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Abbildung von Geschäftsprozessen

Mit dem neuen Standard «Case Management Modellierung und Notation» wird die Werkzeugpalette für die Geschäftsprozessbeschreibung sinnvoll ergänzt. Die ersten Anwendungen zeigen, dass es heute möglich ist, die mit grafischen Tools modellierten Geschäftsfälle und Prozesse, in die komplexe Geschäftsapplikationslandschaft zu integrieren.

 

Geschäftsprozesse dauern vielfach über mehrere Phasen oder einen längeren Zeitraum. Wenn man den Gesamtablauf mit dem BPMN-Standard 2.0 (Business Prozess Modellierung und Notation) beschreibt, bekommt man sehr oft ein technisch richtiges Modell, welches aber nicht mehr lesbar (verständlich) ist. Um langlebige, parallele und datengetriebene Prozesse zu modellieren, wurde als Ergänzung zu BPMN von der Object Management Group (OMG) im Mai 2014 der CMMN-Standard 1.0 (Case Management Modellierung und Notation) verabschiedet.

Anstelle von Prozessen spricht man von Fällen

Das Ganze wird auch als Adaptive Case Management (ACM) bezeichnet. Anstelle von Prozessen spricht man von Cases (Fällen). Zum Beispiel die Behandlung eines Patienten oder das Organisieren eines Anlasses. Der Anlass kann aus mehreren Aufgaben und Dokumenten bestehen. Das folgende Beispiel zeigt eine mögliche Darstellung für den Anwender mit einem ACM-Tool. Die Aufgabe «Veranstaltungsort organisieren» selber kann wiederum mit BPMN sehr stringent (Suche, Anfrage, Auswahl, Vertragsabschluss) modelliert werden. Die Aufgaben (Konzept erstellen, Veranstaltungsort suchen, Referenten verpflichten und Flyer erstellen) sind nur lose gekoppelt. Diese kann man parallel angehen (Bild 1).

Wenn die Agenda mehrere Referenten vorsieht, kann man die Aufgabe «Referenten suchen» mehrfach instanziieren. Der Flyer kann erst fertig gestellt werden, wenn der Ort und die Referenten bekannt sind. Dies wird mit ACM mit einer Abhängigkeit zwischen den Aufgaben mit einem Eingangskriterium modelliert. Die Wurzel dieses Modells ist der Case und dient als Klammer für die verschiedenen Elemente. Vereinfacht gesagt, besteht ein Case aus Daten und Aufgaben.

ACM legt den Fokus auf die Daten

Die Daten des Cases werden im zentralen Case File (bei uns Konzept) gesammelt. ACM nimmt eine datenzentrierte Sicht auf die Welt ein, in der Aufgaben auf Daten basieren. Während bei BPM der Ablauf im Vordergrund steht, verbunden mit der Frage, welche Daten benötigt werden, um den Ablauf zu steuern, legt ACM den Fokus auf die Daten und stellt die Frage, welche Aufgaben mit den vorliegenden Daten sinnvoll und machbar sind. Nun, da wir ein paar Daten haben, können wir mit diesen auch arbeiten. Dazu gibt es die Tasks. Tasks können näher als Human Tasks, Process Tasks oder Case Tasks beschrieben werden. Sie werden dargestellt als Rechtecke mit abgerundeten Ecken und dem Typ-Symbol in der linken oberen Ecke (Bild 2).

Tasks können andere Tasks als Voraussetzung haben, das wird dann als eine gestrichelte Linie mit einem leeren Diamanten am Ende dargestellt. Der Diamant ist ein Entry Criterion und gehört damit zu den Sentrys. Ein schwarzer Diamant ist ein Exit Criterion. Natürlich hat die gestrichelte Linie auch einen eigenen Begriff: Connector. Mit dieser kurzen Einführung wird unser Modell «Veranstaltung organisieren» für alle verständlich. Es wird erst richtig interessant, wenn Sie um Modellierungswerkzeuge herum eine Engine haben, welche die definierten Abhängigkeiten und Regeln prüft, damit Sie bei der Bearbeitung der Aufgaben unterstützt werden. Denken Sie an komplexe Geschäftsprozesse, welche die Daten in verschiedenen Systemen verarbeitet und Entscheidungen dokumentiert werden müssen. Bild 3 zeigt das Cockpit einer solchen Anwendung mit unserem Beispiel.

Einige Infos zu Adaptive Case Management

Das Ziel von ACM ist es, dem Wissensarbeiter (Knowledge Worker), bei uns der Veranstalter, ein förderliches Umfeld zu geben, das die Arbeit im hohen Masse unterstützt. Wissensarbeit im Umfeld von ACM ist ereignisbasiert und zielorientiert, d. h., es tritt ein bestimmtes Ereignis ein, woraufhin der Wissensarbeiter mit seiner Arbeit beginnt. Die Arbeit zum Ereignis wird in einem Case (Fall) abgelegt, daher der Name Case Management. Wie er das Ziel genau erreichen kann, weiss der Wissensarbeiter meistens noch nicht. Aus Erfahrungen und erworbenem Wissen kann der Wissensarbeiter aber abschätzen, wie der grundsätzliche Weg aussieht, welches markante Fortschritte, bzw. Meilensteine in Richtung des Ziels sind und wie die nächsten Schritte aussehen können. Er weiss auch, mit wem er in Kontakt treten muss, um das jeweilige Teilziel im Blick zu behalten und das Gesamtziel zu erreichen.

Beispiel FAEL-Veranstaltung zum Thema «Case Management»

Hierzu wieder unser Beispiel. Der Vorstand der FAEL beschliesst einen Anlass zum Thema «Case Management» zu machen (Ereignis). Das verantwortliche Vorstandmitglied (Wissensarbeiter) öffnet einen neuen Case (Fall), in dem er alle Daten und Informationen zum Anlass vermerkt. Dies kann das Konzept, Verträge mit dem Referenten und dem Veranstaltungsort sein, so dass die Veranstaltung stattfinden wird.

Was grundsätzlich bei einer Veranstaltung zu tun ist, weiss das Vorstandsmitglied. Aber welche genauen Schritte für die Organisa­tion der Veranstaltung notwendig sind, oder deren exakte Reihenfolge aussehen werden, ist dem Organisator noch nicht bekannt. Ein Schritt wird sicherlich die Konzepterstellung sein, doch welches der darauffolgende Schritt sein wird, weiss der Organisator im Moment nicht. Im Beispiel der Veranstaltung muss der Organisator zuerst die oder den Referenten identifizieren und ihre Zusage abwarten.

Darüber hinaus werden die genauen Schritte für eine andere Veranstaltung (z. B. Besichtigung) wahrscheinlich anders sein. Während der Planung werden bestimmte Fortschritte erreicht, die dann Meilensteine darstellen: In unserem Fall könnte ein Meilenstein repräsentieren, dass alle Referenten und der Veranstaltungsort bekannt sind und mit der Ausschreibung des Anlasses begonnen werden kann.

Was kennzeichnet Adaptive Case Management aus?

Aus dem Beispiel ergeben sich Punkte, die für Wissensarbeit markant sind:

  • Wissensarbeit ist zielorientiert – die Veranstaltung soll stattfinden.
  • Wissensarbeit orientiert sich an dem «Was» und nicht daran «wie» etwas getan wird. Das «Was» stellt das Ziel dar, das der Wissensarbeiter erreichen möchte. Mit «wie» ist hier ein vorher definierter Ablauf von Schritten gemeint. Dies sind in der Regel Teilabläufe wie beispielsweise das Suchen von Referenten.
  • Wissensarbeit kennzeichnet aus, dass die genaue Abfolge der Schritte nicht vorher bekannt ist – ebenso wenig, welche Schritte im Einzelnen durchgeführt werden. Wissensarbeiter wissen aber, welche Schritte grundsätzlich zu einem bestimmten Ereignis gehören. In unserem Beispiel weiss ein Organisator eines Anlasses im Vorfeld nicht, welche Schritte er genau in welcher Reihenfolge durchführen wird. Dem Organisator ist aber bekannt, welche Schritte grundsätzlich unternommen werden, um eine Veranstaltung zu organisieren.
  • ACM orientiert sich an einem schwach strukturierten Prozess, der sich entfaltet. Der grundsätzliche Prozess ist bekannt. Welche Schritte dies im Einzelnen sind und in welcher Reihenfolge sie durchlaufen werden, ist zu Beginn nicht bekannt. Der Prozess entfaltet sich also von Schritt zu Schritt und erst am Ende ist bekannt, welche Teilbereiche wirklich durchlaufen worden sind.
  • Jeder Fall ist anders – Besichtigung oder Referat.
  • Wissensarbeit bedingt in der Regel eine Kommunikation mit anderen Beteiligten (Referenten, Vorstandsmitgliedern, Veranstaltern).
  • Die einzelnen Schritte hin zum Ziel werden dokumentiert (Verträge, Absprachen, Flyer).

Infoservice


FAEL, Thomas Hauser
Langackerweg 10, 5003 Würenlingen
Tel. 079 573 20 27
praesident@fael.ch, www.fael.ch