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Im Nirwana der Qualität

Eine One-Fits-All-Lösung für qualitative Bondings existiert nicht. Was Kunden und Dienstleister erwarten können bzw. was nicht und wo die wirtschaftlichen Stellschrauben sind, zeigen Erkenntnisse aus der Praxis und aus zerstörungsfreien Analysen. Der Kleber und das zugehörige Anwendungsverfahren bestimmen die Qualität. Im Sinne des Reverse Engineerings wird deutlich, wo es klemmt und wie es richtig geht.

 

Höher als die Nachfrage nach Optical Bonding ist derzeit eigentlich nur der Wunsch nach einer Allzwecklösung für das transparente Laminieren. Wie so oft wünschen sich Kunden und Auftraggeber einen Dienstleister, der am besten jedes Material mit jeder Form verbonden kann. Zweidimensional, dreidimensional – egal. Die Qualität lässt allerdings oft zu wünschen übrig.

Die schlechte Nachricht vorne weg: Obwohl es keine echten Kriterien beziehungsweise Vorgaben für Optical Bondings gibt, kann sich nicht jeder als Laminierdienstleister ausprobieren und «einfach mal machen». Denn: Meist definieren Anfänger die beteiligten und benötigten Prozesse und die relevanten Schritte falsch. Bonder – oder die, die es werden wollen – scheitern allzu oft an der Qualität oder Funktionalität ihres Erzeugnisses. Grob gesagt genügt es eben nicht, auf Material A einen Kleber B aufzutragen und dann mit Material C irgendwie zu verbinden. Die jeweiligen Vor- und Nachteile chemischer oder physikalischer Bindungen müssen von Fall für Fall berücksichtigt werden. Darüber hinaus gibt es zahlreiche andere Qualitätshindernisse, denen man kaum oder zu spät Beachtung schenkt.

Am physikalischen Verständnis arbeiten

Häufig fehlt es in erster Linie an grundlegendem physikalischem Verständnis. Das zeigt sich bereits einen Schritt vor dem Bonding selbst, beim Vorrichtungsbau. Bonder sollten mechanisch gewährleisten, dass die Teile in der Position zueinander bleiben, in der sie verklebt werden sollen. Die Toleranzen sind minimal. Hinzu kommt, dass für ein optisch sauberes Bonding auch tatsächlich sauber gearbeitet werden muss. Es klingt trivialer als es ist, denn die zu verklebenden Teile dürfen in der Bonding-Vorrichtung schlichtweg nicht mit Kleber verschmiert werden. Ansonsten kontaminiert bereits der erste Laminierprozess die ganze Apparatur. Eine Zwischenreinigung kostet Zeit und Geld. Besonders letzteres entscheidet jedoch zu oft über die Qualität des Ergebnisses. Nicht zwingend nur deswegen, weil Qualität vermeintlich alleine von den Kosten für Material, respektive vom Kleber abhängt. Eher, weil falsche Entscheidungen getroffen werden, wenn das Verständnis über beteiligte (physikalische) Prozesse für das tatsächliche Bonding fehlt. Unbeteiligte oder Unwissende sollten nicht vorgeben, welches Material verwendet wird, da beispielsweise der Einkauf besondere Konditionen für einen speziellen Flüssigkleber ausgehandelt hat.

Gelingt ein sauberes Bonden, folgt nicht selten der nächste Fehler: Schmutz. Neben Dreck zwischen den verklebten Materialien, kleckert Kleber, der an Bonding-Rändern herausgepresst und nicht oder nicht fachmännisch gesäubert wird. Für manche, ohnehin nicht auf Dauer ausgelegte modeabhängige Devices mag gelten, dass solch eine Verunreinigung keine Rolle spielt. Alle anderen Bonds müssen folgenden Fragen standhalten: Kann man Klebereste nachträglich durch Reinigungsmittel chemisch oder mechanisch überhaupt entfernen? Was passiert mit dem Kleber? Lässt seine Klebewirkung durch das Putzmittel nach oder wird sie gar noch stärker, womit künftig an der Fuge erst recht Schmutz kleben bleibt? Die wichtigste Frage von allen ist jedoch: Ist ein flüssiger Kleber überhaupt die richtige Variante?

2D oder 3D, chemisch oder physi­kalisch – jede Anwendung ist anders

Flüssiger Kleber, sogenannte Optical Clear Resin (OCR), setzt man häufig bei nicht ganz ebenen Flächen oder ungleichen Abständen ein. Sie verteilen sich gleichmässig zwischen den zu verbondenden Materialien und verkleben relativ einfach und schnell, meist mittels UV-Licht, Feuchtigkeit oder Hitze. OCR bieten sich daher besonders bei vielen Unwägbarkeiten an. Jedoch muss der Bonder mit einer anschliessenden Reinigung rechnen. Das treibt die Kosten, erstens infolge von Zeitaufwand und Reinigungsmittel, zweitens auch für Schutzmassnahmen zu den oft gesundheitsschädlichen Klebern und Reinigern. Hinzu kommt, dass die Stärke der OCR in manchen Fällen auch eine grosse Schwäche ist: Im dreidimensionalen Raum, zum Beispiel beim Laminieren einer gebogenen Form, läuft der Kleber aus der vorgegebenen Position.

Eine Alternative bietet das Optical Clear Adhesive (OCA). Diese einfach anklebenden Folien finden beispielsweise bei Sicherheitsscheiben Verwendung. Mit Ausnahmen handelt es sich dabei um keine chemische, sondern eine physikalische Verklebung. So ist es eher möglich, den Kleberverbund zu lösen. Das bedeutet jedoch gleichzeitig, dass die Adhäsionskräfte geringer sind und Oberflächen wie beispielsweise Glas, die auf Mikroebene rau sind, nicht zwingend 100-prozentig vollflächig benetzt werden. Damit steigt die Wahrscheinlichkeit der Delamination bei Stress wie Scherkräften, wie beispielsweise Temperaturunterschiede sie erzwingen. Denn OCA besitzen ebenfalls einen eigenen Ausdehnungskoeffizienten. Zwar kann die Klebefolie zwischen 50 und 180 Mikrometer dick sein – jedoch reicht das nicht, um grosse Unterschiede in den Ausdehnungskoeffizienten zu kompensieren. Wenn man daher zwei unterschiedliche Materialien verklebt, können OCA die mechanische Deformation nur schlecht ausgleichen. Schliesslich entsteht bei Klebefolien im Einsatz bei dreidimensionalen Körpern ein Übermaterial wie zum Beispiel Falten, das kosmetisch sichtbar ist, Toleranzen vergrössert und andere Funktionen behindert.

Der Mittelweg – ein Hybrid aus OCR und OCA – ist leider auch nicht golden

Eine Art Hybrid aus OCR und OCA bietet das Precured. Es liegt als klebende Masse in Folienform vor und ist völlig flexibel. Precured kann auf alle Strukturen aufgebracht werden und eignet sich als einzige Variante somit auch recht einfach für 3D-Körper. Durch seine vordefinierte Materialstärke werden die Klebefugen bei jedem Material und jeder Geometrie gleich dick. Da keine Reste an den Seiten austreten, ist keine Reinigung notwendig.

Arbeit im Reinraum reicht nicht aus

Einen zusätzlichen Vorteil für das Re-Working bieten die Zwitterverbindungen zwischen chemischem und physikalischem Kleber, die Bindung mittels Van-der-Vaals-Brücken: Verbundene Teile können in einem relativ einfachen Prozess wieder rückstandslos getrennt werden. Das Precured-Material kann nach einer Trennung allerdings nicht mehr verwendet werden. Allgemein ist der Prozess jedoch nicht weit verbreitet. Denn die Handhabung unterscheidet sich gänzlich im Vergleich zu OCR und OCA. Jeder Partikel bleibt am Precured kleben und sofern er nicht transparent ist beziehungsweise einen anderen Brechungsindex hat, wird er sichtbar. Diese Verunreinigungen können zudem entsprechend der Eigenschaften des Precured nicht entfernt werden. Analog kann es ebenfalls nicht gesäubert werden. Die Arbeit im Reinraum allein reicht hierbei nicht aus. Um Schwebestoffe beispielsweise durch statische Aufladung auszuschliessen, muss der gesamte Klebeprozess im Vakuum abgewickelt werden. Daraus folgt ein höherer Aufwand und mehr Apparatewissen, da der Operator nicht im Vakuum arbeiten kann, sondern eine Maschine bedienen muss. Da hier keine Reinigung anfällt und Fehlversuche relativ kostenneutral heilbar sind, bietet sich dieses Verfahren häufig auch schon unter reiner Kostenbetrachtung an.

Am Ende bleibt daher die Frage: Welches Material muss für welches Endprodukt wie verklebt werden? Diese Überlegung sollte Material, Form, Einsatzgebiet, -temperatur und -dauer sowie die geplanten Ausgaben beinhalten. Erst dann kann ein zielgerichtetes, qualitatives Bonding gefunden werden. Andersherum funktioniert es nicht. 

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