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Die Bedeutung nimmt spürbar zu

Selbstversorgende elektrische Embedded-Systeme gewinnen zunehmend an praktischer Bedeutung. Die Stromversorgung des Systems wird mittels Energy Harvesting realisiert. Ein Harvester wandelt Energie aus der Umgebung in elektrische Energie um und erlaubt so den Betrieb von elektrischen Komponenten.

 

Durch das Sammeln von Energie über längere Zeit lassen sich nicht nur Sensoren, sondern auch energieintensivere Verbraucher z. B. Stellantriebe betreiben. Im Rahmen einer Bachelorarbeit an der ZHAW wurde ein Energy-Harvesting-System für den autarken Betrieb eines Stellmotors entwickelt und untersucht. Ein thermoelektrischer Generator bildete dabei die Speisung.

Thermoelektrischer Generator gewinnt Strom aus Wärme

Der thermoelektrische Generator (TEG) gewinnt elektrische Energie aus Wärme. Ein besonders interessantes Einsatzgebiet für einen TEG sind Anlagen, bei denen eine grosse Abwärme anfällt, z. B. bei Heizungen oder chemischen Anlagen. Diese abgegebene Wärme kann mit einem TEG in nutzbare elektrische Energie umgewandelt werden. Dazu wird der TEG direkt auf die Wärmequelle montiert. In Kombination mit einer Temperatursenke auf der anderen Seite des Generators entsteht so eine Temperaturdifferenz, welche die Umwandlung von Wärme in elektrische Energie erlaubt. Für bestmögliche Leistungsabgaben ist eine optimale thermische Anbindung des TEG an die Temperaturquelle und -senke nötig. Der Umwandlungsprozess basiert auf dem Seebeck-Effekt, der bewirkt, dass bei anliegender Temperaturdifferenz eine Spannung erzeugt wird. Am Beispiel eines Peltierelements wird der Aufbau eines TEG kurz beschrieben. Zwei Keramikplatten am TEG bilden die thermischen Anschlüsse für die kalte und warme Seite (Bild 1). Zwei elektrische Leiter, die nach aussen geführt sind, dienen zum Abgreifen der Ausgangsspannung.

Im TEG sind Pellets aus Halbleitermaterialen

Im Innern des TEG befinden sich Pellets aus Halbleitermaterialen. Eines dieser beiden Pellets weist einen Überschuss an Elektronen auf und ist N-dotiert, das andere einen Mangel an Elektronen und ist P-dotiert. Über eine metallische Verbindung, hauptsächlich Kupfer, werden jeweils ein P- und N-dotiertes Pellet zu einem Thermopaar verbunden. Da ein einzelnes Thermopaar kleine Spannungen im µV-Bereich erzeugt, werden bei TEG mehrere solcher Thermopaare in Serie geschaltet. Tritt nun eine Temperaturdifferenz an den beiden Keramikplatten auf, bewegen sich die Elektrononen im N-dotierten Pellet von der warmen zur kalten Seite (Diffusion). Daraus resultiert im N-dotierten Material ein elektrischer Potenzialunterschied, der dem Temperaturverlauf gleichgesetzt ist. Die kalte «Seite» ist elektrisch negativer als die warme Seite. Derselbe Prozess geschieht im P-dotierten Material. Die Löcher bewegen sich von der warmen zur kalten Seite, wobei wiederum die kalte Seite positiver als die warme Seite geladen ist. Der Potenzialunterschied ist im P-dotierten Pellet dem Temperaturverlauf entgegengesetzt.

Polarität der Ausgangsspannung ändert sich

Der Diffusionsprozess findet in jedem Thermopaar statt, sodass sich die einzelnen Potenziale der Thermopaare addieren und schlussendlich eine Ausgangsspannung an den Klemmen entsteht. Die erzeugte Ausgangsspannung ist bis zu einer gewissen Temperatur proportional zur anliegenden Temperaturdifferenz. Durch das Vertauschen der kalten und warmen Seite ändert auch die Polarität der Ausgangsspannung. Je nach Temperaturdifferenz und Material sind Ausgangsspannungen von 100 mV und Leistungsdichten von 100 µW/cm3 und mehr möglich. Da bei einem TEG keine beweglichen Bauteile vorhanden sind, beträgt die Lebensdauer 10 bis 20 Jahre. Die Preise von thermoelektrischen Generatoren variieren stark. Low-cost-Varianten sind bereits ab 5 Dollar (Einzelpreis) erhältlich. Spezialausführungen und Hochtemperaturelemente kosten bis zu 100 Dollar.

Das Energy-Harvesting-System

Das komplette Energy-Harvesting-System besteht aus verschiedenen Komponenten und lässt sich in Erzeuger- und Verbraucherseite aufteilen. Bild 2 zeigt das Blockschaltbild.. Der thermoelektrische Generator (TEG) ist mit der Wärmequelle und -senke thermisch verbunden und dient als elektrische Speisung. Da der Generator das System aufgrund seiner niedrigen Ausgansspannung nicht direkt speisen kann, wird ein Aufwärtswandler nachgeschaltet. Dieser hebt die TEG-Spannung auf einen geeigneten Level für den Betrieb von elektrischen Komponenten an. Die vom TEG erzeugte elektrische Energie wird über den Aufwärtswandler in den Energiespeicher transferiert und dort zwischengespeichert.

Intelligentes Powermanagement regelt die Speisung

Ein intelligentes Powermanagement zwischen Verbraucher- und Erzeugerseite regelt die Speisung der Komponenten auf der Verbraucherseite. Für einen effizienten Betrieb des EH-Systems werden die einzelnen Komponenten aufeinander abgestimmt. So verbessert sich die thermische Anbindung des TEG an Wärmequelle und -senke durch den Einsatz von Wärmeleitpaste und geeignetem Anpressdruck. Daraus resultiert eine grössere Temperaturdifferenz und somit erzeugte grössere Leistung. Durch Leistungsanpassung zwischen TEG und Aufwärtswandler wird eine bestmögliche Leistungsabgabe erzielt.

Einige auf dem Markt verfügbare Aufwärtswandler besitzen eine sogenannte Maximum-Power-Point-Tracking-Funktion (MPPT), welche die Leistungsanpassung implementiert. Ein verlustarmer Energiespeicher ermöglicht dem System, längere Zeit im Deep-Sleep zu verbringen, ohne dass von der Erzeugerseite erneut Energie hinzugeführt werden muss. Als Energiespeicher bieten sich Super- und Lithium-Ionen-Kondensatoren (LIC) an. LIC eignen sich aufgrund ihrer sehr geringen Selbstentladung besonders für EH-Systeme. Neben den genannten Energiespeichertechnologien wäre auch der Einsatz von Akkumulatoren oder herkömmlichen Kondensatoren möglich.

Beim Design eines EH-Systems bestimmt die Umgebung der Anwendung, wieviel elektrische Energie zur Verfügung steht. In Applikationen mit nur kleinen Temperaturdifferenzen ist die Leistungsabgabe des Systems deshalb eingeschränkt. Ein Erhöhen der Leistung wäre durch den Einsatz eines grösseren TEG möglich, bringt aber den Nachteil, dass das System kostenintensiver wird. Eine zweite Möglichkeit ist das Anpassen des Aufwärtswandlers. Mit einem effizienteren Aufwärtswandler kann der bestehende TEG im System verbleiben und die Leistungsabgabe erhöht sich. Das Zusammenspiel von TEG und Aufwärtswandler erforderte deshalb eine besonders sorgfältige Analyse.

Autarker Betrieb eines Stellantriebs

Das entwickelte System hat die Aufgabe, über längere Zeit Energie zu sammeln und anschliessend den Stellmotor für eine bestimmte Zeit anzutreiben. Als Stellmotor wurde ein Stellantrieb einer Ventilsteuerung für Heizkörper verwendet. Dazu wurde zu Beginn eine Recherche von kommerziell verfügbaren TEG und Aufwärtswandlern durchgeführt mit dem Ziel, geeignete Komponenten und Kombinationen zu identifizieren. Die Analyse zeigt, dass sich mehrere Kombinationen aus TEG und Aufwärtswandlern für das betrachtete System eignen. Daher wurde ein Testsystem erstellt, um verschiedene TEG-Booster-Kombinationen zu analysieren. Auf dem Prototypprint in Bild 3 wurden insgesamt drei unterschiedliche Aufwärtswandler aufgebaut, die mit vier verschiedenen TEG gespeist werden können. So werden zwölf verschiedene Kombinationen realisiert. Für die Versuche dient eine Laborheizplatte als Wärmequelle. Die Wärmesenke ist mit Kühlblechen realisiert. Der Stellantrieb wurde einem batteriebetriebenen ELV-Heizkörperthermostat entnommen. An dessen 30 × 1,5 mm grossen Anschlussgewinde wurde ein Ventilkopf mit Rückstossfeder angeschlossen, um so den mechanischen Widerstand einer Heizung zu simulieren.

Energiebilanz von Erzeuger- und Verbraucherseite

Zur Analyse des Gesamtsystems wurde eine Energiebilanz von Erzeuger- und Verbraucherseite aufgestellt. Der am Ventilkopf angeschlossene Stellantrieb benötigt für einen vollständigen Schliessvorgang des Ventils in 30 s 1,5 J. Für eine vollständige Ventilöffnung wurden nur 1,3 J gemessen. Die Differenz von 0,2 J ist auf die Rückstossfeder zurück-zuführen, die beim Schliessen dem Stellmotor entgegenwirkt. Auf der Erzeugerseite machte man für jede der 12 Kombinationen mehrere Messungen bei Temperaturdifferenzen von 6 und 10 K. Der effizientesten Kombination gelang es, bei 6 K die aufgewendete Energie von 1,5 J nach 2,5 Stunden zu sammeln und den Stellvorgang erneut durchzuführen. Bei 10 K konnte diese Energiemenge bereits nach 1,2 Stunden gesammelt werden. Die Ergebnisse zeigen, dass TEG geeignet sind, genügend Energie für Antriebe zu sammeln. Das erweitert die bestehenden Einsatzgebiete in der Sensorik um viele interessante Anwendungen. Sehr interessant ist der Bereich der Stellantriebe, für Ventile oder verstellbare Klappen.

Zusammenfassung

Der an der ZHAW entwickelte Prototypaufbau demonstriert die Möglichkeiten von Thermal Energy Harvesting zur Speisung von Antrieben. Die gesammelte Energie reicht aus, um in Zeitabständen von 2,5 Stunden einen vollständigen Schliessvorgang an einem Ventilkopf durchzuführen. Für Folgeprojekte besteht die Idee, das Zeitintervall zu verkleinern und das System weiter zu optimieren. Dazu ist die ZHAW auf der Suche nach Projektpartnern. Durch Hinzufügen einer Funkanbindung kann der Stellantrieb durch eine Gegenstelle beliebig parametrisiert werden. Zusätzliche Sensoren könnten ausserdem verschiedene Umgebungsparameter messen und die Funktionalität erweitern. 

Infoservice

Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW), Institute of Embedded Systems
Technikumstrasse 9, 8401 Winterthur
Tel. 058 934 75 25, Fax 058 935 75 25
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