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Zinn-Nanokristalle für die Batterie der Zukunft

Leistungsfähigere Batterien könnten Elektroautos zu einer deutlich grösseren Reichweite und damit zum Durchbruch auf dem Markt verhelfen. Einen Beitrag leisten könnte dabei ein neues Nanomaterial für Lithium-Ionen-Batterien, das in den Labors von Chemikern der ETH Zürich und der Empa entwickelt wurde. Fabio Bergamin Gleichmässige Zinn-Nanotröpfchen im Elektronenmikroskop. (Bild: Maksym Kovalenko / ETH Zürich) (Grossbild) Sie liefern den Strom für Elektroautos, Elektrovelos, Smartphones und Laptops: Wiederaufladbare Lithium-Ionen-Batterien sind heute die Speicher der Wahl, wenn es darauf ankommt, auf kleinem Raum und mit geringem Gewicht viel Energie bereit zu stellen. Weltweit wird derzeit an einer neuen Generation solcher Batterien mit verbesserter Leistung geforscht. Wissenschaftler unter der Leitung von Maksym Kovalenko vom Laboratorium für Anorganische Chemie der ETH Zürich und von der Empa haben nun ein Nanomaterial entwickelt, dank dem sich in Lithium-Ionen-Batterien deutlich mehr Energie speichern lässt. Beim Nanomaterial handelt es sich um kleinste Zinn-Kristalle, die am Minus-Pol der Batterien zum Einsatz kommen sollen. Beim Laden der Batterie werden an dieser Elektrode Lithium-Ionen aufgenommen, beim Entladen werden sie wieder abgegeben (siehe Kasten). «Je mehr Lithium-Ionen die Elektrode aufnehmen und abgeben kann – je besser sie quasi atmen kann –, desto mehr Energie lässt sich in einer Batterie speichern», erklärt Kovalenko. Gleichmässige Kristalle Das Element Zinn ist dafür hervorragend geeignet: Jedes Zinn-Atom kann mindestens vier Lithium-Ionen aufnehmen. Eine Herausforderung ist es jedoch, mit der Volumenänderung von Zinn-Elektroden umzugehen: Ein Zinn-Kristall wird bis zu dreimal grösser, wenn er viele Lithium-Ionen aufnimmt, und er schrumpft, wenn er die Ionen wieder abgibt. Die Wissenschaftler setzten daher auf die Nanotechnologie: Sie stellten allerkleinste Zinn-Nanokristalle her und betteten eine grosse Menge davon in eine poröse und durchlässige Kohlenstoff-Matrix ein. Ähnlich wie ein Schwamm Wasser aufsaugt und wieder abgibt, kann eine so konstruierte Elektrode beim Laden Lithium-Ionen aufnehmen und beim Entladen abgeben. Bestünde die Elektrode aus einem kompakten Zinn-Block, wäre dies praktisch nicht möglich. Während der Entwicklung stellte sich die Frage nach der idealen Grösse der Nanokristalle, womit auch die Herausforderung zusammenhing, gleichmässige Kristalle herzustellen. Kovalenko: «Der Trick hierbei war, die beiden wesentlichen Schritte bei der Kristallbildung voneinander zu trennen, also einerseits die Bildung eines kleinstmöglichen Kristallkeimes und andererseits dessen weiteres Wachstum.» Indem die Wissenschaftler Zeit und Temperatur der Wachstumsphase beeinflussten, konnten sie die Kristallgrösse kontrollieren. «Wir sind die ersten, die so kleine Zinn-Kristalle in dieser Präzision hergestellt haben», sagt Kovalenko. Grössere Zyklenstabilität Mit einheitlichen Zinn-Nanokristallen sowie Kohlenstoff und Bindemitteln stellten die Wissenschaftler unterschiedliche Test-Elektroden für Batterien her. «Damit liess sich im Vergleich zu konventionellen Elektroden doppelt so viel Energie speichern», sagt Kovalenko. Die Grösse der Nanokristalle hatte beim ersten Lade-Entladezyklus keinen Einfluss auf die Speicherkapazität. Nach einigen Lade-Entladezyklen zeigten sich jedoch Unterschiede in Abhängigkeit der Kristallgrösse: Batterien mit 10 Nanometer kleinen Kristallen in den Elektroden konnten deutlich mehr Energie speichern als solche mit doppelt so grossem Durchmesser. Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass die kleineren Kristalle besser abschneiden, weil sie besser Lithium-Ionen aufnehmen und abgeben können. «10-Nanometer-Zinn-Kristalle scheinen also ideal zu sein für Lithium-Ionen-Batterien», sagt Kovalenko. Da die Wissenschaftler nun die ideale Grösse der Zinn-Nanokristalle kennen, möchten sie sich in weiterer Forschungsarbeit den verbleibenden Herausforderungen bei der Herstellung optimaler Zinn-Elektroden widmen. Dazu gehört etwa die Wahl der bestmöglichen Kohlenstoff-Matrix und des Bindemittels für die Elektrode sowie der ideale mikroskopische Aufbau der Elektrode. Ausserdem geht es um die Wahl einer optimalen und stabilen Elektrolyt-Flüssigkeit, in der die Lithium-Ionen in der Batterie zwischen den beiden Polen hin- und herwandern können. Schliesslich sind auch die Herstellungskosten ein Thema. Diese möchten die Forscher zu reduzieren versuchen. Sie möchten testen, welche kostengünstigen Ausgangsmaterialen für die Elektroden-Herstellung geeignet sind. Ziel ist es, Batterien mit einer erhöhten Energiespeicherkapazität und Lebensdauer marktreif zu machen, auch in Zusammenarbeit mit einem Schweizer Industriepartner. Wie Lithium-Ionen-Batterien funktionieren In Lithium-Ionen-Batterien ist die Energie in Form von positiv geladenen Lithium-Atomen (Ionen) gespeichert, die sich in der geladenen Batterie am Minus-Pol befinden. Wird der Batterie Energie entnommen, fliessen negativ geladene Elektronen über den externen Stromkreislauf vom Minus- zum Plus-Pol. Zum Ladungsausgleich fliessen positiv geladene Lithium-Ionen ebenfalls vom Minus- zum Plus-Pol. Diese legen den Weg jedoch im Innern der Batterie zurück, in der Elektrolyt-Flüssigkeit. Der Vorgang ist reversibel: Lithium-Ionen-Batterien können mit Strom wiederaufgeladen werden. In den allermeisten heutigen Lithium-Ionen-Batterien besteht der Plus-Pol aus den Übergangsmetalloxiden Kobalt, Nickel und Mangan, der Minus-Pol aus Graphit. In leistungsfähigeren Lithium-Ionen-Batterien der nächsten Generation sollen am Minus-Pol Elemente wie Zinn oder Silizium zum Einsatz kommen.

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