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Wenn Blechboxen mit Menschen kommunizieren

IoT, Industrie 4.0 und Cloud sind heute in aller Munde und omnipräsent – ohne dass wir es gemerkt haben. Wie weit diese Technik noch in unseren Alltag eindringt, wird die Zukunft weisen. Realität ist, dass die blauen 20-Minuten-Boxen bald ihren Füllstand automatisch nach Hause melden. Anhand dieser LoRaWAN-basierten Entwicklung von Miromico für Tamedia lassen sich die Herausforderungen des IoT aufzeigen.

 

Der übereifrige Gebrauch des Schlagworts IoT im Marketing lässt das Konzept beinahe als Unwort erscheinen. Der Begriff wird für alles und nichts verwendet und bietet viel Interpretationsfreiraum. Internet of Things oder zu Deutsch das Internet der Dinge beschreibt die Vernetzung von Geräten und Gegenständen zu einer internetähnlichen Struktur, so dass diese ohne menschliche Interaktion Daten sammeln und untereinander austauschen können.

Ob Sinn oder Unsinn – Beispiel zeigt praxisnahe Lösung

Entscheidend in der Definition ist, dass mit dem Internet nicht zwingend das uns bekannte Computernetzwerk gemeint ist. Auch braucht nicht jeder IoT-Teilnehmer eine IP-Adresse. Der Schwerpunkt liegt vielmehr auf dem Austausch von Daten zwischen den Gegenständen ganz ohne unsere Einwirkung, unser Wissen oder vielleicht sogar unser Einverständnis. Lässt man die kontroversen Diskussionen über den Sinn und Unsinn der Vernetzung unserer Umwelt bewusst zur Seite, und befasst sich mit einer aktuellen Entwicklung im Bereich IoT, so bekommt man einen anderen Blick auf das Internet der Dinge. Das in diesem Praxisbericht beschriebene Projekt, welches die Miromico AG für den Medienkonzern Tamedia im Bereich innovativer Zeitschriftenvertrieb realisieren darf, zeigt den Weg von der Idee zu einem lauffähigen System praxisnah auf.

Wenn neue Dinge entstehen – flächendeckende Füllstandabfrage

Die Tamedia AG ist die Herausgeberin der grössten Schweizer Tageszeitung «20 Minuten». Diese Gratiszeitung wird in der ganzen Schweiz über die bekannten blauen Metallboxen verteilt. Ziel von Tamedia ist es, eine flächendeckende Füllstandabfrage jeder einzelnen der ca. 3000 Boxen zu erreichen. Die Datenerfassung in der Box soll alle paar Minuten erfolgen und zeitnah an eine zentrale Stelle übertragen werden. Die Entwicklung umfasst die Evaluation der kompletten Sensorik für die Erfassung des Füllstands, das Auslesen und Übermitteln der Sensordaten und eine vandalensichere Integration in die bestehenden Boxen. Vereinfacht lassen sich die Anforderungen an das System wie folgt zusammenfassen:

  • autarker Batteriebetrieb mit einem grossen Wartungsintervall von mindestens ein bis zwei Jahren
  • Erfassung und Übermittlung der Daten in regelmässigen Abständen, um ein möglichst genaues Bild des Füllstandverlaufs über die Zeit zu erhalten
  • Datenübertragung ohne menschliche Interaktion an eine zentrale Infrastruktur in Echtzeit

Kommunikation als Grundlage der Vernetzung

So vielfältig wie die verschiedenen IoT- oder IIoT-Geräte sein können, eines haben sie alle gemeinsam: Sie verfügen über eine oder mehrere Möglichkeiten mit anderen Geräten zu kommunizieren. Die Wahl des «richtigen» Kommunikationsmittels hängt immer stark von der jeweiligen Anwendung ab, hat aber auch einen entscheidenden Einfluss auf die Produktgestaltung.

Als erstes stellt sich die Frage, ob die Kommunikation drahtgebunden oder drahtlos stattfinden soll. Auch wenn es sich etwas überraschend anhört, ergibt eine Kommunikation per Kabel in manchen Anwendungen durchaus Sinn. Als Beispiel lässt sich hier z. B. eine intelligente Strassenbeleuchtung aufführen. Die hierzu zur Verfügung stehenden Technologien wie Ethernet, RS485 oder Powerline Communication sind günstig und zuverlässig.

Ein entscheidender Nachteil kabelgebundener Kommunikationssysteme ist, dass diese schlecht skalieren und deren Installation teuer und aufwendig werden kann. Darum wird in den meisten Fällen die Wahl auf eine Funkübertragung fallen. Aus der täglichen Erfahrung mit WLAN und Mobilfunk wird eine Funkverbindung beinahe schon als selbstverständlich angenommen. Hohe Datenraten, grossflächige Abdeckung und permanente Verfügbarkeit werden erwartet. Die wenigsten Funksysteme erfüllen diese Erwartungen und nicht immer sind die Einschränkungen technischer Natur. Allzu oft schieben länderspezifische Vorgaben dem Machbaren einen Riegel vor.

Welche Funktechnologie ist richtig?

Eine eindeutige Antwort gibt es nicht. Die Wahl hat Auswirkung auf die gesamte Entwicklung und die Eigenschaften des Produkts; es müssen Kompromisse gemacht werden. Doch worauf muss man bei der Auswahl der Funktechnologie besonders achten?

  • Weltweiter Einsatz oder Beschränkung auf gewisse Regionen?
  • Welche Datenrate braucht mein System, um den gewünschten Anforderungen zu genügen?
  • Bidirektionale oder unidirektionale Kommunikation?
  • Welche Reichweiten sind gefordert?
  • Welche Energie wird für die Verbindung benötigt?
  • Mit welchen fremden Systemen muss ich kommunizieren?

Eine erste Beurteilung der Technologien in der Tabelle lassen BLE, ZigBee und eine klassische Übertragung in den ISM-Bändern für die Ausstattung der 20-Minuten-Boxen ausscheiden. Es ist keine flächendeckende Netzinfrastruktur verfügbar. WLAN erreicht zwar eine grosse Verfügbarkeit, welche aber nicht für alle Standorte gegeben ist, und je nach Standort individuell zu konfigurieren wäre.

Eine Anbindung über Mobilfunk (GSM, UMTS, LTE) scheint eine gute Lösung. Die Infrastruktur ist vorhanden und bietet ausreichend Bandbreite. Da die Grösse der verfügbaren Mobilfunkmodule in diesem Fall keine Rolle spielt, ist lediglich der grosse Stromverbrauch als nachteilig zu werten.

LoRa überzeugt mit grosser Reichweite und geringem Stromverbrauch

Unter den stromsparenden ISM-Funktechniken hebt sich besonders LoRa (Long Range) heraus. Es bietet enorme Reichweiten (bis zu 20 km) und benötigt dadurch relativ wenig Infrastruktur. Die unter dem Schirm der LoRa-Allianz (www.lora-alliance.org) standardisierte Netzwerkinfrastruktur LoRaWAN schafft weiter die Grundlage für eine Vernetzung von IoT-Geräten. Die Swisscom hat zudem kommuniziert, ein LoRaWAN-Netz aufzubauen, welches bis Ende 2016 etwa 80% der Schweizer Bevölkerung erreicht. Für die Vernetzung der 20-Minuten-Boxen setzt Miromico auf LoRaWAN, da dieses System mit sehr tiefem Stromverbrauch auftrumpfen kann. Die Datenrate eines LoRaWAN-Knotens wird durch die Entfernung zum nächsten Gateway, regulatorische Limiten und nicht zuletzt von der zur Verfügung stehenden Energie begrenzt. LoRaWAN bietet ein Bruchteil an Durchsatz im Vergleich zu UMTS/LTE, reicht aber in dieser Anwendung bei weitem aus.

Modul verkürzt die Entwicklungszeit

Um den Entwicklungsaufwand zu minimieren, kommt das extrem kleine FMLoRa-Modul von Miromico zum Einsatz. Das nur 22 × 14 mm grosse Modul erlaubt die Integration der eigenen Applikation direkt in den vorhandenen Mikrocontroller. Dieser bietet alle gängigen Schnittstellen (I2C, SPI, UART, GPIO) und die Möglichkeit, die Firmware über Funk zu laden. Die komplette Sensorik für die Erfassung des Füllstands wird direkt über das Modul bedient. Ein zusätzliches NFC-Interface erlaubt ein Firmwareupdate und Parametrisierung über eine Smartphone-App auch im verbauten Zustand in der Box. Für die Energieversorgung verwendet Miromico einen speziellen, bis unter –20 °C kältetauglichen Batterietyp im Format einer AA-Rundzelle. Damit lassen sich autarke Betriebszeiten von etwa vier bis fünf Jahren erreichen. Aufgrund der entspannten Platzverhältnisse wird eine Antenne mit guter Charakteristik benutzt und man muss keine einschneidenden Kompromisse eingehen. Die gesamte Elektronik wird unscheinbar in die Box integriert und ist so vor Umwelteinflüssen und Vandalismus gut geschützt.

Was braucht das «Internet of Things»?

Das Internet of Things bzw. das Industrial Internet of Things sind keine sensationellen Neuheiten. Das Bestreben, Geräte untereinander zu vernetzen, bestand schon immer. Neue Funktechnologien, deren flächendeckende Verfügbarkeit und die Miniaturisierung von Sensorik und Elektronik schaffen immer neue, spannende Möglichkeiten. Ein entscheidender Punkt für die Akzeptanz dieser in unseren Alltag eindringende Technologie ist zuverlässiges und sicheres Funktionieren, eine intuitive Anwendung und eine Zusammenarbeit verschiedener Systeme und Produkte über den Rand der finanziellen Interessen einzelner Unternehmen hinaus. Die LoRa Alliance als offene, Non-Profit-Organisation lässt seine Mitglieder alle am selben Strick ziehen und verhilft so vielen neuen Dingen zu «ihrem» Internet. 

Infoservice

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