Tatsächlich gibt es zusehends mehr vernetzte Geräte rund um uns herum: Thermostaten kann man über das eigene Mobiltelefon fernsteuern, Fitnesssensoren messen unsere körperliche Aktivität und übermitteln fortlaufend Daten in die Cloud, Logistikunternehmen verfolgen ihre Flotte per GPS und messen Fahrzeugparameter fortlaufend, um Wartungszyklen effizient planen zu können. Solche Beispiele zeigen, wie eine grosse Menge an Sensoren, die unsere Umwelt konstant beobachten, immer selbstverständlicher wird. Gleichzeitig rückt die künstliche Intelligenz, welche die gesammelten Messwerte verarbeitet und entsprechend reagiert, immer näher zu den Sensoren und wird zunehmend autark. Man spricht von «smarten» Systemen, da diese weitgehend selbstständig sinnvolle Entscheidungen treffen können. Die Abhängigkeit von zentralen Leitsys- temen wird minimal oder fällt komplett weg.
Durch die Verbindung mit dem Internet kann ein smartes System seine Entscheidungen auch mithilfe von Daten treffen, die es über das Netz bezieht. So kann ein Benutzer beispielweise die gewünschte Soll-Temperatur für einen Thermostaten per Mobiltelefon auf einem Server hinterlegen. Unter Umständen bezieht das System darüber hinaus auch noch die aktuelle Wetterprognose von einem Meteo-Dienst und berücksichtigt diese für die Steuerung der Heizung.
Anbindung ans Internet ist nicht genug
Doch die Kommunikation solcher Systeme ist in vielen Fällen einseitig oder auf wenige vorbestimmte Teilnehmer beschränkt. Damit ein richtiges «Internet of Things» entstehen kann, braucht es einen deutlich höheren Vernetzungsgrad zwischen den Teilnehmern. Viele der aktuell auf dem Markt befindlichen «IoT-Systeme» verwerten die gesammelten Daten nur im Rahmen der Infrastruktur des Herstellers: Kunden müssen deshalb häufig proprietäre Applikationen verwenden, um Zugriff auf ihre Systeme und Daten zu erhalten.
Der Wert, den internetfähige Systeme generieren können, steigt grundsätzlich proportional zum Grad der Vernetzung mit anderen Parteien und der Partizipation an anderen Systemen. Denn wer seine Daten und Dienste anderen gegen Bezahlung zur Verfügung stellt, profitiert umso mehr, je häufiger diese die Angebote in Anspruch nehmen. Schränkt man jedoch den Zugang ein, beispielsweise durch den Zwang zu proprietärer Software, schlecht dokumentierte Schnittstellen oder ein kompliziertes Lizenzmodell, schmälert man diesen Effekt stark.
Google zeigt, wie’s geht
«Google Maps» zeigt, wie es geht: Web-Programmierer können den Onlinekartendienst äusserst einfach in eigene Anwendungen einbetten. Abfragen sind dabei bis zu einer gewissen Menge kostenfrei, danach stellt Google eine Rechnung oder blockiert den Zugriff. Die Frage nach den Kosten ist allerdings zweitrangig. Stattdessen sollte man sich fragen: Wie oft sieht man auf Smartphones, Desktop-Applikationen und Websites eingebundene Google-Karten? Und wie viele dieser Anwendungen sind Google-Anwendungen?
Andere befähigen, anstatt alles selber machen
Ein IoT-System hat beste Chancen auf Erfolg, wenn es anderen grundsätzlich eine Möglichkeit bietet, die eigenen Dienste und Daten zu konsumieren. Dafür muss man die Hoheit über die Daten nicht aufgeben – der Hersteller oder Eigentümer kann nach wie vor bestimmen, unter welchen Voraussetzungen ein Drittsystem mit den eigenen Geräten oder deren Daten interagieren kann. Mit modernen Software-Authentisierungstechniken kann man diesen Entscheid sogar an den Endbenutzer delegieren. So kann etwa der Käufer eines Fitness-Trackers bestimmen, ob eine bestimmte Facebook-App Zugriff auf seine Daten erhalten soll oder nicht. Er kann den einmal gewährten Zugang jederzeit einfach wieder entziehen.
Der Vorteil eines solchen Verwertungsmodells liegt auf der Hand: Ist ein Hersteller grundsätzlich davon überzeugt, dass die Daten und Funktionen seiner Geräte auch für andere wertvoll sind, kann er sich darauf beschränken, diese möglichst effizient, einfach und sicher über das Internet zur Verfügung zu stellen. Die Entwicklung von Benutzersoftware, welche die offensichtlichen und insbesondere auch die weniger offensichtlichen Anwendungsfälle umsetzt, kann er getrost dem Markt und den (kompetenteren) Softwareherstellern überlassen. Im Idealfall entsteht so ein Ökosystem, das kontinuierlich weiterwächst und immer mehr Wert generiert.
Zunehmende Wertschöpfung durch Software
Der Prozessorhersteller Freescale hat mit dem Baum eine sehr treffende Metapher für das IoT gefunden. Darin bildet die vernetzte Hardware mit Sensoren und Aktoren die Wurzeln des Baums, indem das ganze System seine Existenz begründet. Die Cloud, d.h. eine verteilte Software-Infrastruktur mit Datenspeicher und Services, bildet den Stamm und das Astwerk, woran Software-Applikationen in Sinne von Früchten und Blattwerk in grosser Menge wachsen. Dieses Bild bringt mit deutlich zum Ausdruck, dass die Wertschöpfung des IoT nicht bei der Hardware, sondern aufseiten der Software stattfinden wird.
Auch in der Schweiz beginnt die Industrie, diesen Umstand zu realisieren. So investiert beispielsweise der Belimo-Konzern seit Längerem in eine stärkere Vernetzung seiner Produkte und hat mit seinem Energy Valve bereits seit einiger Zeit ein smartes Ventil im Angebot. Nun möchte das Unternehmen auf Basis einer eigenen Cloud-Lösung seinen Innovationsvorsprung weiter ausbauen und damit die Integration der eigenen wie auch der Geräte anderer Hersteller aktiv fördern.
Die Rolle der Cloud im IoT
Die Cloud ist Dreh- und Angelpunkt des gesamten Systems. Eine skalierbare Software-plattform muss die anfallenden Daten effi- zient filtern, verarbeiten, speichern und weiterverteilen. Sie muss Drittparteien eine sichere Schnittstelle für den Zugriff auf Daten und Services anbieten und in der Lage sein, alle Datenströme kontinuierlich für Analyse und Verrechnung zu quantifizieren.
Hersteller und Eigentümer sollten die verbundenen Geräte mithilfe der Cloud einfach und effizient verwalten und konfigurieren können. Dazu gehört insbesondere auch die Möglichkeit, Firmware-Updates zu veranlassen, um den Funktionsumfang der Devices zu erweitern oder Sicherheitslücken zu schliessen. Während viele Hersteller von IoT-fähiger Hardware hier eigene Lösungen bauen, zeigen sich im Markt zusehends Anbieter, welche die spezifischen Bedürfnisse im IoT-Bereich mit konfigurierbaren, generischen Softwareplattformen abzudecken versuchen.
Fazit
IoT-Systeme sollten – wo immer möglich – Offenheit und Standards unterstützen. Es braucht klare Regeln für die Benutzung, öffentlich dokumentierte Schnittstellen und Optionen für die Integration mit anderen Systemen. Weil diese Voraussetzungen vielfach noch nicht erfüllt sind, wird die Euphorie – wie es die Hype-Kurve voraussagt – bald wieder abnehmen und einer gewissen Ernüchterung Platz machen.
Das ist jedoch kein Grund abzuwarten. Innovative Hardwarehersteller, die jetzt realisieren, worauf es ankommt und ihre IoT-Systeme entsprechend planen und ausrüsten, werden die Nase vorne haben.
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