorTec), Volker Sturm (Facharzt für Neurochirurgie, Universitätsklinikum Würzburg), sowie Karl-Heinz Fritz (Technical Manager Microsubstrate Business, Cicor) und Stefan Mohrdiek (Head of Packaging & Optics CSEM). Materialien, Gehäusedesign, Funktionalität und Stromversorgung treiben die Entwicklung von Implantaten an. «Diese Faktoren beeinflussen die Akzeptanz der zu implantierenden Geräte beim Patienten», sagte Fritz. Je kleiner das Implantat, desto besser. Jedoch benötige eine leistungsfähige Batterie viel Platz, müsse dadurch aber seltener aufgeladen oder ausgewechselt werden. Daraus ergibt sich ein Zielkonflikt im Design. Der Moderator des Symposiums, Harry Heinzelmann, CTO des CSEM, wollte wissen, ob Funktionalität oder Zuverlässigkeit stärker gewichtet werde. Es brauche beides, sagte Sturm. Funktionell und zuverlässig, aber auch von kleinstmöglicher Grösse müssen die Implantate sein. Grosse Implantate bergen höhere Infektionsrisiken und erschweren die Narbenheilung.

Neuzulassung kaum zu schaffen

Die amerikanische Food and Drug Administration FDA habe die Hürden hoch gesetzt, um neue Geräte für medizinische Anwendungen zuzulassen, sagt Donoghue, und dass dies beispielsweise die Dominanz von Titanium-Gehäusen erkläre. «Bevor neue Werkstoffe zugelassen werden können, muss klar sein, wie der Körper darauf reagiert, und dass das Material im Körperinnern beständig ist, also nicht etwa korrodiert.» Martin Schüttler sagt dazu, dass eine seriöse Risikobeurteilung für kleine Start-ups zu komplex sei. Gemäss Silberzahn braucht es das Wissen und die Erfahrung grosser Konzerne, um abzuschätzen, ob sich Körper und Implantat nach 30 Jahren noch vertragen. Da diese jedoch ihre eigenen Entwicklungen vorantreiben, sei es fast undenkbar, dass neue Materialien am Markt eine Chance bekommen. Das Podium war sich einig, dass der ganze Zulassungsprozess dann zum Besten genutzt werden könne, wenn sich Personen aus allen Disziplinen – Physiker, Ingenieure, Industriepartner und Universitäten – wie an diesem Symposium treffen, sich austauschen und mit Hilfe von Start-up-Kapitalgebenden projektbezogen arbeiten.

Zukunftsträchtige Hirnstimulation

Wie es mit der elektrischen Stimulation im Hirn weitergehen wird, war eine Frage aus dem Publikum. Etwa Optogenetik, wo Zellen mit Licht gesteuert werden? Sturm sagte, erste Tests seien vielversprechend, aber es werde noch über fünf Jahre dauern, bis solche Verfahren routinemässig eingesetzt werden können. Donoghue merkte an, dass die elektrische Stimulation im Hirn eine Region von 3 bis 4 mm im Durchmesser beeinflusse. Das seien Millionen von Nervenzellen, die ziemlich unspezifisch angeregt werden. Das Ergebnis sei schwer vorherzusehen und brauche viel Erfahrung. Aber in zehn Jahren dürften sich viele Querschnittgelähmte dank dieser Prozedur wieder selbstständiger bewegen.

«Macht uns das nun zu Cyborgs?», fragte Heinzelmann abschliessend. Donoghue gab zurück, wenn bereits ein Herzschrittmacher seinen Träger zum Cyborg mache, seien wir wohl umzingelt. Über dieses Kinofilmthema wurde in der anschliessenden Kaffeepause noch rege diskutiert.

Märkte patentrechtlich absichern oder doch lieber Wissen geheim halten?

Nach der zweiten Serie von Vorträgen ein weiterer Höhepunkt: Das Podiumsgespräch zum Thema Marktpotenzial. Als Experten beteiligten sich diesmal Matthias Krieger (Marketing Manager, CSEM SA), Claude Clément (CTO, Campus Biotech, Wyss Center), Dirk Fengels (Director of Engineering & Manufacturing, Sequana Medical AG) und Jakob Nielsen (Senior Manager, ON Semiconductor).

Er persönlich spreche im Gesundheitsbereich nicht gern von Märkten, sagte Clément, schliesslich gehe es um Krankheiten und Leid. Speziell schwierig sei es beispielsweise in Amerika, ergänzte Nielsen, weil dort praktisch keine öffentlichen Gelder zur Verfügung stehen, wodurch die Dominanz der grossen Firmen gefestigt werde.

«Können Sie uns die Psychologie der Investoren erklären?», fragte dann jemand aus dem Publikum. Fengels sagte, Investoren fordern, dass die Firma den wichtigsten Markt patentrechtlich absichert. Patente seien daher elementar, um substanzielle finanzielle Unterstützung zu erhalten. Vor zehn Jahren habe man zielstrebig weltweite Patente angestrebt, sagte Nielsen. Mittlerweile gehe man gezielter vor. Zentral sei auf jeden Fall die Sicherung des Hauptmarktes. Er ermahnte alle, das Geld in die Entwicklung zu investieren, nicht in die Anwälte.

Clément erzählte von der Strategie, dass man beispielsweise aus der Schweiz heraus die grossen Märkte Deutschland und Frankreich absichert, und den Rest abwartet. Nielsen ergänzte, wer sich darauf fokussiere, die Technologie so weit voranzubringen, dass niemand anders nachziehen könne, sei besser geschützt als bei jedem Patent. Wenn dann eine andere Firma mit einem grosszügigen Übernahmeangebot anklopft, war die Strategie perfekt. Die Details geheim zu halten, sei eine weitere Alternative, erklärte Krieger. Eine Schweizer Firma habe ihr Produkt und ihre Prozesse soweit hinuntergebrochen, dass sie alles auslagern konnte, ausser die ganz delikaten Elemente. Das unkritische Teilsystem könne anschliessend risikolos sogar nach China ausgelagert werden.

Sicherheit bei Personendaten

Heinzelmann brachte das Gespräch zum Schluss noch aufs Thema Internet. Krieger bemerkte, im Körper fallen sehr viele Daten an, die für medizinische Zwecke weiter verwendet werden können oder müssen. Aber ins Internet sollten diese Daten nicht automatisch gelangen, sagte Clément. Ausser der Arzt müsste diese aus der Ferne auswerten. Die Menschen haben grosse Bedenken bezüglich Datenschutz und Sicherheit, und Hacker flössen jedermann zu Recht Furcht ein. Insgesamt solle das Internet also genutzt werden, aber nicht zum Selbstzweck, denn im Mittelpunkt stehe und bleibe die Behandlung der Kranken. 

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