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Komplexe Tests im Mobilfunk

LTE hat sich längst zu einem globalen Phänomen entwickelt, doch im Vergleich zu 2G/3G steckt diese Technologie noch in den Kinderschuhen. Da sich die Welt im Mobilfunk aber schnell dreht, ist es nicht verwunderlich, dass erste signifikante LTE-Verbesserungen bereits in der 3GPP-Standardisierung ver­abschiedet und teilweise schon in kommerziellen Netzen implementiert wurden.

 

Die Technologiekomponenten, die im 3GPP Release 10 auch bekannt als LTE-Advanced (LTE-A) spezifiziert sind, erregen branchenweit Aufmerksamkeit. Das Merkmal, das bei LTE-A an erster Stelle steht, ist Carrier Aggregation (CA). Schon auf dem Mobile World Congress 2013 in Barcelona zeigte sich, dass Carrier Aggregation eine Schlüsselrolle spielt, insbesondere die Unterstützung von zwei Downlink-(DL-)Trägerfrequenzen und einer Uplink-(UL-)Trägerfrequenz. Auf dem MWC 2014 wurden erste Implementierungen sowie zugehörige Testlösungen mit drei DL-Trägerfrequenzen vorgeführt. Doch was ist Carrier Aggregation genau, und wie wirkt es sich auf Tests an Basisstationen und Endgeräten aus?

Viele Netzbetreiber möchten Frequenzbänder kombinieren

LTE-A unterstützt die Bündelung von bis zu fünf 20-MHz-Komponententrägern für eine Übertragungsbandbreite von bis zu 100 MHz. Zunächst hat die Arbeitsgruppe 3GPP RAN 4 jedoch die Bündelung auf zwei Komponententräger mit einer maximal aggregierten Bandbreite von 40 MHz begrenzt. LTE-A bietet drei grundsätzliche CA-Szenarien: Intraband Contiguous (Komponententräger liegen im selben Frequenzband nebeneinander), Intraband Non-contiguous (liegen im selben Frequenzband mit Frequenzlücke) und Interband (liegen in unterschiedlichen Frequenzbändern).

Ein Grund für die Einführung von CA lag in der von IMT-Advanced aufgestellten Forderung, eine Datenrate von 1 GBit/s zu erzielen. Was aber die Implementierung von CA hauptsächlich vorantreibt, ist die Möglichkeit, Anteile des üblicherweise fragmentierten Spektrums eines Betreibers aufzugreifen und zu kombinieren. Interband Carrier Aggregation hat deshalb weltweit zu zahlreichen Anfragen nach Bandkombinationen durch die diversen Netzbetreiber geführt.

Die verbesserte Technologie ist komplex

Ein Mobilfunkgerät, das den Release 10 unterstützt, führt die typischen für LTE ab Release 8 definierten Zugangsverfahren aus. All diese Verfahren werden auf dem primären Komponententräger für Downlink und Uplink ausgeführt. Sogenannte sekundäre Komponententräger werden als zusätzliche Übertragungsressourcen betrachtet. Darüber hinaus sendet ein LTE-A-Endgerät im Laufe der Anmeldeprozedur zusätzliche Informationen, unter anderem die unterstützten DL/UL-Bandkombinationen. Sobald das Netz von den CA-Fähigkeiten des Geräts weiss, kann es mittels der RRCConnectionReconfiguration-Nachricht, die mit Release 10 erweitert wurde, sekundäre Komponententräger hinzufügen, modifizieren oder freigeben. Auf heutige LTE-Basisstationen hat die Einführung von CA nur begrenzt Auswirkungen, da sie bereits mehrere Träger abhängig vom verfügbaren Spektrum übertragen. So war der 2-×-2-MIMO-Betrieb im Downlink von Anfang an gefordert, weshalb der Betrieb von zwei TX-Antennen Standard ist. LTE-Advanced Carrier Aggregation ist eine komplexe Technologieverbesserung. Der Empfang mehrerer Frequenzen mit erhöhter Gesamtbandbreite erfordert ein erhebliches Redesign in der Empfängerkette. Zuerst muss das Leistungsvermögen erhöhter Datenraten auf allen Schichten (Bitübertragungsschicht, Protokollstack und E2E) getestet werden. Ebenso ist das richtige Endanwenderverhalten beim Antworten auf Radio-Resource-Control-(RRC-)Nachrichten zu verifizieren. Bei der Basisstation liegt die Design-Herausforderung beim Frontend des Transceivers, das verschiedene Bandkombinationen unterstützen muss. Dies erfordert den Einsatz hochflexibler Schalt- ebenen, breitbandiger Leistungsverstärker und abstimmbarer Antennenelemente.

Ein Signalgenerator für komplexe Szenarien

Techniker verwenden im Allgemeinen Signalgeneratoren, um die Funktionalität der Komponenten zu verifizieren und den Empfänger der Basisstation zu testen. Idealerweise vereint das Gerät zwei komplette Signalgeneratoren – jeder mit Basisbandsektion und HF-Aufwärtsumsetzung. Da CA-Signale aussergewöhnlich komplex sein können, ist eine intuitive Konfiguration wie beim Vektorsignalgenerator SMW200A hilfreich. Seine Mehrpfadarchitektur erlaubt sowohl Intraband- als auch Interband-Carrier-Aggregation. Da er AWGN, Echtzeitfading und MIMO simulieren kann, lassen sich auch komplexe Szenarien wie zwei Komponententräger mit 2-×-2-MIMO und Fading leicht erzeugen.

Software erleichtert die Analyse der I/Q-Daten

Aus HF-Perspektive ist jeder Komponenten-träger identisch mit einem LTE-Release-8-Träger. Folglich müssen Messungen wie Nachbarkanalleistungsabstand, Nebenaussendung und Modulationsgenauigkeit pro Komponententräger durchgeführt werden. Die Messung des Time Alignment Error (TAE) stellt Entwicklungsingenieure vor zusätzliche Herausforderungen. Die Rahmen von LTE-Signalen unterschiedlicher Trägerfrequenzen am Antennenport einer Basisstation sind nicht perfekt synchronisiert, müssen aber bestimmte zeitliche Anforderungen erfüllen. Ein RTO-Oszilloskop zeichnet die I/Q-Daten von acht Sendeantennen auf. Die Software analysiert anschliessend die I/Q-Daten und stellt den TAE in Bezug auf CC1 an TX1 zur Verfügung.

Endgeräte auf allen Schichten testen

Beim Testen eines CA-Endgeräts liegt der Schwerpunkt auf der erhöhten Datenmenge, die nun parallel über zwei oder mehrere Empfangsketten empfangen wird. Der Test muss auf allen relevanten Schichten erfolgen. Auf der Bitübertragungsschicht ist das Hybrid-ARQ-Verfahren (HARQ) zu verifizieren, indem man die Rückmeldung (ACK/NACKs) vom Messobjekt zählt. Die möglichst einfache Konfiguration unterschiedlicher Bandkombinationen ist unerlässlich, um unterschiedliche Modulations- und Kodierverfahren anzuwenden oder absolute Leistungspegel zu variieren. Die CA-Signalisierung betrifft nur bestimmte Schichten des Protokollstacks. Non-Access- Stratum-(NAS-)Funktionalität wie der Sicherheitsschlüsselaustausch und Mobilitätsinformationen stellt die primäre, bedienende Zelle zur Verfügung. Alle sekundären Komponententräger oder sekundären Zellen werden als zusätzliche Übertragungsressourcen betrachtet. Für die Packet-Data-Convergence-Protocol- (PDCP-) und Radio-Link-Control-(RLC-)Schichten ist die CA-Signalisierung transparent.

Verschiedene Testszenarien sind nötig

Den grössten Einfluss von Carrier Aggregation auf Tests betrifft die RRC-Schicht. Ein Endgerät wird auf dieser Schicht so konfiguriert, dass es durch sekundäre Zellen bereitgestellte sekundäre Komponententräger verarbeitet. Darüber hinaus werden auf der RRC-Schicht die Parameter der sekundären Zelle konfiguriert. Die Medium-Access-Control-(MAC-)Schicht ist die Multiplex-Einheit für die gebündelten Komponententräger. Neben dem Prüfen der richtigen Signalisierung ist nicht zuletzt auch die Datenratenleistung auf der Anwendungsschicht zu verifizieren, wenn ein E2E-Dienst die zugrundeliegende LTE-A CA-Funktionalität nutzt.

Die Prüfung aller Funktionen erfordert einen umfangreichen Satz an Testszenarien. Der Einsatz des CMW500-Wideband-Radio-Communication-Testers als RF-Tester (Callbox) erlaubt Durchsatzmessungen auf der Bitübertragungsschicht. Verschiedene Carrier Aggregation LLAPI/MLAPI-Szenarien stehen zur Verfügung, um die Implementierung des kompletten Protokollstacks eines Endgeräts zu testen. Die im CMW500 integrierte Data Application Unit (DAU) erlaubt E2E-Tests auf der Anwendungsschicht.

Neue Tests werden kontinuierlich spezifiziert

Seit März 2013 entwickelt das Global Certification Forum (GCF) relevante Testfälle zur Zertifizierung von LTE-A CA-fähigen Geräten. Nach vollständigem Abschluss wird diese Arbeit Testfälle für HF, Radio Resource Management (RRM) und Protokolle enthalten. Obwohl kontinuierlich Tests spezifiziert werden, um auch erweiterte Szenarien abzudecken (z. B. drei Trägerfrequenzen im DL), hat Rohde & Schwarz bereits zahlreiche, auf den 3GPP-RAN-5-Spezifikationen basierende Testfälle auf seinem TS8980-Testsystem implementiert. Darüber hinaus haben führende Betreiber ihre eigenen Simulator-basierten Interoperabilitätstests von Endgeräten im Labor spezifiziert.

Die Herausforderung liegt bei den Endgeräten

Carrier Aggregation ist der Schlüsselfaktor, um mit LTE-A die für IMT Advanced erforderlichen Spitzendatenraten zu erreichen. CA ist besonders nützlich, da sie die Bündelung einzelner Frequenzbänder des häufig sehr fragmentierten Spektrums eines individuellen Netzbetreibers erlaubt. Die grösste Design-Herausforderung liegt auf der Endgeräteseite. Die Unterstützung höherer Bandbreiten und die Trägeraggregation über unterschiedliche Frequenzbänder hinweg steigern den Schaltungsaufwand des Endgeräteempfängers beträchtlich. Auf Seite der Basisstation sind das Design von Komponenten wie Breitband-Leistungsverstärkern, hocheffizienten Schaltebenen und abstimmbaren Antennenelementen betroffen. Insbesondere auf der Endgeräte-seite müssen die zusätzliche Funktionalität, die den PHY/MAC-Schichten zur Verfügung gestellt wird, und die Anpassungen an der RRC-Schicht sorgfältig getestet werden.

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