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«Eine höhere Rechenleistung erlaubt neue Konzepte in der Steuerungstechnik»

Mit dem Industrie-Server C6670 hat Beckhoff eine leistungsfähige Maschinensteuerung, mit bis zu 36 Prozessorkernen, auf den Markt gebracht. Äusserst effektiv genutzt wird diese immense Rechenleistung durch die Automatisierungsplattform TwinCAT 3.1, die das Potenzial jedes einzelnen Kernes konsequent ausschöpft. Geschäftsführer Hans Beckhoff erläutert im Interview die Vorteile einer solchen Many-Core- Maschinensteuerung mit Blick auf heutige Anwendungen und zukünftige Innovationspotenziale.

 

Im Maschinenbau besteht die Tendenz, immer mehr Bewegungsachsen zu realisieren

Der Industrie-Server C6670 stellt mit seinen bis zu 36 Prozessorkernen einen Quantensprung hinsichtlich der Rechenleistung von Maschinensteuerungen dar. Wie ist die Idee hierzu entstanden?

Hans Beckhoff: PC-CPUs gehören heute zu den leistungsfähigsten Prozessoren und damit liegen auch wir mit unserer PC-basierten Steuerungstechnik an der vordersten Leistungsgrenze. Diese Grenze versuchen wir zum Nutzen der Automatisierung kontinuierlich zu verschieben, insbesondere unterstützt durch die sich nach wie vor nach dem Mooreschen Gesetz weiterentwickelnde Prozessortechnologie. Derzeit verfügen Einsteigerprozessoren über vier oder acht Kerne. Doch schon in wenigen Jahren werden 64-Kern-Prozessoren als Standard bereitstehen. Aus unserer Sicht sollte der Maschinenbauer schon heute eine entsprechende Plattform nutzen können, einerseits für aktuelle, hochanspruchsvolle Automatisierungsaufgaben und andererseits als visionäre Arbeitsplattform.

Welchen Nutzen bietet eine solche Plattform?

Beckhoff: Wenn eine um den Faktor 10 oder 20 gesteigerte Rechenleistung zur Verfügung steht, wird sich die Steuerungstechnik an der Maschine auch nach ganz neuen Konzepten realisieren lassen. Da aber drei bis fünf Jahre keine allzu lange Zeit für die Entwicklung einer solchen, grundlegend neuen Softwarearchitektur sind, sollten die Automatisierungsanwender schon heute damit beginnen. Der Industrie-Server C6670 bietet eine Plattform, um zu untersuchen, was der Einsatz eines 24- oder 36-Kern-Rechners für die jeweilige Kundenapplikation bedeuten kann.

Inwieweit sind steuerungstechnische Anwendungen überhaupt für eine Mehrkern­architektur geeignet?

Beckhoff: Die Automatisierungstechnik eignet sich ideal für eine Mehrkernarchitektur. Denn eine moderne Maschine umfasst verschiedenste Funktionsmodule und zahlreiche Positio­nierachsen, die alle von Natur aus parallel arbeiten und sich sehr gut über einzelne, zeitlich parallel zueinander ablaufende Steuerungsprogramme abbilden lassen. TwinCAT 3 unterstützt dies mit seinen Many-Core Features. Man kann daher sehr komfortabel die Steuerungstechnik als sogenannte Parallel Control Architecture realisieren.

Welche Rolle spielt dabei EtherCAT?

Beckhoff: Als hochleistungsfähiger Kommu­nikationsbus überträgt EtherCAT grosse Datenmengen deterministisch und in kurzen Zykluszeiten. So hat der Maschinenbauer heute schon die Möglichkeit, die Parallel Control Architecture an der Maschine zu testen und daraus die nächste Generation seiner Steuerungstechnik zu entwickeln.

Was lässt sich mit dem Industrie-Server C6670 heute schon umsetzen?

Beckhoff: Es gibt viele hochkomplexe Applikationen im Maschinenbau oder beispielsweise bei der Simulation von Windparks. Hier kann ein C6670 mehrere konventionelle IPCs ersetzen und so die notwendige Rechnerhardware reduzieren. Dabei wird die Datenkommunikation zwischen mehreren Rechnern durch eine reine Software-zu-Software-Kommunikation ersetzt, was schnellere Rechenzeiten ergibt.

Wofür eignet sich dieser neue Ansatz?

Beckhoff: Speziell im Maschinenbau besteht nach wie vor die Tendenz, immer mehr Bewegungsachsen zu realisieren und diese immer dynamischer zu fahren und mit komplexeren Algorithmen zu betreiben. Mit der enormen ­Rechenleistung des Industrie-Servers stehen hier bei der Maschinenkonzeption alle Wege offen, um z. B. 200 und mehr Verstell- und Bearbeitungsachsen vorzusehen und zusätzlich – ganz im Sinne von Scientific Automation – messtechnische Funktionen und Condition Monitoring zu integrieren. Auch ein Vision-System, das derzeit meist noch auf einem eigenen Rechner läuft, kann auf einer so leistungsfähigen Rechnerplattform eingebunden und dadurch die Bildverarbeitung als Standard an der Maschine weiter verbreitet werden.

Es lassen sich also für alle Branchen leistungsfähigere Maschinen und Anlagen entwickeln?

Beckhoff: Ja, und zwar insbesondere in den Bereichen, in denen unsere XFC-Technologie zum Einsatz kommt. Many-Core Control und XFC erhöhen aber nicht nur die Leistungsfähigkeit von Maschinen und Anlagen, sondern sie sorgen mit präzisen und schnellen Steuerungsabläufen auch für erhöhte Produktqualität sowie einen minimierten Verbrauch an Energie und Rohmaterial. Es ergeben sich somit klare ökonomische und ökologische Vorteile.

Eignet sich der Industrie-Server nur für zentrale oder auch für dezentrale Steuerungskonzepte?

Beckhoff: Zunächst ist der Industrie-Server eine zentrale Datenverarbeitungseinheit, die lokal Rechen-, Speicher- und Kommunikationskapazität zur Verfügung stellt. Mit unserer modularen, fein skalierbaren Steuerungstechnik unterstützen wir aber grundsätzlich beide Varianten.

Wie wählt man die geeignete Methode?

Beckhoff: Eine grosse Montagestrasse ist prädestiniert für eine Automatisierung mit kleinen dezentralen Steuerungen. Bei einer Verpackungs- oder Werkzeugmaschine mit vielen koordinierten Bewegungen und Zuständen ist dagegen eine zentrale Lösung von Vorteil. Mit unserer Servertechnologie werden diese Grenzen fliessend. In Konzepten mit einem modularen, aggregate-orientierten Aufbau von Steuerung und Maschine könnte die Intelligenz entweder dezentral in den einzelnen Modulen vorliegen oder aber über entsprechende Softwaremodule auf einem zentralen Industrie-Server implementiert und über die schnelle EtherCAT-Kommunikation verbunden sein.

Sind auch Anwendungen mit einer typischen Serverfunktionalität denkbar?

Beckhoff: Der C6670 eignet sich – auch im Hinblick auf Industrie 4.0 – gut, um mit seiner hohen Rechenleistung echte Serveranwendungen im industriellen Umfeld zu übernehmen. So könnten komplexe mathematische Funktionen auf den Industrie-Server ausgelagert werden, um auch bei Applikationen mit weniger leistungsfähigen Steuerungen beispielsweise über eine Vibrationsanalyse das Condition Monitoring für ein Getriebe zu implementieren. Dies wäre ein sogenanntes dienstbasiertes Konzept, bei dem komplexe, auf einem leistungsfähigen Server ablaufende Automatisierungsdienste die eigentliche Maschinensteuerung entlasten. Bei einer ausreichend hohen und deterministischen Kommunikationsbandbreite kann ein solcher Server in der Cloud realisiert sein, mit dem C6670 lässt sich die notwendige Rechenleistung aber auch direkt vor Ort an der Maschine oder Anlage bereitstellen.

Was zeigen Sie den Besuchern der SPS IPC Drives an Ihrem Stand?

Beckhoff: Auf Europas führender Fachmesse für elektrische Automatisierung zeigen wir an unserem Stand 406 in Halle 7 das vollständige Produktspektrum mit Komponenten und Systemlösungen für SPS, Motion Control, Robotik, Safety und Messtechnik. Unser Angebot bei der PC- und EtherCAT-basierten Steuerungstechnik haben wir um zahlreiche Innovationen erweitert. Wir laden alle interessierten Messebesucher ein, mit uns am Stand über die neuesten Automatisierungstrends zu diskutieren. Wir freuen uns darauf. 

Infoservice

Beckhoff Automation AG
Rheinweg 9, 8200 Schaffhausen
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