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Durchgängiger Datenfluss von der Planung bis zum Betrieb

Die Auszeichnungen «made in Germany» und «Swiss made» gelten noch immer als Garant für hohe Qualität und bieten Wettbewerbsvorteile. Aber Deutschland und die Schweiz sind Hochlohnländer, daher müssen Hersteller auch die Effizienzschraube steigern, um international vorne dabei zu sein. Automatisierung spielt eine grosse Rolle, aber auch Standardisierung und Normierung können Schlüssel zum Erfolg sein.

 

Normen, Richtlinien und Arbeitsempfehlungen nützen dann, wenn man sie konsequent in die Praxis umsetzt und sie mehr als schöne Theorie sind. Dabei sind besonders die Hersteller von Planungssystemen und Komponenten für die Prozessindustrie in der Pflicht, aber auch deren Anwender. Denn sobald diese die Umsetzung in die Praxis konsequent fordern, ergibt sich eine gute Dynamik.

Schon die Gründerväter der Interessengemeinschaft Automatisierungstechnik der Prozessindustrie sahen eine wesentliche Aufgabe des internationalen Verbandes in der Standardisierung von Schnittstellen. Die IG trägt den Namen «Namur», eine Abkürzung der früheren Bezeichnung «Normenarbeitsgemeinschaft für Mess- und Regeltechnik in der chemischen Industrie». Ein konkretes Beispiel aus den Anfängen ist zum Beispiel das Einheits-Stromsignal nach DIN IEC 60381-1 mit 4 bis 20 mA. Im Zeitalter von Industrie 4.0 muss Standardisierung von Schnittstellen jedoch deutlich breiter betrachtet werden.

Anlagenplanung erfolgt in einem Kreislauf statt Schritt für Schritt

Wer eine neue Anlage oder einen neuen Anlagenteil baut, erlebt Planung und Realisierung immer konkreter entlang der Kette Vorplanung, Basisplanung, Ausführungsplanung und Inbetriebnahme. Um die Time-to-Market zu verkürzen, finden diese Schritte aber oft nicht seriell nacheinander, sondern parallel zueinander statt. Sprich die Ausführungsplanung startet bereits, auch wenn die Basisplanung noch nicht abgeschlossen ist. Die Kommunikation an den entsprechenden Schnittstellen wird daher immer wichtiger. Gleichzeitig sind Vorplanung, Basisplanung, Ausführungsplanung und Inbetriebnahme nicht als linearer Prozess zu sehen, der irgendwann abgeschlossen ist. Solange eine Anlage in der Prozessindustrie in Betrieb ist, entwickelt man sie permanent weiter – sei es, um die Produktqualität zu erhöhen, Prozesse effizienter zu gestalten oder auf dem aktuellen Stand der Technik zu bleiben.

Der Prozess von Vorplanung bis Inbetriebnahme wiederholt sich mehrmals. Eine Standardisierung ist zwingend, um an den Schnittstellen zwischen der Planung von Verfahrenstechnik (VT), Prozessleittechnik (PLT), Prozessleitsystemen (PLS) und Rohrleitung und Instrumenten (R&I) möglichst alle Reibungsverluste beim Informationsaustausch zu vermeiden. Damit ist Standardisierung heute vielleicht ein noch wichtigeres Thema als zu Gründerzeiten der Namur.

Der Verband gibt drei wichtige Empfehlungen für die Anlagenplanung

Im Wesentlichen schaffen drei Namur-Empfehlungen (NE) die Voraussetzungen, dass Anlagenbetreiber während des kompletten Prozesses der Anlagenplanung herstellerunabhängig das für den jeweiligen Anwendungsfall ideal geeignete Entwicklungstool bzw. die jeweils am besten passenden Komponenten oder Steuerungslösung wählen können: die NE159, NE100 (mit IE61987 und eCl@ss) sowie die NE150. DEXPI (Data Exchange in the Process Industry) ergänzt diese Empfehlungen.

Die Anlagenentwicklung beginnt im ersten Schritt mit der R&I-Planung. Man plant Rohrleitungen und Instrumente und spezifiziert diese im nächsten Schritt, nämlich der verfahrenstechnischen Planung, im Detail. DEXPI soll als standardisierte Schnittstelle einen fehleranfälligen Datenaustausch vermeiden. Die derzeit noch in Entwicklung befindliche NE159 kann dann im Wesentlichen an der Schnittstelle zwischen VT-Planung- und PLT-Planung ihre Stärken ausspielen. Ziel der Empfehlung ist es, Anforderungen an eine praxistaugliche, herstellerunabhängige und teilautomatisierte Schnittstelle für den bidirektionalen Datenaustausch zwischen Engineering-Systemen für die VT- und für die PLT-Planung zu formulieren.

Die NE100 ist ein auf Merkmalen basierender, internationaler Standard zur Beschreibung von PLT-Geräten. Sie beschreibt die wechselseitige und automatisierte Datenübergabe zwischen den Systemen des Betreibers und des Lieferanten. Sie kommt an der Schnittstelle zwischen Ausführungsplanung und Inbetriebnahme zum Einsatz, also bei der Geräteplanung und Beschaffung. Mit ihr lassen sich bereits in der Angebotsphase einzelne Komponenten technisch besser vergleichen. Die Optimierung der Datenintegration von der Planung über die Beschaffung bis hin zur Instandhaltung für erhöhte Effizienz ist ein weiteres Argument, das für den Praxiseinsatz der NE100 spricht. Unter anderem erhöht sich natürlich auch hier dank der Standardisierung die Datenqualität. Die NE150 schliesslich ist eine standardisierte Schnittstelle zum Austausch von Engineering-Daten zwischen CAE-System und PLS-Engineering-Tools.

PLT-Planung, der Dreh- und Angelpunkt

Betrachtet man den Planungs- bzw. Engineeringprozess und die Schnittstellen zwischen den einzelnen Engineering-Bereichen genau, sieht man schnell, dass die PLT-Planung der Dreh- und Angelpunkt im gesamten Prozess ist. Daher überrascht es wenig, dass beim PLT-CAE-System ProDOK der Karlsruher Automatisierungsexperten Rösberg alle der zuvor beschriebenen Namur-Empfehlungen implementiert sind. Ralph Rösberg, Geschäftsführer der Rösberg Engineering GmbH, erläutert die Philosophie: «Wenn ein Hochlohnland wie Deutschland im internationalen Markt wettbewerbsfähig bleiben will, sind Effizienz und hohe Qualität wichtig. Beides erreicht man aus unserer Sicht nur durch Standardisierung und ein PLT-CAE-System, das diese Standards in die Praxis umsetzt. Anwender können dann aus dem breiten Angebot am Markt das Beste für ihre Anlage wählen, sei es bei den Engineeringtools oder den in der Anlage verbauten Komponenten.»

Aus diesem Grund engagieren sich die Automatisierungsexperten in verschiedenen Standardisierungs-Gremien. Allein bei der Namur sind sie in vier Arbeitskreisen aktiv, dazu kommt die Mitarbeit bei DKE K941 (Cause & Effect Diagramm) und VDI/GMA FA6.16 (Integriertes Engineering in der Prozessleittechnik).

Anwender sind in der Pflicht

In der industriellen Anwendung zeigt sich der Vorteil von Standardisierung zum Beispiel bei einem aktuellen Trend der Branche: Um eine schnellere Time-to-Market zu erreichen, finden bisher serielle Prozessschritte im Engineering parallel statt, zudem setzt man vermehrt auch auf Modularisierung. Der Gedanke dabei ist es, gesamte Anlagenmodule zuzukaufen, anstatt sie selbst zu entwickeln. Aber auch in diesem Fall ist eine gute und vor allem durchgängige Dokumentation aller Anlagenteile notwendig. Nur so kann ein reibungsloses Zusammenspiel funktionieren, ohne dass z.B. für jedes zugekaufte Modul die Anschlüsse und Protokolle für das Bedienen und Beobachten nochmals entwickelt werden müssen.

Damit gute und praxistaugliche Namur-Empfehlungen in der Realität aber zum Einsatz kommen, stehen auch die Anwender in der Pflicht. Sie profitieren letzten Endes von der Standardisierung, weil sie die freie Wahl aus den am Markt verfügbaren Komponenten haben und herstellerunabhängig sind. Für sie bringt die einfache Vergleichbarkeit einzelner Produkte einen ebenso grossen Nutzen wie die erhöhte Anlagenqualität dank durchgängigem Datenfluss vom ersten Planungsschritt bis zum Anlagenbetrieb sowie die verbesserte Effizienz. Allerdings: Die Umsetzung der Standards ist für Hersteller von Engineering-Tools und Komponenten teils mit hohem Aufwand verbunden. Erst wenn die Anwender konsequent eine Umsetzung fordern, wird diese auch flächendeckend Realität werden. 

Infoservice

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