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Silicon Valley: Oft kopiert, nie erreicht

Im Mai 2017 führt die FAEL zum ersten Mal eine Studienreise ins Silicon Valley durch. 25 Reiseteilnehmer werden unter fachkundiger Führung Firmen und Institutionen besuchen, um zu erfahren, was es mit dem Erfolg des Silicon Valleys auf sich hat. Das Interesse innerhalb Swiss Engineering war so gross, dass wir bereits eine Warteliste führen müssen. Wir erwägen deshalb eine zweite Durchführung im Jahr 2018.

 

In den 1950er-Jahren setzte im Landstreifen zwischen San Francisco und San Jose eine durch die Stanford University befeuerte Gründungswelle von Elektronik- und IT-Technologiefirmen ein. Absolventen der Eliteuniversitäten Stanford in Palo Alto, University of California in Berkeley oder dem California Institute of Technology (Caltech) in Pasadena fanden ideale Bedingungen vor, um ihre Firmen zu gründen. Man versuchte, neue Elektronik- und Informatiktechnologien in umsatzstarke Produkte zu überführen und die Basis für Wachstum und Prosperität zu schaffen.

Warum im Silicon Valley und nicht wo anders?

Das wohl berühmteste Beispiel ist die Firmengründung von Hewlett-Packard durch Bill Hewlett und Dave Packard, die mit einfachsten Mitteln in einer Garage ihr erstes Produkt entwickelten: Einen neuartigen, elektronischen Generator zur Filmvertonung für die Disney Company. Aus diesem ersten Produkt entstand im Laufe der Zeit ein Weltkonzern, der acht IT-Firmen absorbierte und von dem selbst mehrfach Firmen abgetrennt wurden (Analytik, Messtechnik, Drucker). Viele grosse Unternehmen wurden tatsächlich in einer Garage oder in einem Wohnzimmer gegründet.

Die Gründerszene profitiert im Silicon Valley von der Verfügbarkeit der besten Talente auf überschaubarem Raum. Noch heute werden fast alle bahnbrechenden IT-Konzepte in diesem Tal entwickelt, das eigentlich gar keines ist. Das Silicon Valley, auch als Bay Area bezeichnet, ist genau genommen eine lang gezogene Bucht an einem Seitenarm des Pazifischen Ozeans. Im Umkreis von 50 Meilen werden auch heute noch alle relevanten IT-Betriebssysteme entwickelt. Die neuesten Chiptechnologien kommen ebenfalls immer noch aus dem Valley, denn dort befinden sich die meisten Spezialisten in diesen Fachgebieten. Man kennt sich, und es existiert ein enormer Wettbewerb um die fähigsten Köpfe. Viele träumen vom Durchbruch, von Anerkennung und Wohlstand durch Börsengänge oder Firmenverkäufe. Im Laufe der Zeit ist ein ganzes Netzwerk von Venture-Capital-Firmen, «Business Angels», Immobilieninvestoren und -betreibern sowie Rechts- und Patentanwälten entstanden. Firmen wie Intel, Apple, Oracle oder Google generieren ihrerseits wieder fähige Mitarbeiter, die selbst den Weg ins Unternehmertum suchen und finden. In Anlehnung an den Erfolg des Silicon Valleys kreierte man vielerorts sogenannte «Valleys».

In der Schweiz spricht man vom Silicon Valley am Neuenburger See oder vom Biotechnologie-Valley im Zürcher Limmattal. Sowie in Südfrankreich vom Silicon Valley in Sophia Antipolis usw. All diesen Versuchen gemeinsam ist, dass der Wunsch der Vater des Gedankens ist. Diese Cluster sind zu klein und verfügen nicht über die Voraussetzungen, wie wir sie in den USA vorfinden.

The Freedom of Success – aber auch Fehlschläge werden verkraftet

Neben dem Streben nach Erfolg, liegt ein wesentlicher Unterschied zu den Verhältnissen bei uns in Europa darin, dass es eben auch Fehlschläge zu verkraften gibt. Fehlschläge, die mit der Bereitschaft zum Risiko unteilbar verbunden sind und nicht zur Abstrafung der Betroffenen führen. Eine neue Chance zu ergreifen ist möglich, und man wird nicht durch Fehlschläge als Versager abgestempelt. Am Beispiel des untergegangenen Computergrafikpioniers Silicon Graphics ist gut sichtbar, dass viele ehemalige Führungskräfte heute wieder in ähnlichen Positionen Verantwortung tragen. Selbst Professor Jim Clark, Gründer von Silicon Graphics, hat mit Time Warner Interactive Schiffbruch erlitten, bevor ihm der ganz grosse Durchbruch mit Netscape gelungen ist.

Die Suche nach dem Businessmodell – der Erfolg kommt selten über Nacht

Die Topuniversitäten und weitere führende Forschungseinrichtungen – wie etwa das Livermore Lab – bewirken eine enorme Konzentration von Wissen und Können. In diesem Umfeld entstehen Ideen für neue Technologien, die mit viel Mut und Unternehmergeist auch umgesetzt werden. Jedoch gelingt nur wenigen der wirklich grosse Durchbruch, aber viele träumen davon und arbeiten daran. Nicht nur der grosse Durchbruch zählt, sondern auch die Entwicklung einer neuen Technologie, die später von einem grösseren Unternehmen akquiriert wird und so weltweite Verbreitung finden kann.

Cisco hat dies im Netzwerksektor äusserst erfolgreich umgesetzt: Viele kleinere Start-up-Unternehmen mit interessanter Technologie wurden akquiriert und ins Unternehmen integriert. Am Beispiel von Google erkennt man, dass eine Technologie oft unter ganz anderem Kontext Verbreitung und Erfolg findet, als das die Gründer geplant hatten: Die Gründer von Google haben an der Stanford University mit einem kleinen Team einen neuartigen Suchmaschinenalgorithmus entwickelt und wollten diese Software an Suchmaschinenbetreiber verkaufen. Zu der Zeit waren Altavista, Yahoo und weitere Suchportale am Markt omnipräsent.

Dieser Markt war aber zu schwierig und zu klein, um die Firma über Wasser zu halten. Mit der Zeit hat sich gezeigt, dass man mit der Verbindung von Werbung und guten Suchresultaten sehr viel mehr Geld verdienen kann. Durch kluges Vorgehen wurde das einzigartige Businessmodell von Google im Laufe von zwanzig Jahren zur Blüte gebracht. Auch im Silicon Valley kommt der Erfolg selten über Nacht. Es bedarf an Können, Durchhaltewillen und dem Erkennen von Marktchancen.

Führungskräfte – Ingenieure – Arbeiter: grössere Unterschiede als bei uns

Zwischen den Führungskräften und den sogenannten «Nine-to-Five-Workern», den ausführenden Arbeitskräften in der Produktion, gibt es grössere Unterschiede als bei uns in der Schweiz. Vor neun Uhr ist der Firmenparkplatz meist noch leer und nach fünf Uhr am Nachmittag auch. Auf der anderen Seite packt am Quartalsende auch der Finanzchef oder der Marketingleiter eines Start-ups in der Produktion mit an, falls es die Situation erfordert. Es ist also alles dynamischer und kompetitiver als bei uns. Das ist auch gut im Arbeitsrecht erkennbar: Auch nach zehn Jahren Betriebszugehörigkeit kann von beiden Seiten auf ein Wochenende hin gekündigt werden!

Die ständige Suche neuer Start-up-Firmen nach den besten Talenten führt zu einem ausgesprochenen Arbeitnehmerarbeitsmarkt. Der fähige und einsatzwillige Ingenieur – und nur der – findet einen äusserst attraktiven Arbeitsmarkt vor. Die Differenzierung zwischen ausführenden Mitarbeitern und Führungskräften zeigt sich im Gehalt. Sobald man die Stufe Teamleiter, zum Beispiel in der Produktentwicklung, erklommen hat, ist das Gehalt bereits wesentlich höher als für eine vergleichbare Funktion bei uns in der Schweiz. Für einen erfolgreichen Manager auch weit unterhalb der Stufe CEO gibt es aus finanziellen Gründen keine Motivation in die Schweiz zurückzukehren. Selbst die zum Teil fast astronomischen Immobilienpreise sind kein Grund, das Valley zu verlassen.

The American Way of Life – neben der Arbeit findet man auch einen Ausgleich

Natürlich sind auch in Kalifornien die negativen Folgen der Zivilisation spürbar: Chronisch überlastete Strassen, klamme Staatshaushalte, die mit der Infrastrukturerweiterung kaum nachkommen, die zukünftige Frage der Wasserknappheit usw. stellen die Behörden vor grosse Herausforderungen. Wenn aber eine mehrspurige Autobahn gebaut werden muss, dauert es nicht eine Generation lang, bis sich alle darauf geeinigt haben.

Trotz der enormen wirtschaftlichen Tätigkeit in der Bay Area bleibt noch genügend Natur übrig, um mit der Familie am Wochenende einen Ausgleich zu finden. Das Meer, das hervorragende Klima, die kalifornische Sonne und die vielen Nationalparks bieten unzählige Gelegenheiten, sich an der Gegend zu erfreuen. Und nicht zuletzt: Der eigene Nachwuchs findet die besten Ausbildungschancen vor, um sein eigenes Glück zu suchen, zu finden und zu realisieren. 

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