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«Die Produktpiraten machen vor nichts halt»

Seit einigen Jahren wird der Markt mit Billigkopien von elektronischen Produkten vor allem aus dem asiatischen Raum überschwemmt. Speziell Plagiate der DC/DC-Wandler der deutschen Recom tauchen immer häufiger am Markt auf. Was dies für das KMU bedeutet und wie es sich dagegen wehrt, zeigt das Interview mit CEO Karsten Bier.

 

 

Das CE-Zeichen steht in China für «China Export»

Produktpiraterie ist uns zur Genüge aus dem Konsumgüterbereich bekannt, bei teuren Uhren beispielsweise. Wie sieht es in der Elektronik aus, in Ihrem Fall bei DC/DC-Wandlern?

Karsten Bier: Das Feld der Produktpiraterie ist weit und unübersichtlich. Man denke nur an den Streit zwischen Apple und Samsung im Bereich der Smartphones. Es ist völlig klar, wer zuerst mit so etwas auf dem Markt war und wer sich davon hat inspirieren lassen. Uns erging es vor knapp zehn Jahren mit dem weltweit ersten Schaltregler – dem R-78 – sehr ähnlich. Gute Produkte wie unser Regler – ein hocheffizienter Ersatz für linear geregelte Module – sind kommerziell erfolgreich. Sie wecken nicht nur Marktinteressen, sondern auch andere Produzenten, die dann recht schnell ein solches Produkt «nachempfinden». Das kann sogar Vorteile haben für den Kunden, weil er eine «2nd Source» hat.

Auch belebt Wettbewerb bekanntlich das Geschäft, weil ein Produkt für viele Kunden erst dann ernst genommen wird, wenn es vergleichbare Alternativen gibt. Davon profitieren letztlich auch wir als Erfinder. Solange klar ist, dass es sich um ein anderes Produkt eines anderen Herstellers handelt, reden wir von «Re-Engineering» und leben damit. Auch wenn es uns manchmal ärgert, dass man jahrelang an einer Neuheit entwickelt und dann ein anderer Hersteller innerhalb weniger Monate sehr ähnliche Ideen präsentiert.

Sie sprechen von «Re-Engineering» – also von Produkten, die nicht unbedingt schlecht sein müssen. Haben Sie nicht auch damit zu kämpfen, dass kopierte Produkte unter Ihrem Markennamen gehandelt werden?

Bier: In der Tat, und das kann ein riesiges Problem sein. Weniger für uns, die wir vielleicht einen interessanten Auftrag verlieren. Aber für unsere Kunden, die ohne eigenes Wissen ein minderwertiges Produkt verbauen. Eines, bei dem neben Firmenlogo und Typenbezeichnung auch die Prüfzeichen gefälscht sind. Äusserlich ist da meist kaum ein Unterschied zu sehen, da alle Hersteller im Prinzip dieselben Plastikgehäuse einsetzen. Wenn man dann unter dem Elektronenmikroskop einen Blick ins Innere wirft, sträuben sich einem die Haare. Da zeigt sich dann, dass z.B. Trafos mit kreuz und quer übereinander gewickelten Wicklungen ohne ausreichende Isolation verbaut werden, obwohl beim Originalprodukt Isolationsspannungen von 4 kV und mehr spezifiziert sind.

Ein Kunde, der die Zuverlässigkeitstests mit dem Original durchgeführt hat und später in der Serie eine Fälschung verbaut, hat ein Riesenproblem. Denn das gefälschte Produkt funktioniert meist ein paar Monate oder sogar Jahre einwandfrei, bevor es seinen Dienst quittiert. Uns sind Fälle bekannt, in denen seriöse Maschinenbauer weltweit Steuerungen austauschen mussten, weil gefälschte Recom-Wandler nach Monaten wie die Fliegen starben. Wäre das mit unserem Produkt passiert, hätte uns das eine sechsstellige Summe gekostet. So blieb der Kunde auf seinem Schaden sitzen, denn die chinesische «Garage», in der die Fälschung zusammengenagelt wurde, existierte nicht mehr, als die Sache ruchbar wurde.

Wie hoch liegt der Ihnen bisher entstandene Schaden durch Plagiate, inkl. der Kosten für Rechtsmittel – gerne auch nur ein Schätzwert?

Bier: Diese Frage ist kaum zuverlässig zu beantworten, da die Dunkelziffer sehr hoch ist. Irgendwo in der Grössenordnung zwischen 2 und 3 Mio. Dollar dürften es aber sicher sein. 5 Prozent vom Umsatz tun uns da nicht wirklich weh, zumal die Wachstumsraten um ein Mehrfaches darüber liegen. Da ärgert es uns schon weit mehr, wenn Recom-Wandler raus-designt werden, weil nicht erkannt wird, dass die Qualitätsprobleme auf dem Einsatz von Plagiaten beruhen. Deshalb ist der Kundenkontakt so wichtig!

Welche Tipps können Sie Firmen geben, die mit Plagiaten zu kämpfen haben? Gibt es eine Vereinigung/Interessenvertretung geschädigter Firmen – im Sinne gemeinsam sind wir stark?

Bier: Bei Plagiaten von DC/DC-Wandlern geht es um einzelne, besonders erfolgreiche Produkte oder Brands. Wirkliche Erfolge sind da nur in enger Zusammenarbeit mit dem Endabnehmer möglich. Er hat dieselben Interessen wie wir, er möchte keine minderwertige Kopie in seinem Produkt einsetzen. Deshalb bieten wir Kunden im Verdachtsfall eine kostenlose Überprüfung an und schaffen so eine Win-win-Situation. Wenn es keine Abnehmer für billigere Plagiate gibt, gibt es auch keinen Markt. Eine Zusammenarbeit mit anderen Herstellern macht wenig Sinn, zumal wir ja meist um denselben Kunden kämpfen und dort nur der betroffen ist, dessen Produkt zuvor ausgewählt wurde.

Sitzen die Fälscher grundsätzlich in China? Und wenn ja, wie kann man sie zur Strecke bringen?

Bier: Gefälscht und kopiert wird überall dort, wo viel Consumer-Elektronik entwickelt wird und die Löhne niedrig sind. Also neben China natürlich auch in Taiwan und Südkorea. Die Märkte sind unübersichtlich und es ist extrem schwierig, den wirklichen Hersteller ausfindig zu machen. Zumal da oft noch zwei, drei Zwischenhändler im Spiel sind. In den wenigen Fällen, wo es uns gelungen ist, den Hersteller ausfindig zu machen, haben wir lokal rechtliche Schritte eingeleitet. Mit einer Ausnahme waren dann die Firmen bzw. deren handelnde Personen verschwunden und sind vermutlich unter anderem Namen wieder aktiv. Vielleicht haben wir in dem einen Fall, der noch anhängig ist, mehr Glück. Vermutlich wird uns dies dann aber mehr Geld gekostet haben, als wir zurückbekommen werden.

Wie bemüht ist man in China heute bei der Verfolgung von Produktpiraten?

Bier: Sonderlich bemüht scheint man uns in China noch immer nicht zu sein. Zumindest tun wir uns trotz eigener Niederlassungen in Shanghai, Peking und Shenzhen recht schwer, die Fälle aufzuklären. Man nehme nur mal das leidige Thema des CE-Zeichens. Was in Europa «geprüfte Sicherheit» suggeriert, steht in China für «China Export». Besonders pikant ist der Umstand, dass beim chinesischen Zeichen dieselbe Schrift verwendet wird und nur der Abstand zwischen den Lettern minimal verändert ist. Dies für sich genommen zeigt schon, dass zumindest das «Kopieren» an höchster Stelle für legitim gehalten wird, und zwar bis hin zur bewussten Täuschung. Sonst wäre es leicht möglich gewesen, ein neues Logo für «China Export» zu gestalten. Beim «Made in Germany» vor hundert Jahren ist das ja auch gelungen …

Wie lange gehen Sie noch gegen Plagiate vor?

Bier: Der Kampf gegen Plagiate lässt sich zeitlich nicht begrenzen. Er ist aber für uns kein ähnlich wichtiges Thema, wie es die Entwicklung neuer Produkte ist. Da versuchen wir, es den asiatischen «Copyshops» so schwer wie möglich zu machen. Da wir fast ausschliesslich in Europa entwickeln, haben wir einen wesentlichen Vorsprung. Wir konzentrieren uns darauf, mit diesen Produkten möglichst viel Designs zu gewinnen. Danach sind die Kunden gefragt. Denn sie entscheiden, aus welcher Quelle sie beziehen. Wenn Zweifel bestehen – und die sind bei besonders billigen Preisen oder auffallend kurzen Lieferzeiten immer angebracht –, überprüfen wir verdächtige Wandler gerne auf Echtheit.

Äusserlich kaum zu unterscheiden, doch beim Blick ins Innere wird klar: Links ist der Kunde einer dreisten Fälschung aufgesessen – das Original hält einer Isolationsspannung von 6,4 kVDC/1s stand, beim Plagiat wird dies zum Ausfall führen

Die ertappten Fälscher werden woanders wieder aktiv

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