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Die Zukunft hat bereits begonnen

Cyber-Physical-Systems – allein schon bei diesem Begriff gehen die Gedanken in Richtung Science Fiction à la Terminator & Co. Tatsächlich ist dieses Schlagwort aus den USA in kürzester Zeit zum allgegenwärtigen Begriff im Bereich Zukunftstechnologien und Industrie 4.0 geworden. Aber was steckt dahinter? Eine völlig neue Technologie oder alter Wein in neuen Schläuchen?

 

Cyber-Physical-Systems (CPS) verknüpfen laut Definition der «Forschungsagenda CPS» reale, physische Objekte oder Prozesse, mit virtuellen, informationstechnischen Objekten oder Prozessen. Dabei stehen die physischen und virtuellen Komponenten in ständiger Verbindung. In der Automatisierungstechnik sind schon seit den 1970er Jahren informationsverarbeitende Komponenten mit physischen Objekten und Prozessen gekoppelt, beispielsweise bei einer Prozessvisualisierung. Der Unterschied zum CPS besteht aber in der Art der Verbindung: Hier kommunizieren die reale und virtuelle Welt über offene, teilweise globale Informationsnetze, typischerweise das Internet, miteinander.

Durch die Verwendung eines offenen Informationsnetzes ist es nun möglich, System-komponenten beliebig zu verkoppeln. Im Bereich der Kommunikation hat mit CPS die klassische Automatisierungspyramide mit ihrer streng hierarchischen Struktur und Trennung der Automatisierungsebenen von der IT-Welt ausgedient. Bei CPS kann nämlich theoretisch jeder mit jedem kommunizieren und die Grenzen zwischen Automatisierung und IT lösen sich auf. So könnte beispielsweise ein Messgerät Probleme wie Materialanbackungen direkt an das ERP-System melden, welches dann direkt eine Arbeitsanweisung für den Instandhalter generiert und ihn per SMS oder E-Mail informiert.

CPS als Basis der Industrie 4.0

Wenn man durch cyberphysische Systeme verschiedenste Automatisierungs- und IT-Komponenten über offene Systeme vernetzt und diese Komponenten zusätzlich mit einer gewissen Eigenintelligenz ausstattet, ergibt sich ein aus der Tierwelt bekanntes Szenario: Schwarmintelligenz. Während beispielsweise einzelne Ameisen nur sehr begrenzte Fähigkeiten haben, ergeben sich im selbst­organisierten Zusammenspiel vieler Ameisen intelligente Verhaltensmuster. Dies ist die Grundidee der Industrie der Zukunft. Alle an der Produktion beteiligten Komponenten  – vom Produkt selber bis zur Sensorik und Aktorik – sollen zukünftig über Miniaturwebserver verfügen, die via Internet miteinander kommunizieren. Nicht nur das einzelne Rohprodukt weiss dann, was es werden will, auch die Anlagenteile wissen, was sie können und bieten ihre Dienste an. Die Produkte sprechen sich untereinander ab und finden so selbstständig durch effektive Nutzung der Dienste ihren optimalen Arbeitsablauf.

Erste CPS-Lösungen, beispielsweise für Notstrom­aggregate

Auch wenn CPS noch nach Science Fiction klingt: Erste CPS-Lösungen werden bereits heute erfolgreich umgesetzt. So stattet beispielsweise der Heizungsbauer Viessmann seine Geräte mit speziellen Modulen aus, die über das Handynetz seines Technikpartners Vodafone miteinander verknüpft werden können. Der Servicetechniker kann die Heizungen aus der Ferne warten, regulieren oder neue Steuerprogramme überspielen.

Mitunter sind mit CPS auch völlig neue Geschäftsmodelle möglich, wie das Beispiel des Kölner Unternehmens Next Kraftwerke zeigt. Diese haben Notstromaggregate in Krankenhäusern und Fabriken in ganz Deutschland mit speziellen Fernsteuermodulen ausgestattet und an den Regelenergiemarkt angeschlossen. Über Mobilfunk können nun die verteilten, meist ungenutzten Aggregate wie virtuelle Kraftwerke gesteuert werden. Allein für die Bereitstellung der Notstromaggregate zur Unterstützung bei kurzfristigen Energieengpässen erhalten die Betreiber eine Bereitschaftsvergütung. Werden bei Unterspeisung der öffentlichen Stromnetze die Aggregate hochgefahren, gibt es zusätzlich Geld vom Netzbetreiber für den eingespeisten Strom.

Mit Endress+Hauser-Komponenten automatisiertes bayrisches Milchwerk

Wie man lokale Messdaten und Informationen aus dem Internet sinnvoll zu pfiffigen Lösungen verknüpfen kann, zeigt ein Automatisierungsprojekt von Endress+Hauser für ein bayrisches Milchwerk. Dieses hat einen eigenen Brauchwasserbrunnen, der u.a. zum Speisen der Kühlwasserkreisläufe verwendet wird. Die anschliessende Einleitung des Brauch­wassers in den anliegenden Fluss darf allerdings nur unter bestimmten Voraussetzungen erfolgen. Sie ist abhängig von der Menge und Temperatur des Brauchwassers, welche wiederum von der Geschwindigkeit und dem Pegelstand des Flusses abhängig sind. Endress+Hauser hat die Einleitung des Brauchwassers unter Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften mit einer CPS-Lösung automatisiert. Hierbei erfasst entsprechende Messtechnik die Durchflussmenge und die Temperatur des Brauchwassers. Ein Steuerungs-PC liest die weiterhin zur Steuerung nötigen Parameter, nämlich die Pegel- und Abflussdaten des anliegenden Flusses, viertelstündig automatisch von der Website des Wasserwirtschaftsamtes via Internet ein, der zusätzlich zur Anzeige und Archivierung der Prozessdaten zuständig ist. Über OPC-Server gehen diese Daten und die entsprechend aktuellen vorgeschriebenen Grenzwerte an eine Kleinsteuerung, welche wiederum die Regelung der diversen Ventile und Pumpen für die Brauchwassereinleitung übernimmt. Das System erstellt ausserdem alle zwei Wochen automatisch einen Bericht über die Grenzwerteinhaltung im PDF-Format, der dann an das Wasserwirtschaftsamt gemailt wird.

Die Welt der Automatisierung und der IT wachsen zusammen

Durch Cyber-Physical-Systems wachsen die Welt der Automatisierung und die IT-Welt immer mehr zusammen. Dadurch werden auch in der Produktion immer stärker informationstechnische Möglichkeiten und Datenanalysen genutzt, die man bisher nur von der IT her kannte. Dies öffnet automatisch neue Geschäftsfelder und erschliesst interessante Möglichkeiten zur effizienteren Produktion, an die man bis heute vielleicht noch gar nicht gedacht hat. 

Infoservice

Endress+Hauser (Schweiz) AG
Kägenstrasse 2, 4153 Reinach
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