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XTS ist bedeutender Innovationsfaktor

Das eXtended Transport System (XTS) hat seit seiner Vorstellung 2012 schon in zahlreichen neuen Maschinengenerationen Einzug gehalten. Dabei hat es in vielfältigster Form – von einfach bis hoch komplex – die Entwicklung innovativer Maschinenkonzepte unterstützt. Die Einsatzvarianten speziell in grossen Applikationen verdeutlicht eine grosse Multi-XTS-Anwendung.

 

Die 4 × 6 m grosse Multi-XTS-Anwendung, mit der sich z. B. unterschiedliche Getränkedosen transportieren und sortieren lassen, besteht aus fünf XTS-Systemen mit 26 m Wegstrecke und 100 Movern. Dabei bewegen sich auf dem äusseren, 17 m langen XTS, 72 innen laufende Mover. Hinzu kommen zwei 4 m lange, erhöhte Systeme mit jeweils bis zu zwölf aussen laufenden Movern sowie zwei Aushub­stationen, bestehend aus je zwei senkrechten 25-cm-XTS-Modulen mit jeweils einem der neuen 70-mm-Mover für erhöhte Nutzlast.

Die Komplexität steckt im Detail

In diesem komplexen Gesamtsystem wird die hohe Flexibilität der softwarebasierten Bewegungssteuerung deutlich: Jeder Mover lässt sich – als eigene Servoachse – individuell steuern, bei Bedarf aber auch auf andere Mover bzw. Prozessabläufe aufsynchronisieren. Dabei kann sich die Dynamik als Eigenschaft des einzelnen Movers jederzeit und «on the fly» gemäss der jeweiligen Anforderung ändern. In der Beispielapplikation bedeutet dies, dass ein Mover die kleineren, weissen Getränkedosen gegenüber den grösseren, roten Dosen schneller transportiert und sich ohne Dose nochmals deutlich dynamischer bewegt.

Realisiert sind mehrere Bearbeitungs- und Staustationen. So werden die Dosen beispielsweise über eine Hubvorrichtung an die beiden erhöhten XTS-Systeme übergeben. Diese besteht aus zwei, mit einer aus Zahnrad und Zahnstange bestehenden Mechanik verbundenen Movern. Für die Hubbewegung müssen der ankommende Mover des unteren und der erste der beiden gekoppelten Mover des oberen Systems aufeinander aufsynchronisiert werden. Anschliessend bewegt sich der zweite obere Mover relativ zum ersten, um über die Zahnradmechanik die Dose vom unteren Mover zu übernehmen. Auf diese Weise lassen sich die Dosen entsprechend des gewünschten Sortiervorgangs zwischenpuffern und anschliessend wieder an einen Mover des unteren Systems abgeben.

Ruckfreier Transport der Dosen

Über das Abfahren zweier Kurvenscheiben wird erreicht, dass bei der Kurvenfahrt der beiden gekoppelten Mover keine zusätzliche Hubbewegung erzeugt und die Dose somit ruckfrei transportiert wird. Der relative Abstand der Mover zueinander bleibt also auch bei der Einfahrt in bzw. der Ausfahrt aus der Kurve immer konstant. Zwischen den beiden entsprechenden Kurvenscheiben «Dose oben» und «Dose unten» kann in der Steuerungssoftware per Parametrierung umgeschaltet werden, sodass sich die komplexe Hubfunktion auf sehr einfache und äusserst flexible Weise realisieren lässt.

Vorgefertigte Funktionsbausteine vereinfachen die Umsetzung

Die Software TwinCAT unterstützt das einfache Handling der gewünschten Bewegungen optimal. Die einzelnen Mover werden als «normale» Servoachsen abgebildet, mit allen gewohnten Motion-Control-Funktionen wie fliegende Säge, elektronisches Getriebe und Kurvenscheibe. Funktionserweiterungen in TwinCAT übernehmen typische XTS-Anforderungen, wie automatisches Aufstauen, Kollisionsvermeidung, Ruckvermeidung und Fliehkraftbegrenzung.

In der XTS-Motion-Control-Toolbox sind zudem komplexe Kinematiken aus zwei oder mehreren Movern integriert. Der Anwender kann damit beispielsweise einen Verbund aus mehreren Movern als 2D- (X/Y-Tisch) oder 3D-Achse definieren. Die Software übernimmt dann die Ansteuerung der Mover-Gruppe nach der ausgewählten Kinematik. Zusätzlich gibt es eine Schnittstelle, über die sich die Kinematik direkt mit CNC-Befehlen (G-Code) ansteuern lässt. Weiterhin erlaubt ein integriertes Condition Monitoring die Onlineüberwachung der Mover im laufenden Produktionsbetrieb. Somit lassen sich Wartungseinsätze optimal planen und Maschinenstillstandszeiten auf ein Minimum reduzieren.

Stauzonen werden an der gewünschten Anlagenstelle via Software definiert

Die vorgefertigten Funktionsbausteine erleichtern eine stationsorientierte Umsetzung der Transport- und Handling-Aufgaben. So müssen die Dosen vor den zeitintensiveren Bearbeitungsstationen, wie den Hubstationen, aufgestaut werden. Erreichen lässt sich dies durch einfache Parametrierung, indem per Software entsprechende Stauzonen an der gewünschten Anlagenstelle definiert werden. Übergeordnet werden die einzelnen Mover dann lediglich von einer Station zur anderen geschickt, unabhängig davon, ob diese als Transport-, Warte- oder Bearbeitungsstation parametriert sind. So nutzt eine Wartestation die von TwinCAT zur Verfügung gestellte Kollisionsvermeidung, damit sich alle Mover automatisch hinter dem Erstplatzierten aufstauen. Fährt der erste Mover weiter, rückt einfach der Zweitplatzierte an seine Stelle. Ähnlich einfach lassen sich auch Synchronfahrten realisieren. In diesem Fall ist im entsprechenden Baustein parametriert, bis zu welcher Station der Mover sich mit dem nächsten vorbeifahrenden Mover synchron bewegen soll.

Multi- und Many-Core-Technologie erschliessen Leistungspotenziale

Gesteuert wird die Multi-XTS-Anwendung von einem Schaltschrank-PC C6930, ausgestattet mit dem Quadcore-Prozessor Intel CoreTM i7. Dabei ist einer der Prozessorkerne für das Windows-Betriebssystem zuständig, während die drei anderen Kerne über die TwinCAT-Funktion Core-Isolation für die Steuerungsfunktionen reserviert bleiben. Einer dieser Kerne ist für die NC-Achssteuerung zuständig, die beiden anderen berechnen die jeweiligen XTS-Wegstrecken. Aufgrund der Parallelisierung erhöht sich die verfügbare Rechenleistung deutlich gegenüber der sequenziellen Abarbeitung durch eine Ein-Kern-CPU, sodass sich eine solche Multi-XTS-Anwendung äusserst effizient realisieren lässt.

Weiteres Steigerungspotenzial bietet der Einsatz des Industrieservers C6670, der über bis zu 36 Prozessorkerne verfügt. Mit dieser Many-Core-Technologie steht nochmals erheblich mehr Rechenleistung bereit, um zusätzliche Funktionen in die Multi-XTS-Anwendung zu integrieren. Paradebeispiel ist das rechenintensive Condition Monitoring, mit dem sich sehr frühzeitig die etwaige Abnutzung an einer Mover-Rolle oder eine Verschmutzung der Führungsschiene erkennen lässt. Hierzu muss der Rechner sehr viele Daten erfassen und kontinuierlich auf bestimmte Schwellwerte oder Schwingungsfrequenzen hin analysieren. Um dies nicht nur an bestimmten Stellen der Multi-XTS-Anwendung, sondern für die ganze Wegstrecke und kontinuierlich für alle Mover realisieren zu können, ist die immense Rechenleistung des C6670 erforderlich.

Die Multi-XTS-Anwendung als Industrie-4.0-Demonstrator

Auf der Hannover Messe 2016 zeigten SAP, Beckhoff und weitere Partner basierend auf Multi-XTS die enge Verzahnung von Fertigungsprozessen mit betriebswirtschaftlichen Abläufen. Dabei transportierte und positionierte XTS die zu bearbeitenden Produkte individuell und hochdynamisch zu den Fertigungsstationen. Die SAP-Software kommunizierte über standardisierte Dienste mit XTS, wobei die Software TwinCAT als «Auftragssprachen»-Interface das Bindeglied zwischen der Maschine und SAP darstellte. Die Auftragskommunikation basierte auf der serviceorientierten Architektur (SOA), die mit OPC UA realisiert wurde. Ein Video gibt es unter www.beckhoff.ch/XTS. Der Herstellungsprozess wird nicht mehr maschinenlastig, sondern aus Sicht des zu fertigenden Produkts gesehen und auch so programmiert. So kann man mit Massenfertigungsmethoden ein individuelles Produkt in Losgrösse 1 produzieren, verwaltet vom übergeordneten ERP-System. 

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sps/ipc/drives 2016:Halle 7, Stand 406