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Auf den hundertstel Millimeter genau

Mit einem in Frankreich entwickelten bildverarbeitungsgestützten System entsteht in nur 37 s ein digitalisiertes, auf den hundertstel Millimeter genaues 3D-Modell einer Kurbelwelle. Mit der darauf basierenden Simulation der Nachbearbeitungsschritte kann man die ideale Bearbeitungsachse definieren und im Voraus bestimmen, ob die Kurbelwelle auch ausgewuchtet werden kann.

 

Kurbelwellen, wie sie in der Automobilindustrie verwendet werden, wandeln die lineare Hubbewegung der Motorkolben in eine Drehbewegung um und leiten diese an das Getriebe weiter. Schon eine geringe Unwucht, die durch Fertigungsschwankungen entstehen kann, führt bei steigender Drehzahl zu Lagerbelastungen und Vibrationen. Deswegen ist eine Auswuchtung erforderlich. Dazu werden die Kurbelwellen auf eine hohe Rotationsgeschwindigkeit gebracht. Mithilfe der dabei entstehenden Vibrationen wird die überschüssige Masse entlang ihrer Achse bestimmt, um festzulegen, an welchen Stellen Materialüberschüsse später durch Bohren oder Fräsen entfernt werden müssen. Solche traditionellen Messsysteme können durch 3D-Bildverarbeitung verbessert werden.

Digitalisierung stand im Mittelpunkt

Seit mehreren Jahren entwickelt die auf 3D-Vision-Systeme spezialisierte Videometric Lösungen für den Automotive-Bereich. Mehrere Monate arbeiteten die französischen 3D-Spezialisten an einer neuen Auswuchtmethode für Kurbelwellen. Im Mittelpunkt stand dabei der Digitalisierungsprozess. Dieser musste so ausgelegt sein, dass auch komplexe Kurbelwellen innerhalb des aktuellen Industriestandards in 45 s zu 100 Prozent digitalisiert und ausgewertet sind. Gleichzeitig sollten mit der neuen Methode auch die Schwachpunkte der traditionellen Systeme behoben werden. Bei diesen können Bearbeitungsschritte notwendig sein, ohne die Sicherheit, dass die Kurbelwelle am Ende perfekt ausgewuchtet ist. Im schlimmsten Fall steht nach dem Bearbeitungsprozess eine noch immer schlecht ausgewuchtete Kurbelwelle, die nur verschrottet werden kann, weil Teiledefekte nicht frühzeitig genug erkannt wurden – reine Zeit- und Geldverschwendung.

In nur 37 s ein komplettes 3D-Modell

Die von Videometric entwickelte Methode wird derzeit auf einem bildverarbeitungsgestützten GigE-System, das u.a. aus 32 Industriekameras, 16 LED-Beamern und mehreren Computern besteht, realisiert. Es digitalisiert eine Kurbelwelle hochpräzise in nur 37 s. Dazu ist ein Set aus je acht versetzt montierten Karbonfaserarmen auf die Oberfläche der Kurbelwellen ausgerichtet. An jedem Arm sind ein LED-Beamer und zwei digitale VGA-Kameras der TX-Serie von Baumer befestigt. Durch die sequentielle Ansteuerung der Beamer wird ein alternierendes, sinusförmiges Streifenmuster aus nicht-kohärentem Licht mit variierender Intensität auf die Kurbelwellenoberfläche projiziert. Die Sequenz der verzerrten geometrischen Streifenmuster wird von den Kameras mit 60 Bilder/s erfasst.

Um ein vollständiges 3D-Modell zu erhalten, wird die Kurbelwelle dreimal um jeweils 120 ° gedreht «gescannt». Es kommen keine hochauflösenden Kameras zum Einsatz, da sie eine sehr grosse Datenmenge erzeugen und damit das Bildaufnahmetempo verlangsamen würden. Stattdessen erhält man bei einer Auflösung von 640 × 480 Pixel nur 300 kByte grosse Graustufenbilder, die man über GigE schnell zur Verarbeitung an den PC senden kann. Videometric hat sich für die Kameras der TX-Serie entschieden, weil sich diese dank der VGA-Auflösung kombiniert mit der hohen Bildrate und dem niedrigem Rauschen ideal für das 3D-Messsystem eignen.

Zwischen 11 und 20 Millionen 3D-Punkte erfassen

Für die Bildverarbeitung nutzt Videometric eine proprietäre, leistungsstarke Software, die verschiedenste Algorithmen zur Digitalisierung, 3D-Verarbeitung, Volumenkalkulation und zum CAD-Vergleich beinhaltet. Für jeden Arm werden zuerst die aufgenommenen Bilder zu einer 3D-Punktwolke verarbeitet, die aus über 1,6 Millionen Punkten bestehen kann. Abhängig von der Komplexität der Kurbelwelle werden insgesamt zwischen 11 und 20 Millionen 3D-Punkte erfasst. Aus den 16 Punktwolken wird im anschliessenden Verarbeitungsprozess ein engmaschiges, auf den hundertstel Millimeter genaues, 3D-Modell der gesamten Kurbelwelle erstellt.

Um eventuelle Formfehler zu lokalisieren wird dieses mit dem in der Datenbank hinterlegten CAD/CAM-Herstellermodell verglichen. Die Abweichungen zwischen den beiden Modellen werden über die Berechnung des jeweiligen Trägheitsmoments kenntlich gemacht und Materialüberschüsse oder -defizite farbig markiert. Eine anschliessende Simulation der notwendigen Nachbearbeitungsschritte ermittelt, ob eine Auswuchtung erfolgreich wäre. Dazu werden das Trägheitsmoment sowie die Masseverteilung nach einem Bearbeitungsschritt bestimmt. Bei einer positiven Rückmeldung wird die ideale Bearbeitungsachse an die weiterverarbeitende Maschine ausgegeben. Fehlerhafte Teile lassen sich so noch vor der Weiterbearbeitung und damit anfallenden Bearbeitungskosten ausschleusen.

Fazit

Die neue Methode führt zu einer besseren Produktqualität und höheren Profitabilität. Der aktuelle Prototyp liefert in nur 37 s einen hundertprozentigen 3D-Scan und eine Auswuchtanalyse der Kurbelwelle. Damit unterschreitet das französische Unternehmen den aktuellen Industriestandard für den Einsatz in einer Produktionslinie – es erreicht aber die gleiche Genauigkeit wie traditionelle Systeme. Da Kurbelwellen in ihrer Form recht komplex sein können, kann die Anzahl der Arme flexibel angepasst werden. Darüber hinaus ist der Einsatz der Methode auch für andere Arten von rotierenden Teilen denkbar. 

Flyer Digitale Industriekameras: 18_15.51.pdf

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