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Wo sind wir denn jetzt genau?

Die Vorteile modellbasierter Regler wurden bereits in der Polyscope-Ausgabe 14/14 auf Seite 36 anhand eines Temperaturreglers dargestellt. Der Beitrag zeigte, wie der Einsatz von Modellen zu einer wesentlichen Verbesserung im Regelverhalten führt. Hier folgt nun eine zweite typische Anwendung von Modellen in der Mess- und Regelungstechnik.

 

Die Erfassung von Messdaten erfolgt in manchen Fällen nicht synchron mit dem Regeltakt, gelegentlich überhaupt nicht äquidistant in der Zeit. Ein Regler wäre aber auf aktuelle und regelmässig erfasste Istwerte angewiesen. Mithilfe eines Modells kann man die benötigten Zwischenwerte berechnen.

Ein typisches und bekanntes Beispiel ist der Kilometerzähler beim Fahrrad. Er liefert nur einmal pro Radumdrehung einen Zählimpuls. Der zeitliche Abstand zwischen zwei Zählimpulsen ist zudem abhängig von der Fahrgeschwindigkeit. Beim langsamen Fahren tritt nur selten ein Impuls auf, sodass man in der Zwischenzeit keine Information über den exakten Fahrweg erhält. Wenn der Radumfang U bekannt ist, so ergibt sich die gefahrene Strecke s(k) aus dem Produkt des Zählimpulses k und des Radumfangs U:

s(k) = k × U

Typisch sind Motoranwendungen

In industriellen Anwendungen gibt es zahlreiche Messsysteme, die sich sehr ähnlich verhalten wie der Kilometerzähler beim Fahrrad. Klassische Beispiele sind digitale A/B-Drehgeber, Resolver usw., wie sie in fast allen Motoranwendungen vorkommen. Um auch in der Zeitspanne zwischen den Zählimpulsen einen aktuellen Positionswert zur Verfügung zu haben, gibt es verschiedene Ansätze. Der einfachste Ansatz geht davon aus, dass sich die Position zwischen zwei Zählimpulsen nicht ändert. Bei dieser Annahme sind keine weiteren Massnahmen notwendig. In vielen Fällen ist jedoch die resultierende Treppenfunktion sehr störend und verhindert eine befriedigende Regelung.

Ausgefeiltere Verfahren nutzen neben den Positionsdaten jedoch auch die aktuelle Geschwindigkeit und allenfalls sogar die Beschleunigung um genauere Positionswerte zu liefern. Wir wollen hier den Fall ansehen, bei dem wir die Geschwindigkeit berücksichtigen. Man nennt dies eine Lösung 1. Ordnung, weil die Berechnung einer Differenzialgleichung 1. Ordnung entspricht. Entsprechend ist der oben erwähnte, einfachste Ansatz eine Lösung 0. Ordnung.

Die Geschwindigkeit v(k) lässt sich mit-hilfe der Differenzzeit T(k) zwischen den Zähl- impulsen mit den Nummern k und k–1 berechnen als Quotient aus dem Radumfang U und der Differenzzeit T(k). Die Interpolation 1. Ordnung des aktuellen Weges zur Zeit t nach dem Zählimpuls k ist dann:

sk(t) = k × U + v(k) × t

Dabei haben wir den Weg jetzt als sk(t) bezeichnet, um anzuzeigen, dass der Weg von der kontinuierlichen Zeit t und dem Zählimpuls k abhängt. Bild 2 zeigt in Schwarz einen tatsächlichen Positionsverlauf.

Die blaue Kurve zeigt die Positionsschätzung 0. Ordnung, also mit einer konstanten Position zwischen den Zählimpulsen. Da, wo die blaue Kurve zur schwarzen springt, tritt jeweils ein Zählimpuls auf. In Rot ist die Schätzung 1. Ordnung dargestellt und in Magenta jene 2. Ordnung. Man erkennt sofort, dass der Schätzfehler der Position zwischen zwei Zählimpulsen mit der Ordnung abnimmt. Die Interpolation 2. Ordnung verdeckt die schwarze Kurve schon weitgehend. Allerdings wird der Gewinn mit steigender Ordnung immer kleiner. Auch das ist in der Grafik ersichtlich.

Selbstverständlich sind die interpolierten Positionsschätzungen nie ganz genau. Das Modell weiss beispielsweise nichts davon, ob sich im aktuellen Intervall die Geschwindigkeit oder Beschleunigung weiter verändert. Daher gibt es bei jedem Zählimpuls eine Korrektur, sodass die Schätzung auf den wahren Wert zurückspringt. Die resultierenden Zacken, die in der roten Kurve der Abbildung gut erkennbar sind, lassen sich jedoch mit einem geeigneten Tiefpassfilter gut wegglätten.

Fazit: Verbessertes Reglerverhalten

Bedenkt man, dass die Geschwindigkeit die Ableitung der Position ist und dass die Beschleunigung die nochmalige Ableitung davon ist, so erkennt man den mathematischen Hintergrund der zuvor erläuterten Interpolation. Das Modell entspricht in diesem Fall einer Taylorreihe TN der Ordnung N, die die Posi-tionsfunktion sk(t) an der Stelle des k-ten Zähl-impulses annähert. Dabei ist sk'(0) = v(k) die ermittelte Geschwindigkeit bei Auftreten des k-ten Zählimpulses und sk"(0) die Beschleunigung im selben Zeitpunkt. Typischerweise wählt man die Ordnung N zwischen eins und drei. Der Aufwand der mathematischen Berechnung ist abhängig von dieser Wahl.

Da jedoch keine Gleichungssysteme zu lösen sind, ist der Rechenaufwand ohnehin recht klein. Mithilfe eines derartigen Modells lassen sich die unregelmässig anfallenden Positionswerte auf die jeweiligen Zeitpunkte des Reglertakts umrechnen. Selbstverständlich ist dasselbe Verfahren auf jede Art von Messgrössen anwendbar. Dies führt gesamthaft zu einer exakteren Messung, zu weniger Totzeit und damit zu einem deutlich verbesserten Reglerverhalten.

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